Technische Skills : Wie eine Ausbildungsmappe junge Maschinenbauer in die digitale Zukunft führt
„Meine eigene Ausbildung bei Blum mir ein gutes Beispiel, aber ich wollte es noch besser machen, um die heutigen Lehrlinge für die Anforderungen der Zukunft zu wappnen. Daher habe ich vor zwei Jahren bei meiner jetzigen Firma Hydro Nenzing die Ausbildungstätigkeit übernommen. Dafür habe ich zunächst eine Strategie aufgeschrieben und Hauptthemen festgelegt, die sich an den Unternehmenswerten der Hydro orientieren sollen. Sie lauten Care, Courage und Collaboration, also: Mut, Zusammenarbeit und verantwortungsvolles Handeln. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass die Verantwortung der Ausbildung über den Betrieb hinaus geht.
Ich hatte das Glück, dass ich mit meinen Ideen bei unserem Geschäftsführer offene Türen eingerannt bin. Er hat gesagt: „Entweder wir machen es richtig, oder wir lassen es sein“, das war sehr entscheidend. Ich bekam ein Budget, um die Lehrwerkstätte zu renovieren und außerdem den Freiraum, um meine Strategie für 2025 zu verwirklichen.
Interaktive Ausbildungsmappe
Unser Hauptprojekt ist die digitale Ausbildungsmappe. Wir sind haben das Papier komplett abgeschafft. Seitdem entwickeln die Lehrlinge ihre digitale Mappe stetig weiter. Wenn sie vor einer Frage stehen, zum Beispiel: „Wie richte ich den Maschinenschraubstock an der Fräsmaschine ein“, öffnen sie als erstes mit ihrem Tablet ihre digitale Ausbildungsmappe. Wenn sie darin noch keine Lösung auf ihr Problem finden, holen sie sich Hilfe – und halten jeden Schritt in einem Dokument fest. Ich oder ein anderer Ausbildner kontrollieren in Form eines gemeinsamen Gesprächs mit dem Lehrling das Dokument auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit. Nach der Überprüfung wird das Dokument gesichert, sodass jedeR in der Datenbank darauf zugreifen kann. Dadurch erstellen sich die Lehrlinge ihre Ausbildungsunterlagen quasi selbst. In einer Sprache, die Jugendliche verstehen. So werden die Unterlagen immer aktuell gehalten und die Lehrlinge, die wir bei der Hydro „#nextgeneration“ nennen, fühlen sich eingebunden und wertgeschätzt. Damit stärken wir das Verantwortungsbewusstsein gegenüber den KollegInnen, gegenüber dem Unternehmen und auch gegenüber der Gesellschaft.
Cloudbasierte Software
Wir haben mit WBI Wissensmanagement einen regionalen Anbieter gefunden, der uns seine Software für Ausbildungszwecke zur Verfügung gestellt hat. Das ist keine klassische Ausbildungssoftware, sondern sie ist für ganze Unternehmen gedacht. Sie beinhaltet viele Funktionen zur Wissenserfassung, -sicherung und -verteilung und ist cloudbasiert. Dadurch können Lehrlinge immer und von überall mit ihren mobilen Geräten darauf zugreifen. Seit Juni 2021 haben wir sie im regulären Gebrauch.
Natürlich spielen Digitalisierungsthemen auch in der Ausbildung eine immer wichtigere Rolle. Dadurch, dass unsere Ausbildungsmappe digital ist, werden die Lehrlinge an digitale Tools herangeführt. Die Arbeit am Tablet wird für MaschinenbauerInnen in Zukunft immer wichtiger – etwa bei der Wartung und Instandhaltung. Ich bin der Meinung, dass Digitalisierung von unten herauf passieren muss. Von Virtual Reality Brillen und künstlicher Intelligenz sind wir noch weit entfernt. Aber wir beschäftigen uns von Grund auf mit der Digitalisierung und schaffen damit eine gute Basis für zukünftige Entwicklungen.
Nachahmer gefunden
Im Hintergrund der digitalen Ausbildungsmappe verbirgt sich ein 3 Stufenplan. Die erste Stufe ist die Anwendung bei uns im Betrieb. Als zweite Stufe gibt es noch das landesweite Projekt „DAVID – Digitale Ausbildung Vorarlberg Interaktive Datenbank“. Das ist dieselbe Datenbank, die unsere Lehrlinge nutzen, nur dass sie von Ausbildern für Ausbilder gedacht ist. Damit wollen wir die Ausbildungsunterlagen in Vorarlberg vereinheitlichen. Mittlerweile gibt es über vierzig Unternehmen in Vorarlberg, die diese Plattform nutzen – dies ist eine schöne Entwicklung im noch jungen Projekt. Die dritte Stufe ist, Ausbilder in anderen Bundesländern zu inspirieren und die Gemeinsamkeiten länderübergreifend zu fördern. Etwa bei Fachbegriffen, die sich regional unterscheiden können.
Die Jugendlichen von heute können mit dem Handy, aber nicht unbedingt mit dem Computer umgehen. Das müssen wir ihnen beibringen. Und sie müssen lernen, prozessorientiert zu denken, zu dokumentieren und sich eigenständig Wissen aufzubauen. Ich bin davon überzeugt, dass es nur den Willen und den Mut braucht, um etwas zu verändern. Wir sind mit unserer Maßnahme erfolgreich: die Anzahl der BewerberInnen hat sich in kurzer Zeit – verzehnfacht!