Heftige Kritik der Gewerkschaft : IV: 8 Punkte zur Sanierung des Wirtschaftsstandortes
Der Standort Österreich sei in den vergangenen Jahren stark unter Druck geraten, ausgelöst durch steigende Kosten für Energie, wachsende Lohnnebenkosten sowie massiv zunehmende bürokratische Belastungen. Das IV-Präsidium schlägt vor diesem Hintergrund acht dringende Maßnahmen für die nächste Legislaturperiode zur Wiederbelebung der Wettbewerbsfähigkeit vor. So sollen Arbeitsplätze in Österreich geschaffen wie gesichert werden und der Wohlstand aufrechterhalten werden.
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"Das Preis-Leistungsverhältnis für unseren Standort stimmt nicht mehr, während das Leistungsangebot nach wie vor stimmt – gut ausgebildete Fachkräfte, sofern verfügbar, eine hohe Forschungsquote und eine hohe Lebensqualität – ist die Preiskomponente in den letzten Jahren drastisch gestiegen“, so IV-Präsident Georg Knill.
"SOS-Wohlstand–Programm" der Industriellenvereinigung
Ein zentraler Punkt der Forderungen betrifft die Steuerlast. Die Industriellenvertretung erklärt: "Die absurd hohe Steuer- und Abgabenquote von 43,2 Prozent muss bis 2030 kontinuierlich auf 40 Prozent gesenkt werden. Österreich hat kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem." Auch das Pensionssystem steht in der Kritik. Die Vertretung warnt: "Bis 2050 wird unser Pensionssystem das Budget kumuliert mit einer Billion Euro belasten, wenn wir keine weiteren Reformen durchführen – eine Billion Euro, die wir in Bildung, Infrastruktur und unsere Innovationskraft investieren könnten." Die Industriellenvertretung plädiert für eine Rückbesinnung auf unternehmerische Werte: "In Österreich muss ein Zurückbesinnen auf vergessene Tugenden wie Leistung und Eigenverantwortung stattfinden. Es braucht eine Bewegung weg vom Vollkasko-Staat, der Eigeninitiative und Risikobereitschaft hemmt." Gefordert wird auch eine massive Senkung der Lohnnebenkosten – "ohne dabei den Sozialstaat in Frage zu stellen – gelingt es, dass den Menschen in diesem Land mehr Netto vom Brutto überbleibt".
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Bildung: "Wirtschaftsbildung muss in der bildungswichtigen Grundbildung mehr Gewicht bekommen, um einerseits das Bewusstsein zu stärken, selbst ein Teil der Wirtschaft zu sein und andererseits, um die Fähigkeit zu vermitteln sich in diesem System selbstbestimmt bewegen zu können." Zur Exportwirtschaft heißt es: "Mit einer Exportquote von 60 Prozent werden 1,2 Millionen Arbeitsplätze durch die Ausfuhr heimischer Produkte gesichert. Österreich muss deshalb seine ablehnende Position bezüglich fairer Freihandelsabkommen ändern und sich vom Blockierer zum Gestalter des Freihandels bewegen."
Die Industriellenvertretung fordert auch eine Überarbeitung des Green Deals: "Der Green Deal muss neu gedacht werden und endlich als technologieoffener, wettbewerbsfähiger Industrial Deal sowie als echter Wachstumsdeal gelebt werden." Zum Thema Bürokratie wird gefordert: "Es braucht einen Befreiungsschlag aus dem dichten Bürokratiedschungel in Österreich sowie der Europäischen Union. Österreich muss sich klar positionieren und auf die von der EU-Kommission angekündigte Verringerung der Berichtspflichten um 25 Prozent bestehen."
GPA-Kritik: "IV-Paket auf dem Rücken von Arbeitnehmer"
„Der sogenannte Rettungsring der Industriellenvereinigung ist eher ein Betonschuh für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Solange der Wirtschaftsmotor brummt, werden Profite gerne genommen, wenn er stottert, sollen die Beschäftigten büßen“, sagt Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, zum heute vorgestellten Maßnahmenpaket der IV.
„Die 41-Stunden-Woche ist eine massive Verschlechterung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In vielen Kollektivverträgen haben wir bereits 38,5 Stunden verankert, das wären dann zweieinhalb Stunden mehr Arbeit, obwohl die Beschäftigten immer produktiver werden. Wer das andenkt, muss mit dem stärksten Widerstand der Gewerkschaften rechnen“, kündigt Teiber an.
„Dass Lohnnebenkostenkürzungen und Pensionskürzungen in einer Aussendung genannt werden, ist mehr als verräterisch. Die Industrie möchte weniger zahlen. Wer sein Leben lang gearbeitet hat, soll weniger Pension erhalten. Das ist nichts anderes als eine Umverteilung von unten nach oben. Dass die bisherigen Lohnnebenkostenkürzungen als „viel zu gering“ bezeichnet werden, zeigt angesichts von 15 Milliarden Euro Kürzung in den letzten zehn Jahren, dass manche ihren Hals nicht voll bekommen“, so Teiber.
Die Gewerkschafterin sagt: „Wir fordern die Parteien auf, klar Stellung zu den Forderungen der Industriekapitäne zu beziehen. Die Beschäftigten sollen bei ihrer Wahlentscheidung im September wissen, was nach der Wahl auf sie zukommt.“
"IV will nicht die Fleißigen entlasten, sondern die Gierigen"
„Der heutige Rundumschlag der Industriellenvereinigung kann nur als weiterer Angriff auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich interpretiert werden”, kritisiert ÖGB Bundesgeschäftsführerin Ingrid Reischl. „Anstatt immer wieder dieselben Forderungen auf den Tisch zu legen, um den Beschäftigten das Leben schwer zu machen, sollte die Industrie ihre Kräfte besser darauf konzentrieren, wie sie die Arbeitsbedingungen verbessert“, stellt Reischl klar. „Damit würde man zum Beispiel die fehlenden Fachkräfte finden und ältere Arbeitnehmer:innen bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter im Job halten”, erinnert sie. Und das würde laut Berechnungen des Momentum Instituts bis 2035 insgesamt 57 Milliarden Euro bringen.
Einer Kürzung der Lohnnebenkosten, offenbar die Lieblingsforderung der Industrie, erteilt Reischl eine deutliche Absage: „Wer die Lohnnebenkosten kürzen will, gefährdet notwendigerweise den Sozialstaat. Wenn weniger Geld da ist, kann weniger ausgegeben werden. Man sollte meinen, dass Industrievertreter in den Grundrechenarten sattelfest sind“, rechnet die ÖGB Bundesgeschäftsführerin vor. „Noch abstruser wird das in Kombination mit dem geforderten Senken der Steuerquote. Wie soll denn die Kombination aus gekürzten Lohnnebenkosten, weniger Steuern und einem Sozialstaat ohne Einschnitte gleichzeitig funktionieren? Das funktioniert nicht einmal im Taka-Tuka-Land“, ist Reischl erstaunt.
„Anders als von der IV behauptet, würde kein einziger der heute präsentierten Vorschläge ‚die Fleißigen‘ entlasten. Alles zielt – wie gewohnt – darauf ab, Gier und Profitstreben zu belohnen. Anders ist auch kaum zu erklären, warum die IV wieder einmal eine Kürzung der Lohnnebenkosten mit den Brutto- und Netto-Einkommen verknüpft. Entweder lügt man absichtlich oder man kennt sich tatsächlich nicht aus“, erklärt Reischl und merkt an: „Beides wäre erschütternd.“