Kolumne von Sebastian Schlund : Über den Wert digitaler Transparenz in der Produktion

Ab 2026 werden die ersten digitalen Produktpässe für bestimmte Elektrobatterien verpflichtend eingeführt. Insbesondere Informationen, die eine vergleichende Nachhaltigkeitsbewertung ermöglichen, müssen dann von den Herstellern bereitgestellt werden. Auch das Recycling von Batterien und ein möglicher Stoffkreislauf werden dadurch dramatisch erleichtert. In den Folgejahren plant die EU die Erweiterung auf zahlreiche weitere Produkt- und Materialgruppen.

Lesetipp: Deindustrialisierung oder die Renaissance manueller Arbeit?

Noch immer lassen sich zwei grundlegende Zugänge zum Thema unterscheiden. Die klassische Wertstromanalyse beruht auf einer Papier & Bleistift-Darstellung auf maximal A3-Papier, die einfach zu erstellen und zu verstehen ist und nicht vom Kern der Produktionsprozesse ablenkt. Für die meisten grundsätzlichen Einschätzungen und Verbesserungen reicht dafür eine Schätzung der Parameter wie Durchlaufzeit, Puffergrößen oder Fehlerraten. Demgegenüber stehen die nahezu unbegrenzten Möglichkeiten digitaler Informationsaufnahme und -bereitstellung. Insbesondere die dynamische Prozessüberwachung nicht-kontinuierlicher Prozesse wird eine Voraussetzung sein, überhaupt belastbare Daten für einen digitalen Produktpass zu erzeugen. Zudem sind die Sensoren zur feingliederigen Datenaufnahme in den letzten Jahren sehr günstig geworden und auch für Fachexperten in der Produktion problemlos einsetzbar.

BILD zu OTS - Sebastian Schlund ?bernimmt Leitung des Centers f?r Nachhaltige Produktion und Logistik bei Fraunhofer Austria
Professor Sebastian Schlund leitet den Forschungsbereich Industrial Engineering am Institut für Managementwissenschaften (IMW) der TU Wien und ist Geschäftsführer der Fraunhofer Austria Research GmbH mit ihren beiden Centern Nachhaltige Produktion und Logistik und Data-Driven Design. - © Fraunhofer Austria

Hilfsmittel zur schnellen und kontinuierlichen Datenauswertung

Spätestens mit dem digitalen Produktpass werden Wertstrommanagement, Informationstechnik und Nachhaltigkeitsdokumentation auch in der Produktion zusammenwachsen. Was Fortschritte bei der Digitalisierung und Innovationsthemen wie „Industrie 4.0“ nur teilweise geschafft haben, erreicht jetzt die Regulierung der Europäischen Union.

Um überhaupt auskunftsfähig zu werden und die Aufwände für die Erfassung und Aktualisierung bewältigen zu können, erleben Lösungen zum digitalen Wertstrommanagement eine Renaissance. Im Fraunhofer-Projekt NEW wird beispielsweise ein Sensor-Toolkit zur interaktionslosen Eventgenerierung für den digitalen Produktpass entwickelt. Naben der Informationssammlung für den Produktpass identifizieren KI-Algorithmen Engpässe im Wertstrom, detektieren Anomalien und liefern belastbare Nachhaltigkeitskennzahlen.

Wo bleibt die Produktivität?

Natürlich erhöhen die Aufwände für die Datenerfassung und -auswertung nicht per se die klassische Produktivität. Dadurch, dass aber die gesetzlichen Regelungen für alle gelten, kann durch eine smarte Umsetzung ein Wettbewerbsvorteil erzeugt werden. Insofern lässt sich zukünftig sogar ein Wert für die neue Transparenz beziffern.