Mensch versus Maschine? : Studie: negativer Einfluss von Automatisierung auf psychische Gesundheit belegt
Die Automatisierung der Industrie schreitet immer weiter voran: Gab es im Jahr 1990 noch weltweit etwa 400.000 Industrieroboter, waren es im Jahr 2020 schon drei Millionen. Ein vielbeachteter Nebeneffekt ist der Wegfall von Arbeitsplätzen in den betreffenden Branchen. Weniger Beachtung fanden bisher allerdings die Effekte von Automatisierung auf Menschen, die weiterhin in diesen Branchen arbeiten – und vor allem die Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit.
Diesen Aspekt der Automatisierung haben Ana Lucia Abeliansky und Klaus Prettner vom WU Department für Volkswirtschaft sowie Matthias Beulmann von der Universität Göttingen in einer neuen Studie beleuchtet. „Wir konnten feststellen, dass der Einsatz von Industrierobotern mit einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter einhergeht“ fasst Abeliansky die Ergebnisse zusammen. „Die Hauptgründe dafür sind offenbar Sorgen um die Sicherheit des Arbeitsplatzes und ein verringertes Gefühl, im Beruf einen wertvollen Beitrag zu leisten.“
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Deutschland als Musterbeispiel
Für ihre Studie haben sich die Forscherinnen und Forscher auf Deutschland konzentriert: „Einerseits gehörte Deutschland im Jahr 2020 zu den Ländern mit den meisten Industrierobotern weltweit, andererseits konnten wir hier auf eine gute Datenlage zurückgreifen“, sagt Ana Lucia Abeliansky von der WU. In Deutschland wird seit 2002 das sozio-oekonomische Panel (SOEP) durchgeführt, eine repräsentative Wiederholungsbefragung von Privathaushalten. Mit ihrer Hilfe konnten die Forschenden die Entwicklung der psychischen Gesundheit von Beschäftigten in 14 verschiedenen Industriesektoren erheben. Diese Daten verglichen sie mit der Intensivierung der Nutzung von Robotern im jeweiligen Sektor.
Dabei zeigte sich, dass mit der intensiveren Nutzung von Industrierobotern in einer Branche eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit einhergeht. „Es handelt sich dabei allerdings um keinen direkten Effekt, etwa durch Technophobie – also eine Abneigung gegenüber Technologie“, erklärt Co-Autor Klaus Prettner von der WU. Stattdessen konnten die Forschenden in ihrer Analyse zwei entscheidende indirekte Effekte identifizieren.
Angst vor Arbeitslosigkeit, weniger Erfolgserlebnisse
Einerseits steigt durch industrielle Automatisierung die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Besonders deutlich ist dies bei über 60-Jährigen sowie bei Arbeitnehmenden, die eher einfache und Routinetätigkeiten ausführen, ausgeprägt.
Relevante Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat allerdings auch der zweite indirekte Effekt: die verringerte Wahrnehmung von Erfolgserlebnissen im Beruf. Dieses Ergebnis kam für die Autorinnen und Autoren überraschend, denn Automatisierung könnte die Wahrnehmung der eigenen Leistung auch verbessern, weil sie Arbeiterinnen und Arbeitern langweilige und repetitive Aufgaben abnimmt. Doch stattdessen überwogen die negativen Auswirkungen. Der Grund dafür ist laut dem Forscher-Team wahrscheinlich, dass durch Automatisierung der Zusammenhang zwischen der eigenen Tätigkeit und dem Endprodukt schwindet – und damit auch das Gefühl, gebraucht zu werden.
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Ein gesamtgesellschaftliches Problem?
Diese Ergebnisse zeigen, dass sich Automatisierung auch abseits vom Verlust des Arbeitsplatzes negativ auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auswirken kann. Das sei aus ökonomischer, aber auch aus gesamtgesellschaftlicher Sicht bedeutend, betont Ko-Autor Klaus Prettner von der WU: „Unsere psychische Gesundheit hat einen starken Einfluss auf die individuelle Produktivität, aber auch auf das Wohlbefinden und das Sozialleben. Darum ist es wichtig, diesen Zusammenhang genauer zu erforschen.“
Gegenstand weiterer Forschung könnte etwa sein, inwieweit die Daten aus Deutschland mit anderen Ländern vergleichbar sind. „Interessant und derzeit besonders aktuell wäre auch die Frage, in welchem Ausmaß andere Formen von Automatisierung die psychische Gesundheit beeinträchtigen – etwa der Einsatz von Künstlicher Intelligenz“, so Prettner.
Zur Studie
Abeliansky, A. L., Beulmann, M., & Prettner, K. (2024). Are they coming for us? Industrial robots and the mental health of workers. Research Policy, 53(3), Artikel 104956.
Hier können Sie die Studie im Detail nachlesen.