Gastkommentar : "Wir leben in einer Zeit der Krisen und Konflikte"
Wenn ich die letzten Jahre Revue passieren lasse, so waren sie von mehreren Ereignissen geprägt, die zu großen Schwierigkeiten in den globalen Lieferketten geführt haben: Was mit der Corona-Pandemie begann, setzte sich fast nahtlos mit den Konflikten in Osteuropa fort und spitzt sich nun mit den Unruhen im Roten Meer weiter zu. Die Reedereien müssen aus Sicherheitsgründen ihre Routen ändern, was sowohl die Energiekosten als auch die Kosten für Transportcontainer deutlich in die Höhe getrieben hat.
Das alles hat natürlich Auswirkungen auf die Preise und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen - vor allem für die Akteure, die in globalen Netzwerken agieren. Die wichtigste Erkenntnis: Wir leben in einer Zeit der Krisen und Konflikte. Ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Entsprechend müssen Unternehmen ihr Ersatzteilmanagement an die aktuellen Rahmenbedingungen anpassen. Das Gebot der Stunde aus meiner Sicht: Resiliente Lieferketten und Global Supply Chain Management.
Fachkräftemangel als Innovationsmotor
Eine weitere (wenn auch nicht neue) Herausforderung ist der allgegenwärtige Fachkräftemangel. Für eine Vielzahl an wichtigen Jobrollen in der Aftermarket-Branche stehen zu wenig qualifizierte Nachwuchs-Experten zur Verfügung. Wir sehen, dass vor allem für Planungsteams das Thema zunehmend an Brisanz gewinnt: Einen großen Teil des unverzichtbaren Fachwissens liefern langjährige Mitarbeiter – doch sie nähern sich dem Ruhestand. Für Unternehmen besteht also dringender Handlungsbedarf, um die personellen Lücken zu schließen, die zum Teil bereits jetzt bestehen oder sich in naher Zukunft ergeben werden.
In vielen Fällen wird es nicht möglich sein, ausgeschiedenes Personal 1:1 zu ersetzen. Stattdessen setzen immer mehr Unternehmen auf softwaregestützte Automatisierungsmaßnahmen in der Planung und Bestandsoptimierung. Die dadurch erhöhte Effizienz macht Unternehmen weniger abhängig von rar gesäten Fachkräften und gibt zukünftigen Teammitgliedern die Möglichkeit, sich proaktiv in das Unternehmen einzubringen, statt ihre Zeit mit automatisierbaren Standardaufgaben zu verschwenden. Technologien wie Predictive Analytics und das Internet of Things (IoT) revolutionieren das Ersatzteillogistik-Management, indem sie präzisere Prognosen über den Ersatzteilbedarf und die Lagerbestände ermöglichen. Entsprechend werden sich auch die Skillsets verschieben, die bei Unternehmen gefragt sind, hin zu mehr Datengestützter Entscheidungsfindung und Lean Management-Praktiken.
Inventarkosten und Kundenerfahrung im Fokus
Egal, ob Inflation oder hohen Zinsen für Kredite: Die Lagerhaltung wird für Unternehmen immer mehr zur problematischen Kostenfalle. Um diese Herausforderung in den Griff zu bekommen, sind software-gestützte Optimierungskonzepte für die Lagerhaltung unerlässlich. Das senkt nicht nur Kosten, sondern stärkt auch die Lieferketten, was mehr Zuverlässigkeit gegenüber den Kunden ermöglicht. Warum das wichtig ist? Auch auf dem Ersatzteil-Markt setzen sich kundenorientierte Kennzahlen wie Serviceniveau, Zufriedenheit und Wiederkäufe immer mehr als geschäftskritische Erfolgsindikatoren durch. Hier spielen Service-Level-Agreements (SLAs) und Customer Relationship Management (CRM) eine Schlüsselrolle, um Kundenbindung und -zufriedenheit zu gewährleisten.
In Gesprächen mit unseren Kunden wird wiederholt bestätigt: Im Zeitalter der Serviceökonomie und des zunehmenden Wettbewerbs können datengesteuerte Einsichten aus CRM-Systemen in Kombination mit adaptiven SLAs dazu beitragen, individuelle Kundenerwartungen zu übertreffen und langfristige Geschäftsbeziehungen zu festigen.
Wie sieht die Zukunft der Ersatzteilversorgung aus?
Ersatzteile sind über den gesamten Erdball verteilt. Das ist und war lange Zeit gängige Praxis, um Reaktionszeiten so kurz wie möglich zu halten. Doch Störungen in den Lieferketten haben gezeigt, wie risikobehaftet die globale Distribution sein kann. Welche Ersatzteile sollen wo auf Lager gelegt werden? Die aktuelle Situation rollt diese grundlegende Frage ganz neu auf – und inspiriert zu neuen Lösungsansätzen.
Diskutieren Sie mit ExpertInnen, wie Bestände zeitgemäß geplant werden. Erfahren Sie von Fachkollegen, welche Strategien und digitalen Tools sie anwenden, um die Teilevielfalt zu beherrschen. Und lassen Sie sich zu Themen wie Remanufacturing, 3D-Druck und Ersatzteil-Pricing inspirieren!
Den Rahmen dazu bietet die alljährliche Ersatzteiltagung, die das Magazin FACTORY gemeinsam mit Fraunhofer Austria organisiert.