Interview mit Alexander Blum und Wolfgang Reiser : "Automatisierte Prozesse sind stabile Prozesse“
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Herr Blum, welche Veränderungen sehen Sie in der weltweiten Produktionslandschaft?
Alexander Blum: Wir beobachten seit einigen Jahren eine klare Entwicklung hin zu fünf großen Blöcken, die sich jeweils um Nordamerika, Europa, Russland, Indien und China bilden. Jeder dieser Blöcke sieht die Notwendigkeit, bestimmte Schlüsselindustrien in der eigenen Hand zu haben, dazu gehören Aerospace und Defense, Energie, Halbleiter und Medizin. Innerhalb der Blöcke gibt es hochproduktive Produktionscluster, aber ebenso Bereiche, in denen einfachere Prozesse automatisiert laufen. Diese Verlagerung von Produktionsprozessen in die Randgebiete ist ein Treiber für Automatisierung, was für uns positiv ist, denn das Messen im Prozess ist eine Voraussetzung für viele Automatisierungen.
Wie stellt sich BLUM für diese geänderte Welt auf?
Blum: Wir installieren in den USA, Indien und China Blum-Novotest Competence Center (BNCC). Für Europa ist natürlich unser Stammsitz in Grünkraut das Competence Center. Diese BNCC sind mit erweiterten Funktionen und Kompetenzen ausgestattet, wie beispielsweise lokalen Reparaturmöglichkeiten oder Mitarbeitern, die Softwareanpassungen für kundenspezifische Prozesse oder Entwicklungen für lokale Steuerungen durchführen. Auch ein Produktmanagement wird lokal aufgebaut, um die Anforderungen der Regionen zu uns nach Grünkraut zu spiegeln. So können wir lokale Märkte und deren Anforderungen besser verstehen und mit passenden Produkten und Lösungen beliefern. Das gibt den Kunden vor Ort die Sicherheit, noch schneller und mit umfassender Kompetenz Unterstützung zu bekommen. Der Funktionsumfang und die Größe dieser BNCC wird weiter ansteigen. Das verändert auch unser Selbstverständnis – von „Made in Germany“ zu „Made by Blum-Novotest“, wie wir es schon seit Jahren leben. Wir sind heute ein international aufgestelltes Unternehmen mit Mitarbeitenden auf Augenhöhe in mehr als 20 Ländern. Gerade für die Emerging Markets sind die Competence Center von strategischer Bedeutung. Zum einen kommt so mehr Kompetenz direkt in die lokalen Märkte, zum anderen haben die lokalen Märkte die Möglichkeit, über die Produktmanager mehr Einfluss auf zukünftige Entwicklungen zu nehmen. Dabei geht es beispielsweise um Steuerungen, die lokal große Verbreitung haben, oder Anpassungen und Lokalisierungen in der Benutzeroberfläche.
Die Anforderungen der High-End-Kunden steigen immer weiter.
Wie spiegeln sich diese Entwicklungen in den BLUM-Produkten?
Blum: Wir entwickeln ständig weiter, zum High-end gesellt sich zunehmend auch ein Entry Level-Angebot. Das ist aber nicht schlechter, sondern an manchen Stellen nur einfacher gestaltet, indem beispielsweise nur der wichtigste Funktionsumfang zur Verfügung steht. So werden wir demnächst neue Produkte vorstellen, wie unseren Z-Nano LT+. Dabei handelt es sich um einen Werkzeugtaster zur Werkzeuglängenmessung und -bruchkontrolle, der vor allem Kunden ansprechen wird, die in die berührende Werkzeugvermessung einsteigen wollen. Hinzu kommen bestehende Produkte, die gut in diese einfacheren Prozessszenarien passen, wie beispielsweise unsere ZX-Speed-Serie. Dank eines multidirektionalen Messwerks kann dieser Taster auch Radiusmessungen mit rotierendem Werkzeug durchführen, indem das Werkzeug entgegen der Schneidrichtung drehend am Messteller antastet. Aber auch Branchenlösungen, wie Lasermesssysteme für Drill-Tap-Anwendungen und einfache Maschinenkonzepte, eröffnen den Anwendern im Entry-Level-Bereich die Vorteile der berührungslosen Werkzeugmesstechnik.
Gleichzeitig werden die Kunden aber auch anspruchsvoller …
Wolfgang Reiser: Die Anforderungen der High-End-Kunden steigen immer weiter. Waren bis vor kurzem noch 5µ Genauigkeit ausreichend, sprechen wir jetzt über 1µ und darunter. Es sollen nicht mehr nur Werkzeuglängen- und Durchmesser gemessen werden, sondern beispielsweise ganze Schneidenkonturen von Kreissegmentfräsern. Das Ergebnis soll dann visualisiert werden. Mit LC-VISION können nicht nur ganze Messverläufe visualisiert und ausgewertet, sondern auch eine Vielzahl an Messaufgaben ohne NC-Programmierkenntnisse am Steuerungsbildschirm generiert werden. Verschleiß lässt sich genau messen und Werkzeuge bis zur Verschleißgrenze nutzen. Dabei kann der Nutzer auch den Verlauf des Verschleißes analysieren und beispielsweise Werkzeuge verschiedener Hersteller vergleichen. Und nicht zuletzt produzieren wir durch unsere DIGILOG-Technologie qualitativ hochwertige Daten, die sich ideal für die Weiterverarbeitung mittels künstlicher Intelligenz eignen. In vernetzten Umgebungen können die Messwerte dank LC-VISION auch mit dem Werkzeug mitwandern. Werkzeuge lassen sich zwischen Maschinen tauschen und die neue Maschine kennt die letzten Mess- und Verschleißwerte des Werkzeugs direkt. In der Überwachung des Werkzeugverschleißes steckt – gemeinsam mit der konsequenten Nutzung bis zum Verschleißende – enormes Einsparpotenzial. Die Flexibilisierung der Fertigung bedeutet auch, dass viele verschiedene Werkstücke nacheinander bearbeitet werden sollen – und das natürlich automatisiert und ohne Qualitätseinbußen. Wenn ein Roboter die Teile einlegt, muss die Lage nach dem Einlegen gemessen und die Bearbeitung angepasst werden. Nach dem Bearbeiten folgt die Erfolgskontrolle.
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Ich glaube fest an selbstoptimierende Prozesse.
Welche Lösungen bieten Sie hierfür an?
Reiser: Für diese Aufgaben haben wir nun ganz neu unsere Mess- und Automatisierungssoftware FormControl X im Programm. Mit FormControl X erstellen Anwender auf selbsterklärende Art und Weise komplexe Messprogramme, automatisieren Zerspanungsprozesse durch die Realisation von geschlossenen Regelkreisen und machen die Messergebnisse im Sinne von Industrie 4.0 nutzbar. Fertigungsprozesse werden somit transparenter und beschleunigt, Qualität und Herstellungskosten der gefertigten Werkstücke optimiert. Das ist mit einer alleinigen Messung im Messraum nicht möglich, beziehungsweise ein großer Blindflug, da man weiterproduziert, bis im Messraum gemessen und im schlimmsten Fall erst dann eine Abweichung erkannt wird.
Schauen wir noch in die Zukunft: Wohin geht die Entwicklung in der Messtechnik?
Reiser: Ich glaube fest an selbstoptimierende Prozesse. Wir haben heute schon oft das Problem, dass die Zerspanungswerkzeuge nicht so genau gefertigt sind, wie es notwendig wäre, um die gewünschte Präzision zu erreichen. Wenn die Maschine die Werkzeuge vor der Bearbeitung misst, kann sie diese Abweichungen kompensieren, ebenso wie den Verschleiß. Das ist heute schon möglich, aber ich glaube, wir gehen auf diesem Weg immer schneller voran. Die Maschinen optimieren sich selbst und entlasten kompetente Bediener, die sich so um vieles nicht mehr selbst kümmern müssen.