Gegenmaßnahmen gefordert : Zoll-Schock: Europäische Stahlindustrie schmäht US-Zölle
Branchenvertreter sehen massive Belastung
Im Rahmen der letzten Strafzölle gegen die EU 2018/2019 hätten sich die EU-Exporte in Richtung USA halbiert von 5,2 Millionen Tonnen 2018 auf 2,5 Millionen im Jahr 2020. Durch die Strafzölle drohten traditionelle Stahl-Lieferländer ihre Absatzmöglichkeiten zu verlieren und sich verstärkt auf den offenen EU-Markt zu konzentrieren. Wichtigste Lieferländer der USA seien Kanada, Brasilien und Mexiko, analysiert die Wirtschaftsvereinigung Stahl.
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Die Stahlbranche in Europa macht seit Jahren Front gegen Billig-Importe aus Fernost, insbesondere aus China. Nach Angaben von Eurostat stiegen die EU-Importe von Eisen und Stahl aus China im ersten Quartal 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 36 Prozent. "Eine 50-Prozent-Abgabe auf Stahlexporte ist eine massive Belastung für unsere Branche, da sie den Druck auf die ohnehin krisenhafte Konjunktur weiter erhöhen wird und unsere Stahlindustrie auf vielfältige Weise trifft", so die Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Kerstin Maria Rippel. Wichtig sei, dass die EU-Kommission auch Verhandlungen über ein bilaterales Stahlabkommen mit den USA fortsetzt.

Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump hat die Importzölle auf Stahl und Aluminium auf 50 Prozent verdoppelt. Diese während einer 90-tägigen Verhandlungspause eingeführte Maßnahme soll die US-Industrie stärken und Städten wie Pittsburgh zu alter Stärke verhelfen. Die Entscheidung führte zu einem Anstieg der US-Stahlpreise sowie zu einem Kursanstieg bei amerikanischen Stahlherstellern.
Die europäischen Stahlhersteller sind in besonderem Maße betroffen, da die USA zuvor rund 20 % der EU-Stahlexporte abnahmen. Der Wegfall dieses Marktes könnte zu einer Umlenkung von überschüssigen Stahlmengen aus Asien in die EU führen und so den Preisdruck erhöhen. Darüber hinaus stellen die hohen Energiepreise und die Klimavorgaben eine Belastung für die europäische Industrie dar. Die EU-Kommission hat daher ab dem 1. April die Stahlimportquoten um 15 % reduziert und plant weitere Schutzmaßnahmen. Parallel dazu ergreift die EU präventive Maßnahmen, die US-Exporte im Wert von bis zu 26 Milliarden Euro betreffen könnten. Die Verhandlungen zwischen den Vertretern der Europäischen Union und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika sollen fortgesetzt werden, um eine weitere Verschärfung des Handelskonflikts zu vermeiden.
Groebler: "Importdruck nicht schutzlos gegenüberstehen"
Der deutsche Stahlkonzern Salzgitter hat die Erhöhung der Zölle in den USA scharf kritisiert und mehr Druck von der EU-Kommission gefordert. "Das direkte USA-Geschäft der Salzgitter AG im Stahlbereich ist nicht von nennenswerter Größe. Gleichwohl trifft die erratische Zollpolitik der USA Europas Wirtschaft hart - besonders den Standort Deutschland", sagt Vorstandschef Gunnar Groebler.
Die Stahlindustrie sei mehrfach betroffen durch direkte Zölle auf Exporte in die USA, durch stärkeren Importdruck auf dem EU-Markt infolge von Mengenumleitungen - und durch indirekte Effekte aufgrund von Einbußen bei den stahlintensiven Kundenbranchen. Die EU-Kommission müsse ihre bereits beschlossenen Gegenmaßnahmen beschleunigen. "Europa darf dem wachsenden Importdruck nicht schutzlos gegenüberstehen", betont Groebler. Die Schwerindustrie brauche aber auch bessere Rahmenbedingungen. In Deutschland gehörten etwa international wettbewerbsfähige Energiekosten dazu.

So reagiert der Rest der Welt
Die internationalen Reaktionen auf die neuen US-Stahlzölle waren überwiegend kritisch. Länder wie Kanada, Brasilien und Südkorea äußerten scharfen Protest, da sie zu den größten Stahlexporteuren in die USA gehören. Kanada hat bereits eine Prüfung von Gegenmaßnahmen angekündigt und die Zölle als "wirtschaftlich schädlich und völkerrechtswidrig" bezeichnet. Auch die Volksrepublik China äußerte sich vor dem Hintergrund einer potenziellen neuen Eskalation im globalen Handel und wittert protektionistische Tendenzen. Die Befürchtung einer Vielzahl von Ländern ist, dass die USA durch die Implementierung dieser Strafzölle eine Kettenreaktion initiieren könnten, die in einen neuen Handelskonflikt mündet.
Zudem herrscht weltweit die Besorgnis, dass die Überschüsse an Stahl auf andere Märkte, insbesondere nach Europa und Asien, umgeleitet werden könnten. Länder wie Japan, Indien und Australien befürchten eine Marktverzerrung, da sich die globalen Lieferströme verschieben könnten. Die Welthandelsorganisation (WTO) wurde in mehreren Fällen konsultiert, um die Rechtmäßigkeit der von den USA erhobenen Zölle zu prüfen. Eine Vielzahl von Staaten plädiert für die Etablierung eines auf Regeln basierenden, multilateralen Handelssystems und erachtet die Maßnahmen der USA als eine evidente Verletzung internationaler Verpflichtungen.