Gastkommentar : Potenziale für den 3D-Druck – endlich konkrete Zahlen!

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Dabei geht es um weit mehr als nur um die reinen Bauteilkosten. Die Analysen fokussieren insbesondere auch auf die entstehenden Aufwände in der Ersatzteillogistik. Europäische Schienenfahrzeug-Instandhalter gehen davon aus, dass mittelfristig zwischen zwei und fünf Prozent aller Ersatzteile additiv gefertigt werden können.

Die Initiative: Drei Jahre 3D-Druck bei den ÖBB-TS

Bei jährlich mehr als 237.000 Ersatzteilbestellungen für mehr als 6.600 bewegte Züge pro Tag stellt sich für die ÖBB-TS täglich die Herausforderung, wie mit diesem riesigen Spektrum an Artikeln umgegangen werden soll. Von Lieferanten abgekündigte Bauteile, keine verfügbaren Standardlieferanten und daraus resultierend oft monatelange Lieferzeiten sowie hohe Teilekosten charakterisieren die Herausforderungen im Ersatzteilgeschäft.

Im ÖBB-Konzern zeichnet die ÖBB-Technische Services-GmbH verantwortlich für die Gewährleistung der Instandhaltungsmaßnahmen für das sogenannte „rollende Material“.

Um den hohen Anforderungen im Ersatzteilwesen zu begegnen, wurde im Jahr 2018 die Initiative „3DDruck@ÖBB“ gegründet, um die Potenziale der vielversprechenden additiven Fertigungstechnologie im Unternehmen nutzen zu können. Der Fokus lag dabei in den letzten Jahren jedoch zumeist auf den Fertigungseinzelkosten. Eine reine Betrachtung der Bauteilkosten, beispielsweise im Vergleich zwischen Gussverfahren und der additiven Fertigung, zeigt in der Regel schnell einen Kostenvorteil von konventionellen Fertigungsmethoden.

Um den Betrachtungsfokus in Richtung der entstehenden ersatzteillogistischen Aufwände zu erweitern und somit die realen Gesamtkosten genauer zu bestimmen, arbeiten die ÖBB-TS gemeinsam mit der Forschungseinrichtung Fraunhofer Austria nun an einem Konzept für ganzheitliche Potenzialbewertungen für die additive Fertigung. Dieses soll die Wahl der besten Bereitstellungsstrategie für betrachtete Ersatzteile ermöglichen.

Die Vorgehensweise: Potenzialbewertung für Ersatzteile durch Fraunhofer Austria

Fraunhofer Austria beschäftigt sich intensiv mit der Potenzialbewertung der additiven Fertigung im Ersatzteilwesen. Die vollumfängliche Betrachtung von Bauteileinzelkosten, insbesondere aber von Aufwänden für die Lagerhaltung und für notwendige Logistikprozesse stellt aktuell einen Forschungsschwerpunkt dar.

Dadurch können Strategievarianten wie Endbevorratung, die konventionelle und additive interne Nachfertigung sowie der Ersatzteilzukauf gegenübergestellt werden. Die Methodik erlaubt einen transparenten Vergleich der einzelnen Strategien sowie der entstehenden Kosten.

Die entwickelte methodische Vorgehensweise ist in mehrere Schritte unterteilt. Zu Beginn erfolgt durch eine Bauteilklassifikation eine Vorauswahl von prinzipiell geeigneten Teilen und der Ausschluss von Strategien, falls Restriktionen vorliegen.

Im nächsten Schritt nimmt das Team die relevanten ersatzteillogistischen Prozesse im Unternehmen auf und ordnet die benötigten Ressourcen je Prozess zu.

Im Anschluss liefern eigens aufgestellte Kostenfunktionen die Aufwände für notwendige Prozesse, die Lagerhaltung und auch für die Ersatzteileinzelkosten. Im entwickelten Spare Assessment Tool erfolgt die Definition von Szenarien, wie beispielsweise die jeweilige Lagerdauer oder die genutzte Lagertechnik.

Die übersichtliche Ergebnisausgabe für den Anwender, in der nicht relevante Strategien ausgeschlossen werden, erfolgt im letzten Schritt.

Die für das Ersatzteil entstehenden Bereitstellungskosten werden in vier Kategorien strukturiert dargestellt. Deren Summe ergibt die Gesamtkosten je Strategie und dadurch die kostenorientierte Priorisierung.

Fraunhofer Austria beschäftigt sich im Ersatzteilwesen darüber hinaus intensiv mit der Prognose von Ersatzteilbedarfen. Die generierten Informationen stellen in Kombination mit der Möglichkeit der Potenzialbewertung für die additive Fertigung eine effektive Möglichkeit zur Reduktion des Working Capitals, der Prozess- sowie Lagerhaltungskosten dar.

Die Anwendung: Fraunhofer Spare Part Assessment Tool bei den ÖBB

Gemeinsam erarbeiteten Fraunhofer Austria und die ÖBB-TS in einem Projekt eine Gesamtkostenbetrachtung für die Ersatzteilbereitstellung. Die Projektpartner identifizierten Teile mit unterschiedlichen Charakteristika und bildeten Szenarien, sodass die relevanten Strategien für konkrete Ersatzteile strukturiert analysiert und verglichen werden konnten.

Die Ergebnisse aus dem Spare Part Assessment Tool ermöglichen es den ÖBB-TS zukünftig, eine Betrachtung nicht nur basierend auf Ersatzteileinzelkosten durchzuführen – vielmehr werden die gesamten Bereitstellungskosten transparent gemacht.

Die Zukunft: Automatisierte Lebenszyklusbewertung

Der Lebenszyklus im System Bahn liegt bei mehreren Jahrzehnten. Es besteht der Anspruch in der Schienenfahrzeuginstandhaltung, aus diversen Fertigungs- und Beschaffungsmöglichkeiten jene Lösung auszuwählen, die über die Restlaufzeit des Produktlebenszyklus das wirtschaftliche Optimum realisiert.

Daher ist es relevant, die entstehenden Gesamtkosten und den Ressourcenverbrauch für diese Betrachtungszeit zu kennen, um eine Entscheidungsgrundlage für eine potenzielle additive Fertigung zu schaffen.

Dies manuell für die über 150.000 Artikel, die aktiv im Ersatzteilportfolio des Unternehmens geführt werden, umzusetzen, würde mehrere Experten über mehrere Jahre beschäftigen.

Aufgrund der raschen Innovationszyklen, vor allem im Bereich additiver Fertigung, würde diese Vorgehensweise in puncto Vergleichbarkeit starke Mängel aufweisen. Erst eine Auswertung, die tagesaktuell mit verschiedenen, auf die verfügbaren Beschaffungs- und Produktionsmöglichkeiten angepassten Parametern durchgeführt werden kann, bietet langfristig einen echten Mehrwert in der Ersatzteillogistik.

Dementsprechend wird derzeit gemeinsam eine durchgängige Datenintegrationslösung entwickelt. Diese soll es erlauben, mittels KI-Methoden in vorliegenden technischen Zeichnungen automatisiert entscheidungsrelevante Parameter für die additive Fertigung auszulesen (Oberflächenqualität, maximale Abmessungen etc.)

Gemeinsam mit der Analyse von weiteren Daten (beispielsweise aus dem ERP-System und anderen Datenquellen) soll so das riesige Artikelspektrum automatisiert einer technologischen, wirtschaftlichen und ökologischen Analyse unterzogen werden.

Außerdem werden Bauteiloptimierungen wie Gewichtseinsparungen oder Funktionsintegration mitberücksichtigt. Im Vorhaben sind weitere Partner aus Industrie und Forschung, wie etwa die Fraunhofer-Einrichtung für additive Produktionstechnologien (kurz IAPT), engagiert.