E-Mobilität : Der Menschheitstraum von „unkaputtbaren“ Materialien
Schon bei der Herstellung der Akkus stehen neben der Leistungsoptimierung auch Umweltbilanz und Nachhaltigkeit im Fokus. Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entwickeln jetzt selbstheilende Polymere, die dazu beitragen können, die Speicherkapazität von Lithium-Ionen-Batterien zu erhöhen und gleichzeitig deren Lebensdauer zu verlängern.
Mit dem Aufstieg der E-Mobilität wächst auch die Produktion von Batterien, die in diesen Autos als Energiespeicher dienen. Verbunden mit der Absicht, Elektrofahrzeuge mit einem ökologisch akzeptablen Fußabdruck zu produzieren, setzen sich die Lithium-Ionen-Akkumulatoren durch. Sie garantieren hohe Leistungsfähigkeit auf kleinstmöglichen Raum und sind schon lange erprobt in Smartphones, Tablets, Notebooks und Digitalkameras. Nun werden diese aufladbaren Akkus auch in E-Fahrzeuge eingebaut. Allerdings stehen die kurzen Ladeabstände in der Kritik der Verbraucher.
„Wenn es um E-Batterien mit höherer Speicherkapazität und längerer Lebensdauer geht, rücken wir die Beschaffenheit der in den Lithium-Ionen-Akkus verwendeten Materialien in den Fokus unserer Forschung und Entwicklung“, sagt Professor Wolfgang Binder vom Institut für Chemie der Martin-Luther-Universität (MLU) Halle-Wittenberg. Er schlägt eine gedankliche Brücke zu den globalen Fragen, die sich beispielweise mit Umwelt- und Sozialstandards in den Ländern beschäftigen, wo das Lithium gewonnen wird. Immer mehr Automobilhersteller würden Fachwissen zur Herstellung von Lithium-Ionen-Batteriezellen in ihr eigenes Unternehmen integrieren. Es gehe ihnen nicht nur um wirtschaftliches Handeln, sondern auch um Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz.
Der Menschheitstraum von „unkaputtbaren“ Materialien
Die Lebensdauer von Materialien betreffend können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Institut für Chemie der MLU ihre Kompetenzen einbringen. Die Gruppe um Wolfgang Binder beschäftigt sich mit der Entwicklung von Funktionspolymeren. Der Professor erklärt: „Polymere sind langkettige Moleküle, aus denen zum Beispiel Kunststoffe bestehen. Auf chemischem Wege können sie in Struktur, Anordnung und Zusammensetzung soweit verändert werden, dass sie neue Eigenschaften ausbilden. Wir wollen dem Menschheitstraum von dauerhaft haltbaren Materialien näherkommen“, lacht der Wissenschaftler und verlässt dabei keineswegs den Boden der Realität. Mit der Entwicklung von Materialien, die kleinste strukturelle Defekte selbst erkennen und sogar selbst reparieren können, macht seine Forschungsgruppe in Fachkreisen international auf sich aufmerksam.
Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts „Bat4ever“ etwa sind die Forschungen des Chemiker-Teams aus Halle-Saale gefragt. Gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie in ganz Europa gehen sie der Herausforderung nach, Technologien zu entwickeln, die die Alterungsprozesse in Lithium-Ionen-Batterien verhindern und die Akkus gleichzeitig noch leistungsfähiger machen. Denn am Ende, so Binder, wolle der Autofahrer, dass der teure Akku in seinem E-Auto lange hält und dass er beim Aufladen auch nur fünf Minuten an der Tanksäule steht wie vergleichsweise mit dem Benziner.
Diagnose und Heilung
Die Steigerung von Leistungsfähigkeit und schneller Ladefähigkeit hat allerdings noch einen Haken: „Je schneller eine Batterie ge- oder entladen wird, desto schneller und stärker altert sie“, sagt der Chemiker. Kurzum: Während der Lade- und Entladezyklen ändert sich das Volumen innerhalb der Batterie. Das Material dehnt sich aus und zieht sich zusammen – um so öfter, je schneller der Ladevorgang geht. Das führt einhergehend mit Rissen zu einer frühzeitigen Zerstörung der Batterieelektroden und auch der Elektrolyte. Darunter leidet die Kapazität der Batterie, die sich mit zunehmendem Alter immer schwerer aufladen lässt.
„BAT4EVER“ – die „Batterie für immer“ müsste demzufolge aus Materialien hergestellt sein, die diese Volumenänderungen kompensieren. Das EU-Projekt entwickelt ein Diagnose- und Reparatursystem zur Erkennung und Heilung frühzeitiger Schäden. Von großem Interesse sind da die Funktionsmaterialen, die Binders Wissenschaftler-Team entwickelt. Dazu gehört ein reversibler Klebstoff, der die beim Lade-und Entladevorgang gestresste Elektrode „zusammenhält“. Es handele sich um ein klebriges Gel, so Binder, dessen chemische Bindungen unter den Volumenänderungen brechen und sich wieder zusammensetzen. Dabei bildet das Gel einen Schutzfilm, der schon feinste Risse in der Elektrode „stopft“. So werde vermieden, dass die Schäden größer werden.
Die „Batterie für immer“
„Innerhalb des EU-Projektes wollen wir testen, welchen Einfluss dieses in den Elektrolyten eingebrachte Selbstheilungssystem auf das Betriebssystem der Akkus hat“, sagt der Professor aus Halle und dass die Prozesse innerhalb einer Batterie zu vergleichen seien mit denen in einem Uhrwerk. Wenn da einzelne Rädchen verändert werden, müsse man genau untersuchen, ob am Ende auch noch positive Auswirkungen auf den Gesamtprozess zu verzeichnen sind. Das treffe auch bei der Veränderung von Materialeigenschaften zu.
Wolfgang Binder denkt den Gesamtprozess bis zum Ende, an dieser Stelle steht das Recycling des Akkus aus dem E-Auto. Das sei auch noch ein weites Forschungsfeld mit schwierig zu lösenden Problemen, sagt der Wissenschaftler. Auch unter diesem Aspekt sei es vorteilhaft, wenn Batterien für E-Autos eine längere Lebenszeit besitzen.