Interview : „6G kann ein Gamechanger werden“
FACTORY: Herr Bernhard, wo steht die österreichische Industrie mit dem Ausbau und der Anwendung von 5G?
Hans-Peter Bernhard: Die Vorteile von 5G werden von der Industrie noch zu wenig genutzt. Daher ist es mir ein Anliegen, es für die Industrie attraktiv zu machen. Das Ausrollen von 5G, das für die Industrie wesentliche Vorteile bringt, ist noch nicht dort, wo es sein sollte. Zur Veranschaulichung: Wir rollen gerade Release 15 vom 5G-Netzwerk aus – und erst in Release 16 kommen die ersten wirklich industrierelevanten Anwendungen.
Und wann soll Release 16 kommen?
Die Standards sind alle schon released. Das Problem ist, dass keine Engeräte und keine Basisstationen verfügbar sind.
Woran liegt das?
An den Herstellern. Die Umsetzung ist natürlich mit einem großen Zeitaufwand verbunden. Man muss das Ganze von der Entwicklung hin bis zum Endkunden bringen. Und der Industriebereich stellt einfach andere Anforderungen als der Consumerbereich: Hier muss die Verfügbarkeit und die Verlässlichkeit wesentlich höher sein. Denn der größte Vorteil und zugleich Nachteil der drahtlosen Kommunikation ist, dass sie keinen Draht benötigt. Diese beiden Seiten der Medaille gut zu verbinden, das ist die Kunst. Dafür müssen wir erstens die technischen Bedingungen und zweitens Akzeptanz schaffen.
Wie kommt es, dass es der drahtlosen Vernetzung an Akzeptanz fehlt?
Im Industrieumfeld gilt die verdrahtete Verbindung immer noch als die vertrauenswürdigere. Diese hat aber sehr viele Nachteile. Unter anderem natürlich die geringere Flexibilität. Doch die Industrie strebt ganz klar danach, flexibler zu werden.
Im Industrieumfeld gilt die verdrahtete Verbindung immer noch als die vertrauenswürdigere. Doch ihr mangelt es an Flexibilität.Hans-Peter Bernhard
Wie weit halten Sie dieses mangelnde Vertrauen für nachvollziehbar?
Es ist teilweise nachvollziehbar, weil wir immer die 100-prozentige Verfügbarkeit im Auge haben. Aber ich will darauf hinweisen, welche Use Cases dadurch möglich werden.
Haben Sie dafür ein Beispiel aus dem Industriebereich?
Ein typisches Beispiel ist die interne Logistik von automatisierten Transportfahrzeugen. Die geht gar nicht verdrahtet. Aber die drahtlose Verbindung ist auch in sehr vielen anderen Bereichen anwendbar.
Jetzt zu 6G. Es heißt, man kann ungefähr 2030 mit der Markteinführung rechnen. Was muss bis dahin alles passieren?
Das gute an 6G ist, dass es in der Konzeptionsphase ist und wir damit die Mängel von 5G korrigieren können.
Welche Mängel sind das?
Einer der größten Nachteile von 5G ist, dass man bei der Konzeption von 5G nie über Energie nachgedacht hat. Heute hingegen diskutieren wir intensiv darüber, wie man das gesamte 6G-System energieeffizienter gestalten kann.
Da 6G noch in der Konzeptionsphase ist, können wir damit die Mängel von 5G korrigieren.Hans-Peter Bernhard
Was soll sich mit 6G ändern?
Ein wesentlicher Punkt ist, dass man Kommunikation mit Sensing verbindet, dass also während des Kommunizierens schon die Umgebung erfasst wird. Dafür muss man Kommunikationstechniken teilweise neu denken. Der nächste Punkt, den man bei 5G nicht mitgedacht hat, ist die lokale, eingebettete Datenverarbeitung. Ich denke dabei an Machine Learning oder AI-Themen. Hier wird in den Devices und auch in den Basisstationen direkt vor Ort die komplexe Machine-Learning-Technik eingesetzt, aber auf einem sehr energieeffizienten Niveau.
Schnelligkeit, Störsicherheit und Datenübertragung in Echtzeit sind ja Schlagworte, die man bereits von 5G kennt. Wird es also so sein, dass 6G erst halten kann, was 5G verspricht?
5G wird halten, was es verspricht, aber sagen wir so: Die Bewerbung war hier schneller als die Technik. Die wichtige Botschaft ist: Wir werden 5G unbedingt brauchen, denn sonst werden wir im Industriesektor immer hinter Asien herhinken. Wir können nicht warten, bis alles mundgerecht geliefert wird, sondern müssen jetzt die Use Cases und die Infrastruktur soweit vorbereiten, dass, wenn die Geräte da sind, wir sofort mit der Umsetzung beginnen können. Wenn wir diesen Schritt nicht jetzt gehen, müssen wir ihn später zu einem viel höheren Preis gehen.
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