A4M - Additive for Mobility : Game-Changer für den 3D-Druck aus Wien

Große Gussformen – mit 3D-Sanddruckverfahren gefertigt
- © voestalpineUnsere Mobilität ändert sich gerade grundlegend. Verbrennungsmotoren werden in vielen Bereichen durch elektrische oder hybride Antriebslösungen ersetzt, gleichzeitig wird neu über öffentliche Verkehrsmittel, Schiffstransporte und den Flugverkehr nachgedacht. Die Zeiten, in denen man zu unserer Mobilität über viele Jahre Vorhersagen treffen konnte, sind vorerst vorbei. Die Industrie braucht daher mehr Flexibilität – etwa in Bezug auf Herstellprozesse und Stückzahlen.
Das bedeutet auch, dass man in den eingesetzten Fertigungstechnologien umdenken muss. Am IFT der TU Wien forscht man schon seit Jahren daran, moderne Metallverarbeitung flexibler und effizienter zu machen – nämlich mit additiver Fertigung, in Kombination mit nachfolgenden subtraktiven Bearbeitungsprozessen. Darunter versteht man eine ganze Reihe unterschiedlicher Technologien, bei denen Material beispielsweise durch Plasmaschweißen nach und nach aufgetragen wird, anstatt das gewünschte Bauteil aus einem großen Materialblock heraus zu fräsen, also ausschließlich subtraktiv herzustellen. Dies gilt insbesondere für kleinste Losgrößen.
Lesetipp: Additive Fertigung in der Luft- und Raumfahrt
In dem auf vier Jahre angelegten FFG-Leitprojekt “A4M - Additive for Mobility” aus der Ausschreibung „Additive Fertigung & Werkstoffsysteme für die Mobilitätswende“, gefördert von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG und unterstützt von zahlreichen Wirtschaftsunternehmen, forscht man nun daran, solche Fertigungstechnologien weiterzuentwickeln und in der Praxis einzusetzen, auch für größere Losgrößen.
3D-Drucker für Gussformen
3D-Drucker galten lange als interessante Fertigungsgeräte für Einzelstücke. Komplex geformte Bauteile kann man sich über Nacht Schicht für Schicht vom 3D-Drucker herstellen lassen, mit industrieller Massenproduktion schien das wenig zu tun zu haben. Doch diese Sichtweise ist inzwischen überholt: „3D-Druck kann in der Industrie zum Beispiel eine tolle neue Möglichkeit für die Herstellung von Gussformen eröffnen“, sagt Prof. Friedrich Bleicher, Institutsvorstand vom Institut für Fertigungstechnik und Photonische Technologien (IFT) der TU Wien.
Man arbeitet dabei mit Quarzsand, der Schicht für Schicht an den gewünschten Stellen mit Bindemittel verfestigt wird. Überall dort, wo kein Bindemittel aufgetragen wird, verbleibt der Sand lose im Drucker. Übrig bleibt nach dem Entformen eine verfestigte Quarzsand-Form, in der dann ein metallisches Bauteil gusstechnisch hergestellt werden kann – falls benötigt mit Abmessungen von bis zu mehreren Metern und einem Gewicht von mehreren Tonnen.
„Auf diese Weise kann das Thema Gießen vollkommen flexibilisiert und hin zu größeren Stückzahlen entwickelt werden“, sagt Friedrich Bleicher. „Man kann nach Belieben am Computer die Gussform designen und die volle Flexibilität des 3D-Druckens nutzen, um in kurzer Zeit eine maßgeschneiderte Gussform zu bekommen.“ Firmenpartner wie BMW oder die voestalpine haben das Potenzial dieser Technologie bereits erkannt, freilich kann dazu auch von wissenschaftlicher Seite noch einiges zur Weiterentwicklung beigetragen werden.

Individuelle Nachbearbeitung durch den "Additiv-Roboter"
Mit der einfacheren und flexibleren Herstellung von Gussformen ist das Potenzial additiver Fertigungstechnik aber noch lange nicht ausgeschöpft: „Man kann ein gegossenes metallisches Bauteil durch die Kombination additiver Fertigungstechnologien danach auch noch weiter verarbeiten“, erklärt Gernot Mauthner, Arbeitsgruppenleiter für Additive Fertigung am IFT.
„Man kann zum Beispiel eine Basis-Variante gießen und sie dann auf unterschiedliche Arten zu individuellen Konfigurationen ergänzen - mit geometrischen Elementen, die an den gewünschten Stellen pulver- oder drahtbasiert aufgeschweißt werden.“ So könnte man kostengünstige Serienproduktion mit der Flexibilität der additiven Fertigungstechnik verbinden, glaubt Mauthner: „Der Großteil wird vorgefertigt, dann übernimmt beispielsweise ein “Additiv-Roboter” je nach individueller Bestellung den Rest.“
Reparieren statt wegwerfen?
Auf individuelle Wünsche muss man auch in einem anderen, wichtigen Bereich eingehen: Beim Reparieren. „Stellen wir uns beispielsweise eine Francis-Turbine vor, wo die Einlaufkanten verschlissen sind.“, sagt Gernot Mauthner. „Natürlich könnte man jetzt die ganze Turbine recyclen und eine Neue machen, aber das wäre eine Vergeudung von Energie, Material und Zeit.
Viel besser ist es, wenn man die beschädigten Teile der Turbine wiederherstellen kann – etwa mit einem präzisen Schweißrobotersystem. Womöglich kann man dabei gleichzeitig auch noch die Qualität des Werkstoffes verbessern, um den Verschleiß zu verlangsamen. .“ Damit ließe sich die Lebensdauer vieler Maschinenkomponenten massiv verlängern und ein Großteil des benötigten Materials und der Energie für eine erneute Produktion einsparen.
Welche dieser additiven Verfahren auf welche Weise für welchen Einsatzbereich geeignet sind, und wo es noch wichtige wissenschaftliche Grundsatzfragen zu klären gibt, wird sich im Lauf des Projektes zeigen. „Wir sind jedenfalls sehr zuversichtlich, mit neuen Ideen aus der Fertigungstechnik wichtigen wirtschaftlichen Nutzen erzeugen zu können“, sagt Gernot Mauthner. Dass die Industrie das ähnlich sieht, zeigt die prominente Liste von Wirtschaftspartnern, die beim derzeit laufenden Großprojekt mit an Bord sind – vom Werkstoff mit der voestalpine bis zum Technologietransfer unterstützt durch EIT Manufacturing, mit Anwendern wie MAGNA oder BMW.