Deutlich weniger Unternehmen betroffen : "Verwässertes" EU-Lieferkettengesetzt sorgt für Kritik von allen Seiten

Europäisches Lieferkettengesetz, Faire Bedingungen von Anfang an!

EU-Lieferkettenrichtlinie: Kompromiss wird von allen Seiten kritisiert.

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Die Zahl der von der EU-Lieferkettengesetzgebung betroffenen europäischen Unternehmen hat sich gegenüber der ursprünglichen Zahl, auf die sich die EU-Mitgesetzgeber im Dezember geeinigt hatten, um fast 70 Prozent verringert. Mit den jüngsten Änderungen des Geltungsbereichs der EU-Lieferkettengesetzgebung (CSDDD) wird der Schwellenwert für den Jahresumsatz eines Unternehmens auf 450 Millionen Euro angehoben.

Die jüngste Kompromissänderung bedeutet, dass das EU-Gesetz mehr Unternehmen verschont als das deutsche Lieferkettengesetz. Dessen Geltungsbereich wird derzeit allein durch die Anzahl der Beschäftigten eines Unternehmens bestimmt. Ab 2024 wurde der Schwellenwert auf 1.000 Beschäftigte angehoben.

"Feigenblatt für den Mittelstand"

Kritik kommt auch vom VDMA, der die drohenden überbordenden Auflagen für den Mittelstand kritisiert. „Der Maschinen- und Anlagenbau hält es für enttäuschend und unverständlich, dass der Richtlinienentwurf für ein EU-Sorgfaltspflichtengesetz nicht von Grund auf neu und bürokratiearm gestaltet wird. Die bislang überhastet eingebrachten Vorschläge ändern nichts daran, dass der vorliegende Richtlinienentwurf handwerklich schlecht gemacht und nicht praktikabel ist", so VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. "Die nun angedachte Anhebung der Mitarbeiterschwellen, ab derer das Gesetz greifen soll, hilft in der Praxis nicht weiter – insbesondere dem Mittelstand nicht! Die Änderungen der Richtlinie sind nur ein Feigenblatt für den Mittelstand. Große Firmen werden den Druck weiterhin nach unten weitergeben, gerade aufgrund der Haftungsrisiken.“

„Verwunderung und Enttäuschung in der österreichischen Industrie sind groß“, sagt Sigi Menz, Obmann der Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer Österreich, nach der Einigung der EU-Staaten. Denn, so klärt der Branchensprecher auf: „Die unverantwortliche Einigung treibt die Deindustrialisierung Europas voran. Denn auch die bezüglich des Geltungsbereichs des Gesetzes jetzt festgesetzten Grenzen von 1.000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz als Kompromissergebnis sind in Wahrheit belanglos, denn das Lieferkettengesetz verlangt eine Überprüfung der gesamten Lieferkette, also sind die kleinen Unternehmen genauso erfasst.“

Kompromiss sorgt für Ärger

Christoph Ahlhaus, Präsident des europäischen Mittelstandsdachverbandes, kommentiert die Einigung zur EU-Lieferkettenrichtlinie: "Die jetzt drohende Richtlinie ist europäische Selbstzerfleischung, ein Frontalangriff auf unsere Wirtschaft und der Einstieg in die Entglobalisierung des deutschen Mittelstands. Das kommt dabei heraus, wenn Ideologen und Bürokraten sich weigern, den Sachverstand der betroffenen Unternehmen zur Kenntnis zu nehmen."

Kritik kommt auch aus der Zivilgesellschaft. Nach der am Freitag bekannt gewordenen Einigung zeigt sich die Dreikönigsaktion (DKA) der Katholischen Jungschar in einer ersten Reaktion enttäuscht und spricht von einem "verwässerten Lieferkettengesetz". Es sei "demokratiepolitisch äußert bedenklich, dass ein längst von EU-Parlament und Rat ausverhandeltes Gesetz zum Spielball von Wirtschaftsinteressen wird und erst nach einem Monat Säbelrasseln in stark verwässerter Version die notwendige Mehrheit findet", so Generalsekretär Lukas Wank.