Maschinenbau : Chinas Jagd auf Europas Hochtechnologie
Merkel nennt es Innovationspartnerschaft, das deutsche Nachrichtenmagazin Spiegel schimpft es Technologieausverkauf. Dass China mittlerweile deutsche Unternehmen mit einer Affinität zu Industrie 4.0 ins Auge gefasst hat, dürfte seit dem KUKA-Midea Deal klar sein. Ein chinesischer Haushaltsgeräte-Hersteller will sich beim Augsburger Traditionsbetrieb für Industrieroboter einkaufen (30 %) und somit Zugang zu Know-how und Kunden verschaffen. Dabei ist Kuka nicht der Erste, sondern Dritte große deutsche Industriebetrieb nach Betonpumpenhersteller Putzmeister (2012) und Spritzgussmaschinenbauer Krauss Maffei (2016), der sich einer chinesischen Machtübernahme konfrontiert sieht.
Der deutsch-chinesische Deal
2014 hatte die Kanzlerin mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang noch einen stimmigen Deal. In Shenyang entstand ein deutsch-chinesischen Industriepark für Maschinen- und Anlagen. So hat BMW in der rund sieben Millionen Einwohner zählenden Industriemetropole das größte Produktionszentrum außerhalb Deutschlands gebaut und zugleich das modernste BMW-Motorenwerk weltweit. Die Formulierung von Staatspräsident Xi Jinping „Mit deutscher Technologie und chinesischer Geschwindigkeit“ wird dort umgesetzt. Die gutgemeinte Strategie der Kanzlerin, rückt aber zunehmend in ein schlechtes Licht. Die Alarmglocken läuten laut. Nicht nur, dass China zunehmend Jagd auf deutsche Hightech Unternehmen macht, auch des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sorgte mit einer kürzlichen Studie für Ernüchterung. Denn Produktpiraterie, allen voran aus China, macht den deutschen Maschinenbauern schwer zu schaffen. Der jährliche Schaden belaufe sich auf rund 7,3 Mrd. Euro. Glaubt man den aktuellen Zahlen, entspricht dies einem Verlust von knapp 34.000 Arbeitsplätzen. "Das ist ein absoluter Rekordwert", kommentiert es der VDMA-Geschäftsführer für Produkt- und Know-how-Schutz Steffen Zimmermann.
Asiatischer Einfluss in Österreich
Wer den asiatischen Einfluss sucht, findet ihn nicht nur in Deutschland. Auch Österreich steht auf der Liste von Investoren und Copy-Künstlern, wobei Erstere noch eher rar sind. So hat der niederösterreichische Abkantpressenhersteller Amada zB einen japanischen Eigentümer. Ein Taiwanese ist seit einem Jahr bei Automobilzulieferer Anger Machining der Mehrheitseigentümer (76 % Beteiligung). Trotzdem stellt sich für Geschäftsführer Klaus Dirnberger die Frage eines Technologieausverkaufes nicht. Für ihn gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Tongtai Group als sehr positiv und fair. Auch managementmäßig habe sich trotz Mehrheitseigentum nicht viel verändert – im Gegenteil. „Wir haben mehr Entscheidungskompetenz als vorher“, so Dirnberger. Gerade bei finanziellen Entscheidungen brachten die Taiwanesen den Traunern mehr Flexibilität, weil sie nicht länger mit Banken verhandeln müssen. Dank des bestehenden asiatischen Vertriebsnetzes konnte Anger bereits mehrere Anfragen aus China bearbeiten. Kurzfristig profitieren die Trauner also nicht nur von den günstigeren Bauteilen und Komponenten, sondern auch von neuen Kunden. Nur große strategische Entscheidungen müssen man jetzt halt gemeinsam mit den Taiwanesen treffen, „das operative Geschäft bleibt aber völlig eigenständig in österreichischer Hand“, so Dirnberger.
Chinesische Maschinenbauplagiate auch in Österreich
Was die Maschinenbauplagiate aus dem Reich der Mitte anbelangt läuten auch in Österreich die Alarmglocken. Fast die Hälfte der befragten Maschinenbaubetriebe Österreichs sieht China als Bedrohung und hatte schon Erfahrungen mit Produktpiraten. Auch Andreas Fill gehört zu den Leidtragenden. Der Geschäftsführer des Innviertler Traditionsbetriebs quält sich aktuell mit einem groben Verstoß und das obwohl er kein Serienproduzent ist. „Als Nischenplayer, der sich mit kleinen Losgrößen beschäftigt, sind wir eigentlich nicht so interessant wie große Serienproduzenten“, so Fill. Dabei gehen die Produktpiraten äußerst dreist vor. So kam es bereits vor, dass kopierte Maschinen samt beinahe identen Verkaufsunterlagen und geklauter Werbeslogans am Nachbarstand auf einer Messe auftauchten.
Der einzige Schutz im Copy-Krieg
Kopiert wird auch Lasercutterproduzent Trotec. Doch im Gegensatz zu seinen Maschinenbaukollegen fürchtet sich Geschäftsführer Andreas Penz vor den Copy-Chinesen nicht. Im Gegenteil – er ist stolz darauf. „Wir werden sowieso in China kopiert, aber eben nie so perfekt wie das Original“, sagt er gegenüber Factory. Die Billigprodukte der Chinesen würden ihm Märkte für die Zukunft öffnen. Für ihn ist ganz klar: „Langfristig kommt kein international tätiges Maschinenbauunternehmen, um ein intensives Engagement in Asien herum.“ Schon 2005 eröffnet Penz eine chinesische Vertriebstochter. Der Standort ist seitdem in das weltweite Trotec-Vertriebsnetz eingegliedert und eng mit der Unternehmenszentrale in Wels verbunden. Geplant ist eine Serienproduktion bestimmter Produkte für den asiatischen Markt. Geht es um einen effektiven Plagiatsschutz helfen für Trumpf-Chef Armin Rau nur Patente, welche auch in China angemeldet werden müssen. „Im Zweifelsfall bleibt nur der Weg über Gerichtbarkeiten“, so Rau und den kenne man auch bei Trumpf leider nur zu gut. Trotzdem nimmt Andreas Fill dem Chinesen-Gewitter etwas Kraft, denn auch in Europa würden Konzepte und Lösungen 1:1 abgekupfert. „Die Vorgehensweise ist hier nur nicht ganz so offensichtlich“, so der Geschäftsführer.
Im Auge des Drachen
Interessant ist, dass beide Maschinenbaubetriebe auch andere China-Erfahrungen teilen. Seit Mai 2015 ist Fill in Shanghai mit einer eigenen Vertriebs-, Service- und Montageteam präsent. Mit der Auslandsniederlassung wollten die oberösterreichischen Maschinenbauer den chinesischen Markt noch konsequenter bearbeiten. Sie erhofften sich dort prächtige Margen. Schon damals waren an über 20 Standorten Fill-Maschinen und -Anlagen im Einsatz. Drei Mal war Andreas Fill seither persönlich vor Ort. Ob ihm der Marktechnische große Clue gelungen ist, beantwortet er nüchtern: „China ist aus unserer Sicht eher instabil, aber damit nicht anders als der Rest der Welt.“ Ein Land, das auf Dauer den Wirtschaftsboom gepachtet hat, gibt es für den Maschinenbauer nicht. Und das deckt sich mit den Zahlen des VDMA, der einen Ausfuhr-Rückgang um 6 Prozent im Jahr 2015 beklagte. Die Entscheidung nach China zu gehen, war aber für die Innviertler auf jeden Fall richtig. Die Marke Fill gewinnt an Bedeutung und man habe den Markt besser im Blick und damit auch Copy-Künstler.
Technologiekauf andersrum
Trumpf drehte den Spieß 2013 um. Der Biegemaschinenhersteller stemmte sich gegen den chinesischen Übernahmetrend und kauft prompt den chinesischen Mitbewerber, Werkzeugmaschinenhersteller Jiangsu Jinfangyuan. „Innvationspartnerschaften“ oder „Technologieausverkäufe“ gehen also auch umgekehrt. Für Armin Rau sind das die Regeln des internationalen Marktes, deshalb bezieht der Geschäftsführer auch Position Pro für das Freihandelsabkommen mit den USA. „TTIP ist auf jeden Fall von Vorteil. Der Aufwand durch die unterschiedlichen Normen zwischen Europa und den USA ist enorm“, so Rau. Derzeit verteuert die Umrüstung und notwendige Zertifizierung in den USA europäische Produkte um 5 bis 20 Prozent. Auch der Wegfall der Zollgebühren wäre für Trumpf eine Erleichterung. Diese belaufen sich laut einer Schätzung des VDMA für deutsche Maschinenbauer jährlich auf hunderte Millionen Euro.
Wie geschickt China mittlerweile europäische Hersteller im Plagiatskrieg austrickst, lesen Sie hier.
Zum großen Maschinenbau-Ranking 2016 geht es hier.