Forschungsprojekt : Intralogistik vollautomatisch:
Daran forscht Kion

Imoco

Vollautomatisch fahren heißt ausnahmslos selbständig Navigieren in einem komplexen Umfeld.

- © Still

Intelligente Transportfahrzeuge sollen befähigt werden, sich in einer Produktionshalle oder einem Lagerhaus vollständig autonom zu bewegen. Imoco steht für Intelligent Motion Control und fokussiert den sicheren Einsatz mobiler Robotik-Systeme in dynamischen Intralogistik-Umgebungen. Geleitet wird das Projekt-Konsortium vom deutschen Flurförderfahrzeug-Hersteller Still und dabei mit von der Partie sind das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik sowie die Unternehmen Hahn Schickard, IMST, Nuromedia und DigitalTwin Technology. Teilautonome Fahrzeuge werden bereits heute in vielen Lagerhäusern und Produktionsumgebungen nutzbringend eingesetzt doch stoßen sie immer noch an gewisse Grenzen. So ist es zwar schon jetzt technischer Standard, dass ein Fahrzeug ein Hindernis eigenständig erkennen kann und entsprechend bremst. Vollständig autonomes Fahren verlangt jedoch noch weit mehr: Die gesamte Navigation im Lager muss ausnahmslos selbstständig geschehen, das Fahrzeug sollte Hindernisse umfahren, intelligent und effizient seinen Weg suchen und dabei seine Umgebung analysieren, sprich verstehen können.

Automatisiertes Navigieren ist technisch höchst schwierig

Imoco konzentriert sich auf vier Fragestellungen, die durch Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt werden können. Das sind das intelligente Navigieren, das Aufnehmen der Ware, der Transport, und die Platzierung am Ziel. Diese Fragen stellen hohe Anforderungen an das Fahrzeug in puncto Flexibilität, Umgebungswahrnehmung, Lösungsstrategien und sicherer Konnektivität. „Das Projekt Imoco hat vielversprechende Aussichten: Die angestrebten Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz, Robotik, Sensorik und der Machine Perception sind Technologiefelder, an denen wir intensiv forschen und arbeiten", erklärt Henry Puhl, Chief Technology Officer der Kion Gruppe mit Sitz in Frankfurt.

Imoco verwendet als Basis für die Forschungsarbeit das Fahrzeug OPX iGo neo von Still, das als Demonstrator dient. „In erster Linie arbeiten wir mit Laserscannern, RGB-D Kameras und Lidar, um uns ein extrem genaues Bild von der Umgebung und von der Ware zu machen”, erklärt Ansgar Bergmann, Projektverantwortlicher bei Still gegenüber Factory. Während Laserscanner die hochgenaue Lokalisierung ermöglichen, führen die bildgebenden Systeme zu einer zuverlässigen Erkennung der Objekte und etwaiger Umgebungsparameter wie beispielsweise Personen.

Kommissionierung für Rund-um-die-Uhr-Einsatz

Eine leistungsfähige Hardware auf GPU-Basis ermöglicht die genaue Auswertung anhand trainierter AI-Modelle und gibt die Informationen an das integrierte Robotik System weiter. Für das initiale Lernen wird zur Steigerung der Performance auf leistungsfähige Edge Cloud Komponenten zurückgegriffen, die über eine performante 5G-Funkstrecke mit dem Fahrzeug verbunden sind. Mit Partnern werden die gesamten Kernfunktionen durch ein übergeordnetes Flottenmanagementsystem begleitet und als digitale Zwillinge in Simulationen noch weiter verfeinert. Soweit die technische Marschrichtung bei der Imoco-Lösung. Unterm Strich soll ein vollautomatisches Fahrzeug herauskommen für Anwender, die ihre Kommissionierleistung nachhaltig erhöhen wollen, jedoch gewisse Voraussetzungen wie beispielsweise Pick-by-Voice Systeme, Handheld oder Papier-Systeme erfüllt wissen wollen.

Kosten und Nutzen

Was den betriebswirtschaftlichen Nutzen eines technisch hochwertigen Flurförderfahrzeuges betrifft, müsse man berücksichtigen, so Bergmann, dass die jährlichen (vollen) Betreiberkosten von Land zu Land variieren. Typischerweise sind manuell gesteuerte Fahrzeuge schneller als automatisierte. Andererseits können automatisierte Fahrzeuge rund um die Uhr arbeiten, ohne dass Pausen eingelegt werden müssen. Als Faustregel gilt, dass die Hardware für automatisierte Fahrzeuge etwa zwei- bis viermal so teuer ist wie bei Standardfahrzeugen. Bei kleinen Fahrzeugen ist der Einfluss der Automatisierungskomponenten oft relativ höher als bei größeren. Projekt- und Implementierungskosten müssen für jedes System hinzugerechnet werden, der relative Anteil dieser Kosten sinkt jedoch mit zunehmender Größe der Flotte. Am Ende liegt der Return on Investment bei 1,5 bis vier Jahren. Dazu kommen noch nicht-finanzielle Vorteile wie beispielsweise eine geringere Unfallgefahr.

„Automatisierung ist geradezu alternativlos für alle Unternehmen, die in immer kürzeren Produktions- und Lieferzeiten maximale Prozesssicherheit gewährleisten wollen.“
Ansgar Bergmann, Imoco-Projektverantwortlicher bei Still

Vollautomatisierung ohne Personaleinsparung

Geht es um Automatisierung, liegt der Gedanke „Automatisierung vernichtet Arbeitsplätze“ oft nahe. Das will Bergmann nicht gelten lassen und argumentiert dagegen: Automatisierung führe zur systematischen Optimierung unternehmensinterner Abläufe und habe Auswirkungen auf die Personalplanung. Dabei geht die Einführung eines automatisierten Ablaufes keineswegs mit dem Abbau von Jobs einher, sondern unterstützt die Mitarbeiter, indem es ihnen manuelle Vorgänge abnimmt, und wirkt dem Personalmangel an anderer Stelle entgegen. Positive Auswirkungen von vollautomatischen Kommissionierfahrzeugen sind für Bergmann die Steigerung der Produktivität aller Mitarbeiter, ein Plus an Ergonomie und die Kompensation des zunehmenden Fachkräftemangels. Nicht die Einsparung von Personal steht bei der Automatisierung also im Vordergrund, sondern die effizientere, wertschöpfende Nutzung des Humankapitals. Abgesehen davon sieht Bergmann die Vollautomatisierung als sehr klare Tendenz für die Zukunft. „Branchen- oder projektspezifisch gibt es zwar einige Rahmenbedingungen, die derzeit noch eine wirtschaftliche Automatisierung erschweren. Es ist aber nicht übertrieben zu sagen, dass Automatisierung geradezu alternativlos ist für all diejenigen Unternehmen, die in immer kürzeren Produktions- und Lieferzeiten maximale Prozesssicherheit gewährleisten und dem Fachkräftemangel wirksam begegnen wollen“.

Schneller vollautomatisch als der Straßenverkehr

Es wird immer unumgänglicher, dass sich der Mensch und ein autonomes System den gleichen Arbeitsplatz teilen. Dies hat dazu geführt, dass autonome Systeme kommunizieren und erkennen können, ob sich Objekte und Menschen um sie herum befinden. Technologien wie 5G und Künstliche Intelligenz (KI) sowie modernste Sensorik machen dies möglich. Bergmann: „Wir gehen davon aus, dass in der Intralogistik die Autonomie schneller erreicht sein wird als im Straßenverkehr, da wir hier viel mehr Einfluss sowohl auf die mobile als auch statische Infrastruktur haben.

Still-Fahrzeug
Das Still-Fahrzeug OPX iGo neo ist der Demonstrator beim Imoco-Projekt. - © Still