Kunststoff-Recycling : Chemisches Recycling:
Wie Igus-Partner bald Erdöl aus Kunststoffabfällen produziert

Gemischte Kunststoffabfälle können mit mechanischen Mitteln schwer oder gar nicht wiederaufbereitet werden. Daher gewinnen chemische Verfahren des Recyclings immer mehr an Bedeutung. Dies war für Igus, unter anderem Hersteller von Kunststoffgleitlagern, ein Grund, um 2020 in Mura zu investieren. Im April 2021 startete der Bau der ersten chemischen Recyclinganlage von dessen Tochterfirma ReNew ELP.

Anfang 2023 möchte ReNew ELP den neuen Standort in Betrieb nehmen. In der ersten Phase liegt die Kapazität der Anlage bei 20.000 Tonnen, die auf jährlich 80.000 Tonnen erhöht wird. Zum Vergleich: Der größte Müllstrudel der Welt, der Great Pacific Garbage Patch, der im Pazifischen Ozean zwischen Hawaii und Kalifornien schwimmt, besteht derzeit laut Schätzungen von Forschern aus circa 80.000 Tonnen Plastikmüll.

In Zukunft sollen weltweit weitere HydroPRS-Anlagen gebaut werden – auch in Deutschland. Es wurden bereits mehrere mögliche Standorte identifiziert. Einer davon befindet sich derzeit in der Entwicklungsphase und geht voraussichtlich bis einschließlich 2025 in Betrieb. Die geplanten Anlagen in Deutschland verfügen über eine Verarbeitungskapazität von 50.000 bis 100.000 Tonnen pro Standort.

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Chemisches Recycling zum "Schließen von Stoffströmen"

Sortenreine Kunststoffabfälle, wie etwa PET-Flaschen können mit mechanischen Verfahren gut wiederaufbereitet werden. Doch wenn Altkunststoff mit anderen Materialien vermischt ist, stößt die Mechanik an ihre Grenzen. Christian Paulik, Vorstand des Instituts für Chemische Technologie Organischer Stoffe an der Johannes Kepler Universität Linz, hebt in einem Beitrag für das Kunststoffcluster OÖ das Potential von chemischen Verfahren hervor: "Chemisches Recycling von Kunststoffen ermöglicht das Schließen von Stoffströmen, für die heute Recyclinglösungen oder Kapazitäten fehlen, und ergänzt somit ein werkstoffliches Recycling". In Österreich nimmt diesbezüglich laut Paulik die OMV eine Vorreiterrolle ein. In einer Pilotanlage in Schwechat wurde der sogenannte ReOilTM-Prozess entwickelt, bei dem Kunststoffabfall auf über 400 °C erhitzt wird.

Das Verfahren von ReNew ELP: HydroPRS

Das HydroPRS-Verfahren soll das Recycling von unsortierten Kunststoffabfällen mit geringem CO2-Fußabdruck ermöglichen. HydroPRS ist unempfindlich gegenüber organischen Verunreinigungen wie Papier und Lebensmittelresten, sodass sich eine breite Palette von Kunststoffabfällen als Ausgangsmaterial eignet. Dieses wird in der eigenen Materialaufbereitungsanlage zerkleinert und von Verunreinigungen wie Glas, Steinen und Metallen befreit. „Wir wissen um die großartigen Möglichkeiten dieser bahnbrechenden Technologie und unterstützen Mura, um dem chemischen Recycling zum Durchbruch zu verhelfen”, sagt Frank Blase, Geschäftsführer von Igus, zu dem Projekt.

Das Geschäftsmodell von Mura umfasst sowohl eigene Standorte in Großbritannien, Europa und den USA als auch weltweite Lizenz-Möglichkeiten über Muras Partner KBR. Inzwischen sind weitere Partner wie DOW Chemical, Chevron Phillips Chemical und Mitsubishi Chemical hinzugekommen.

Fortschritte beim Bau der HydroPRS-Anlage

ReNew ELP macht Fortschritte bei den Bauarbeiten der Anlage, wenngleich die Corona-Pandemie und Rohstoff-Engpässe, wie in anderen Wirtschaftszweigen auch, Auswirkungen auf das Projekt hatten. Nach den Grabungs- und Tiefbauarbeiten wurde in den letzten Monaten vor allem Beton gegossen, um die Fundamente und Unterbauten für die Gebäude und Anlagen zu errichten. Im Juli wurden bereits erste Anlagen wie Lagertanks für Destillat an die Baustelle geliefert. Darüber hinaus wird ein Teil in lokale Lagerhäuser gebracht oder bei den Lieferanten vor Ort gelagert. Das hilft bei der Montageplanung, da das Equipment so jederzeit verfügbar ist und effizient installiert werden kann. Die nächsten großen Bauvorhaben sind die Materialaufbereitungsanlage und die Hauptprozessanlage. Im Juli hat Mura bereits mit der Programmierung der Steuerungssoftware für die HydroPRS-Anlage begonnen, die bis Oktober fertig gestellt werden soll.

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Kunststoffverarbeitung
Wie Kunststoff chemisch verarbeitet werden soll. - © Igus