"Rechtsunsicherheit, Bürokratie und unkalkulierbaren Risiken" : EU-Lieferkettengesetz: Deutschland legt sich quer

lieferkettengesetz, initiative lieferkettengesetz, lieferketten, lieferkette, bundesregierung, kinderarbeit, unternehmen, schwellenländer, hungerlöhne, ausbeutung, menschenrechte, buch, text, wort, close up, makro

Deutsche Ministerien wollen das geplante EU-Lieferkettengesetz nicht mittragen.

- © Nico - stock.adobe.com

Die Verhandlungsführerer des Europäischen Parlaments und der EU-Staaten hatten sich Mitte Dezember auf einen Kompromiss geeinigt. Bisher gibt es aber nur eine politische Einigung. Ein genauer Rechtstext wird derzeit von Beamten ausgearbeitet - er könnte in den kommenden Wochen fertiggestellt werden. Danach muss er noch von den EU-Staaten und dem Europaparlament endgültig verabschiedet werden.

Mit der Enthaltung Deutschlands sei unklar, ob es noch eine ausreichende Mehrheit unter den EU-Ländern für das Vorhaben gebe, sagte ein EU-Diplomat der Deutschen Presse-Agentur. So gibt es Spekulationen, dass sich andere Länder an der Entscheidung Deutschlands orientieren und dem Projekt nun ebenfalls nicht zustimmen werden. Damit steht eines der Vorzeigeprojekte der EU-Handelspolitik auf der Kippe.

Für mittelständische Unternehmen existenzbedrohend

Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner kritisierten, das EU-Gesetz werde dazu führen, dass Unternehmen für Pflichtverletzungen in der Lieferkette in erheblicher Weise zivilrechtlich haften. Außerdem wären deutlich mehr Unternehmen betroffen als nach aktueller deutscher Rechtslage. Auch der Bausektor solle als sogenannter Risikosektor eingestuft werden. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen in diesem bereits durch gestiegene Bauzinsen gebeutelten Bereich könne das existenzbedrohend sein. "Viele Betriebe verfügen unserem Eindruck nach schlichtweg nicht über die entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen", argumentieren die Minister. "Es ist zu befürchten, dass künftig noch weniger gebaut würde in Deutschland."

Deutschland hat bereits ein Lieferkettengesetz, die EU-Variante geht jedoch über die deutschen Vorgaben hinaus. Das deutsche Gesetz gilt für Unternehmen, die mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen. Diese Grenze wird durch die EU-Version voraussichtlich gesenkt. Außerdem ist vorgesehen, dass Unternehmen zivilrechtlich haftbar gemacht werden können und zum Beispiel auf Schadenersatz verklagt werden können. Dies ist im deutschen Lieferkettengesetz bisher ausgeschlossen. In Österreich gibt es bislang kein vergleichbares Gesetz.

Mehrere Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft haben kürzlich in einem Brief gefordert, dem neuen EU-Lieferkettengesetz die Zustimmung zu verweigern. Sie warnten vor "Rechtsunsicherheit, Bürokratie und unkalkulierbaren Risiken".