Im Gespräch: Veronika Putz : Verstehen, was im Prozess passiert

Veronika Putz leitet die Area Sensors and Communication am LCM (Linz Center of Mechatronics) zusammen mit einem Experten für industrielle Elektronik. Die promovierte Messtechnikerin mit langjähriger Erfahrung in Sensorik, datenbasierter Prozessüberwachung und in industriellen KI-Anwendungen beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Entwicklung intelligenter Sensorsysteme und deren Umsetzung in der Praxis. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht die Überführung wissenschaftlicher Erkenntnisse in technologisch nutzbare Lösungen.
- © LCMMit welchen Projekten haben Sie es in Ihrer Abteilung zu tun?
Veronika Putz: Grundsätzlich arbeiten wir im gesamten Bereich der Mechatronik an Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Im Bereich Sensors and Communication geht es vor allem darum, Anfragen und Use Cases zu bearbeiten, bei denen etwas gemessen, sicher übertragen oder aus den Messdaten berechnet werden muss. Da gibt es natürlich viele Komponenten von der Stange, aber oft reichen die nicht aus – etwa bei rauen Einsatzbedingungen, hohen Temperaturen, oder wenn Sensoren drahtlos und energieautark sein müssen. Dann kommen wir ins Spiel.
Also dann, wenn die Standardlösungen nicht mehr ausreichen?
Putz: Genau. Unsere Stärke liegt darin, das Gesamtsystem zu betrachten. Wir erfassen Daten, verarbeiten sie vor, übertragen sie, analysieren die Daten, gewinnen die relevanten Informationen und bringen sie wieder ins System ein – damit die Anlage adaptiv reagieren kann oder die gewonnen Informationen in nachgelagerten Prozessen unserer Kunden weiterverwendet werden können. Wir arbeiten entweder in Form von Direktbeauftragungen oder im Rahmen von geförderten Projekten mit staatlicher oder internationaler Unterstützung. Wir verkaufen keine Produkte, sondern unsere Dienstleistungen – in verschiedenen technologischen Reifegraden, von Machbarkeitsstudien bis hin zu Kleinserien.
Linzer Innovationsschmiede
LCM (Linz Center of Mechatronics) ist ein führendes österreichisches Forschungsunternehmen mit Fokus auf Mechatronik. Es verbindet Mechanik, Elektronik, Informatik und Regelungstechnik zu integrierten Gesamtlösungen für Industrie und Wirtschaft. Als COMET-Zentrum arbeitet das LCM eng mit Unternehmen und wissenschaftlichen Partnern zusammen, um Innovationen von der Idee bis zum Prototypen zu entwickeln.
LCM bedient mit seinen Schwerpunkten Antriebstechnik, Sensorik und Elektronik, IIOT sowie Mechanik ca. 450 Kunden. Methoden der Digitalen Produktentwicklung oder KI werden in Anwendungen wie Predictive Maintenance und Condition Monitoring eingesetzt.

Sie beschäftigen sich mit dem Einsatz von KI bei Condition Monitoring. Welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich dadurch?
Putz: Früher hat man einfache Schwellwerte definiert – ist dieser überschritten, gibt’s einen Alarm. Das funktioniert nur in einfachen Fällen. Viele Probleme kann man damit aber nicht lösen. Mit Machine Learning kann man sehr komplexe Muster erkennen, ohne sie vorher genau beschreiben zu müssen. So wie man beim Geräusch des eigenen Autos hört, wenn etwas nicht stimmt, oft ohne genau sagen zu können, was es ist – diese Fähigkeit kann man mit KI nachbilden. Man kann den Normalzustand anlernen und Abweichungen erkennen, auch wenn man sie nicht genau benennen kann.
Welche Rolle spielt dabei die Datenqualität?
Putz: Eine sehr große. Ich muss wissen, was in den Daten passiert ist, welcher Zustand der Anlage damit gerade erfasst wird. Im Idealfall kann man jeden Zustand mitlernen – welches Produkt wurde gerade hergestellt, unter welchen Temperatur- und Druckbedingungen? Wir erfassen möglichst viele dieser Zustände und dokumentieren sie. Nur dann lässt sich der Normalzustand in jeder Situation gut definieren. Fehler sind selten – das macht es schwieriger, sie zu erkennen. Oft fehlen sie in den Trainingsdaten. Daher ist es wichtig, auch Abweichungen vom Normalzustand erkennen zu können, ohne alle Fehler explizit gesehen zu haben – auch dafür gibt es geeignete Methoden.
KI hilft, verborgene Muster zu erkennen – nicht zwingend schneller, aber umfassender und robuster.
Und wie sieht es mit der Sensorik aus – sind die Unternehmen da gut aufgestellt?
Putz: In vielen Anlagen gibt es bereits Sensorik – zum Beispiel vorhandene Drucksensoren direkt in den Leitungen, Motorströme oder Ähnliches. Aber diese Daten werden oft nicht dauerhaft aufgezeichnet. Dabei wäre das schon ein riesiger Fortschritt, und die Aufzeichnung ist in vielen Fällen einfach nachzurüsten. Es gibt auch Sensoren, die sich sehr gut für ein Retrofit eignen – etwa Vibrations- oder Temperaturmessungen an der Außenhülle oder Körperschallmessung. Man kann sie oft ohne Eingriff in die Anlage einsetzen. Wir setzen solche Sensoren gerne ein, weil wir damit testweise schnell Daten sammeln können – ohne die Produktion zu stören.
Und was verändert sich dadurch konkret für die Instandhalter im Betrieb?
Putz: KI hilft, verborgene Muster zu erkennen – nicht zwingend schneller, aber umfassender und robuster. Sie kann etwa Geräusche analysieren und Fehler erkennen, die sonst nur erfahrene Mitarbeiter bemerken würden. Wenn die Daten ausreichend sind, können wir Trends erkennen: Wir sehen, wie sich der Zustand einer Anlage verschlechtert und wann ein Ausfall wahrscheinlich ist. Dadurch wird Wartung bedarfsgerecht planbar – das ist genau das Ziel von Predictive Maintenance. Die KI ist in dem Fall Mittel zum Zweck.
Instandhaltungstage 2025: Ein Muss für Fach- und Führungskräfte
Veronika Putz wird zum Thema KI-gestütztes Condition Monitoring im Rahmen der Instandhaltungstage 2025 einen Vortrag halten. Die Veranstaltung bietet an drei Tagen ein abwechslungsreiches Programm, das intensive Fachtrainings, spannende Vorträge, Workshops und Diskussionen umfasst. Zudem präsentieren ausgewählte Aussteller Produkt- und Dienstleistungsinnovationen, die zur Effizienzsteigerung in der Instandhaltung beitragen.
Vom 3. bis 5. Juni verwandelt sich das Wyndham Grand Salzburg Conference Centre in den Hotspot für Innovationen und strategischen Austausch rund um Instandhaltung und Asset Management.
Alle weiteren Informationen und Anmeldung: Instandhaltungstage 2025
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Mit welchen Anliegen kommen die Unternehmen zu Ihnen?
Putz: Wir arbeiten mit Unternehmen aus verschiedensten Branchen. Oft geht es um bestehende Anlagen, 20 oder 30 Jahre alt, die keine geeignete Sensorik für Condition Monitoring haben. Der erste große Schritt ist dann, schnell und unkompliziert aussagekräftige Daten zu sammeln – möglichst ohne Produktionsunterbrechung. Wenn man die Daten einmal hat, ist man weit gekommen. Man kann dann verschiedene Algorithmen testen, vergleichen und weiterentwickeln. Die Datenbasis ist der Schlüssel.
Das klingt, als würden Sie auch mit KMUs arbeiten?
Putz: Ja, sehr häufig sogar. Auch in der Großindustrie gibt es alte Anlagen – aber bei kleinen und mittleren Unternehmen ist das Thema besonders herausfordernd. Bei neuen Anlagen – also Greenfield-Projekten – kann man die Sensorik mitplanen, das ist einfacher. Mittelständische Betriebe müssen mit dem arbeiten, was sie haben. Retrofit ist da essenziell. Förderungen spielen hier eine wichtige Rolle, um solche Projekte überhaupt zu ermöglichen oder den Einstieg zu erleichtern.
Für die Unternehmen ist es wichtig wettbewerbsfähig zu bleiben, da kann man sich neuerster Technologien nicht verschließen.
Neben der Investition gibt es auch eine gewisse Skepsis gegenüber KI. Wie gehen Sie damit um?
Putz: Unsere Projekte starten oft mit einer Machbarkeitsstudie. Wir versuchen, den Prozess zu verstehen – es ist kein rein mathematisches Problem. Der physikalische Hintergrund ist entscheidend, und natürlich der betriebliche Alltag. Wir sprechen mit den Betreibern und vor allem mit den Mitarbeitenden, die die Anlage täglich bedienen. Dieses Wissen ist enorm wertvoll und muss in die Entwicklung integriert werden. Es geht darum, dass die Belegschaft unterstützt wird – etwa durch die Automatisierung monotoner Aufgaben. Bei der optischen Qualitätskontrolle etwa ist die Kamera dem Menschen heute schon oft überlegen – in Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit. Ähnlich ist es bei anderen Anwendungen – man kann mit dieser Unterstützung schneller, besser und wettbewerbsfähiger werden.
Das heißt, Sie sehen KI als Chance, nicht als Ersatz?
Putz: Genau. Es geht darum, echte Vorteile aufzuzeigen – für die Prozesse, für das Unternehmen und für die Mitarbeitenden. Und das funktioniert nur, wenn man den Prozess wirklich versteht und gezielt weiterentwickelt. Für die Unternehmen ist es wichtig wettbewerbsfähig zu bleiben, da kann man sich neuerster Technologien nicht verschließen, das sichert das Unternehmen und die Arbeitsplätze der Mitarbeiter ab.