Softrobotik : Soft Robotics: Wie sich die weichen Roboter entwickeln

Soft Robotics ist ein Bereich aus der Robotik, dem aktuell ein hohes Entwicklungspotenzial zugeschrieben wird. Helmut Schmid, der Vorstandsvorsitzende des Deutscher Robotik Verbandes, prophezeit den anschmiegsamen Helfern für 2024 einen Durchbruch in der Forschung. Doch woran wird auf dem Gebiet überhaupt geforscht und zu welchen Anwendungsmöglichkeiten führen die neuen Erkenntnisse?

Soft Robots könnten in verschiedenen Bereichen gar revolutionäre Anwendungen finden, darunter Such- und Bergungseinsätze, Altenpflege, Handhabung empfindlicher Gegenstände und Rehabilitation. Durch ihre weiche, flexible Struktur gelten sie in der Interaktion mit Menschen als sicherer als ihre steifen Kollegen. Darüber hinaus bieten Soft Robots aufgrund ihrer Flexibilität auch Vorteile in engen oder schwer zugänglichen Umgebungen, wie zum Beispiel in Tunnelschächten, Röhren oder im Weltraum. Idealerweise sollen sie sogar in der Lage sein, sich selbst zu zersetzen, indem sie umweltfreundliche Abbauprodukte erzeugen. Dies macht sie geeignet für Umweltüberwachungsaufgaben, wie die Detektion von Schwermetallen im Wasser.

In der Industrie sind besonders hybride Systeme von Interesse, die aus weichen und starren Elementen bestehen, um die Zusammenarbeit zwischen Arbeitern und Maschinen zu verbessern. Die Forschung in diesem Bereich ist interdisziplinär und nutzt Expertise aus Informatik, Materialwissenschaften, Bionik und Maschinenbau. Smart Materials wie Formgedächtnismaterialien und dielektrische Elastomere werden als künstliche Muskeln, für flexible Elektronik und Sensorik sowie zur Energieversorgung eingesetzt. Beispiele für aktuelle Soft-Robotik-Entwicklungen sind X-förmige Kriechroboter, raupenartige Soft Robots, fisch- und rochenartige Roboter sowie handähnliche Gebilde und Greifer mit drei bis sechs Fingern.

Obwohl bereits wichtige Entwicklungsschritte gemacht wurden, sind die mechatronischen Softies noch nicht im Massenmarkt angekommen. Mit neuen Entwicklungen aus der Robotikforschung soll sich das aber bald ändern.

>> Immer up to date mit der Branche sein? Hier geht’s zum Factory-Newsletter!

TU Wien: Die Regelung und Steuerung nachgiebiger Aktoren

Am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der Technischen Universität Wien forscht man beispielsweise an der Regelung elastischer Roboter. Die Forschungstätigkeit zielt darauf ab, die Bewegung präzise zu regeln und dabei das intrinsische elastische Verhalten zu ermitteln.

Unteraktuierte Systeme haben weniger Aktuatoren als Freiheitsgrade, was bedeutet, dass nicht jeder Aspekt des Systems direkt gesteuert werden kann. Dies führt zu einer komplexen Dynamik, da die Bewegung eines Teils des Systems durch die Interaktion mit anderen Teilen beeinflusst wird. Die Steuerung und Regelung der weichen Roboter ist also kniffliger, da sie nicht einfach durch direkte Ansteuerung aller Gelenke gesteuert funktioniert. Nachgiebige Materialien neigen außerdem dazu, Schwingungen länger aufrechtzuerhalten als steife Materialien. Die Herausforderung besteht darin, effektive Methoden zur Dämpfung dieser Schwingungen zu entwickeln. Die nichtlinearen Eigenschaften elastischer Materialien erschweren die Modellierung und Regelung des Systems. Die Forscher müssen also Algorithmen entwickeln, die die nichtlinearen Effekte der elastischen Komponenten korrekt berücksichtigen. Darüber hinaus muss die elastische Aktuierung von Robotern mit der Mehrkörperdynamik des gesamten Systems in Einklang gebracht werden. Mehrkörperdynamik bezieht sich auf die Wechselwirkungen und Kräfte zwischen den verschiedenen Teilen eines mechanischen Systems. Es müssen daher Modelle und Regelungsalgorithmen entwickelt werden, die die elastische Aktuierung in die Mehrkörperdynamik integrieren.

Ein Forschungsergebnis der Wiener hat in Form des humanoiden Roboters DAVID des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt bereits Gestalt angenommen. Das an der TU entwickelte Regelungskonzept ESP (“Elastic Structure Preserving”) fand dort bereits Anwendung.

RPTU: Modularer Aufbau für serienreife Softrobotik

Forscher:innen an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) wirft man anhand eines schlangenförmigen Roboters Licht auf die Eigenschaften und das Verhalten der elastischen Systeme. Mit dem langfristigen Ziel, die Basis für serienreife Roboter zu liefern, beschäftigen sich die Forscher:innen mit dem Design von kombinierbaren Soft Robot Modulen, dem Test dieser Module, dem Aufbau von effizienten Modellen, dem Bewegungsablauf und der Steuerung der Softroboter.

TU Hamburg: Weiche Greifer mit integrierten Sensoren

Am Institut für Mechanik und Meerestechnik der TU Hamburg nimmt man die Greifer der Softroboter genauer in den Blick. Ziel des Forschungsprojekts "Sensorized
Gripping - Trajectory Tracking Control" ist es, die Überwachung und Steuerung von weichen Greifern durch die Integration von Greifkraft- und Formsensoren zu verbessern. Aber auch die Agilität und Genauigkeit von Soft-Robotern soll sich verbessern, indem dynamische Regelungs- und Steuerungsmethoden entwickelt werden.

Da herkömmliche Aktoren zu starr sind und der weichen Struktur entgegenwirken würden, müssen neue Aktoren, Sensoren und Regelungs- und Steuerungskonzepte her. Zu diesem Zweck forschen die Hamburger an alternativen Aktuierungskonzepten wie längenveränderlichen Sehnen, Formgedächtnislegierungen oder fluidbasierte Aktoren. Insbesondere befassen sie sich mit der Entwicklung von zuverlässigen Sensoren zur Steuerung der Griffkraft und Formsensoren zur Messung der Roboterkonfiguration. Traditionelle Sensoren können aufgrund der Weichheit des Roboters nicht für die Abschätzung seiner Krümmung verwendet werden.