Robotik : Bin-Picking: Was am Griff in die Kiste so schwierig ist

Der Griff in die Kiste ist ein schönes Robotik-Beispiel, denn einem Menschen ist die Aufgabe schnell erklärt: Ich habe eine Kiste, darin liegen Bauteile und ich habe typischerweise einen Werkstückträger, ein Förderband, wo ein vereinzeltes Bauteil drauf muss. Für den Roboter ist das eine Anwendung, die dynamische Trajektorien benötigt. Wenn ich in das Chaos reingreifen möchte, hat jedes Bauteil einen individuellen Pfad. Ich muss dafür sorgen, dass ich kollisionsfreie Bahnen bekomme, dazu kommt noch die große Variantenvielfalt an Bauteilen. Die Bauteile haben beliebige Lagen, sie können in allen Variationen in der Kiste liegen, wodurch sich unterschiedliche Greifpunkte ergeben. Eine 3D-Bildverarbeitung schaut in die Kiste. Die erzeugt eine Punktewolke, woraus sich ein Höhenprofil über die Kiste ergibt, mit dem man die Bauteile finden kann. Dabei hat man aber mit Ungenauigkeiten zu kämpfen.

Die große Herausforderung ist: Ich habe verschiedene Teilsysteme, die alle für sich dynamisch, kompliziert und mit Fehlern behaftet sind.
Werner Kraus, Fraunhofer IPA

Mehrere Teilsysteme in einem

Die große Herausforderung ist: Ich habe verschiedene Teilsysteme, die alle für sich dynamisch, kompliziert und mit Fehlern behaftet sind, und die beim Griff in die Kiste in ein Gesamtsystem zusammengeführt werden. Grundsätzlich funktioniert der Griff in die Kiste auch ohne KI. Auf Basis des CAD-Modells des Bauteils wird dem Roboter beigebracht, wie das Bauteil aussieht. Im nächsten Schritt muss ein Experte festlegen, an welchen Stellen man das Bauteil greifen kann, man bietet dem Roboter also ein Spektrum an Griffen an. Je mehr Griffe man dem Roboter anbietet, desto größer ist die Chance, dass er in der Praxis einen passenden Griff findet, den er kollisionsfrei greifen kann.

Podcast-Folge: KI-Anwendungen und Robotikforschung

Künstliche Intelligenz und Industrierobotik gelten als die großen Versprechungen unserer Zeit. Aber wo steht die Forschung auf diesen Gebieten? Werner Kraus leitet die Abteilung Roboter- und Assistenzsysteme am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Im Gespräch mit Dennis Rathmann spricht er über die Quick-Wins von KI-Anwendungen, die Entwicklung der Robotik seit 50 Jahren und erklärt, warum ein E-Bike manchmal besser ist als eine volle Automatisierung.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Gespräch, das Dennis Rathmann mit Werner Kraus im Rahmen unseres Podcasts geführt hat.

Die ganze FACTsTORYs-Folge über KI-Anwendungen und Robotikforschung können Sie hier nachhören!

Schneller greifen mithilfe künstlicher Intelligenz

Dieser Prozess, also einerseits die Objekte und die Greifpunkte einzuteachen, benötigte früher 3-4 Stunden Expertenaufwand – pro Bauteil! Mit der KI sind wir aber in der Lage, den Roboter in der Simulation zu trainieren. In einer Physiksimulation fallen die Bauteile in die Kiste, dabei werden gelabelte Daten erzeugt, also Punktewolken. Aus dem Wissen, wo die Bauteile liegen, kann der Roboter in der Simulation lernen, wie die Bauteile aussehen und, wo er sie greifen kann. Dadurch fällt der Expertenaufwand weg. Und es können bis zu 150 verschiedene Bauteile mit dem Griff in die Kiste vereinzelt werden, weil man nicht jeweils 3-4 Stunden für einen Experten benötigt. Diese Methoden sind mittlerweile so ausgereift, dass der Roboter keinen echten Griff benötigt, um das Wissen zu generieren.

(Ebenfalls interessant: Immer effizientere Roboter führen zum Umbruch in der Produktion)