voestalpine-Chef fordert Umdenken : Eibensteiner: "Den Worten müssen endlich konkrete Taten folgen"

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Konzernchef Herbert Eibensteiner sieht die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Europa gefährdet und fordert konkrete politische Maßnahmen.

- © voestalpine

Der weltweit agierende Stahl- und Technologiekonzern konnte sich mit seinem strategischen Fokus auf hochtechnologische Produkte und einer breiten Aufstellung nach Regionen und Branchen gegen den Trend des vor allem in Europa schwierigen Umfelds behaupten. Insbesondere die Sektoren der Bahninfrastruktur und Luftfahrt verzeichneten eine signifikant positive Entwicklung. Des Weiteren wurde eine signifikant hohe Nachfrage im Bereich der Lagertechnik festgestellt. Die Konsumgüter- und Maschinenbauindustrie sowie der Energiebereich zeigten auch im weiteren Verlauf des Geschäftsjahres eine Stagnation. Im Gegensatz dazu schwächte sich der Energiebereich im Laufe des Geschäftsjahres ab.

"Unsere Antwort auf die herausfordernde wirtschaftliche Lage vor allem in Europa war aktives Management mit dem Fokus auf Ergebnisqualität, der Generierung von Free Cashflow, der Sicherstellung einer stabil niedrigen Verschuldung sowie der Start notwendiger Reorganisationsmaßnahmen in einigen Geschäftsbereichen. Gleichzeitig wurden Wachstumsprojekte weitergeführt. Unsere Konzernstrategie bildet dafür eine solide Basis", so Konzernchef Herbert Eibensteiner.

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Die Nachfrage der Automobilindustrie nach den Produkten der Steel Division der voestalpine zeigte einen stabilen Verlauf, während insbesondere die deutschen Automotive Components-Standorte der Metal Forming Division eine geringe Auslastung aufwiesen. Das Management reagierte darauf mit der Initiierung eines umfassenden Reorganisationsprogramms für die europäischen, insbesondere jedoch die deutschen Standorte des Geschäftsbereichs Automotive Components. In der High Performance Metals Division wurden ebenfalls Reorganisationsmaßnahmen umgesetzt. Mit der Veräußerung des Geschäftsbetriebs von Buderus Edelstahl zum Ende des ersten Quartals dieses Jahres hat die High Performance Metals Division der voestalpine ihre Produktpalette auf das Segment der Hochleistungswerkstoffe, das mit hohen technologischen Ansprüchen verbunden ist, fokussiert.

Geschäftsjahr 2024/2025: Die Zahlen auf einen Blick

  • EBITDA liegt bei 1,3 Mrd. EUR (Vorjahr: 1,7 Mrd. EUR) 
  • Umsatz moderat auf 15,7 Mrd. EUR gesunken (GJ 2023/24: 16,7 Mrd. EUR) 
  • Hoher Free Cashflow mit 309 Mio. EUR 
  • greentec steel: rund 1/3 von 1,5 Mrd. EUR im größten Klimaschutzprogramm Österreichs bereits investiert 
  • Zahl der Beschäftigten (FTE) um 3,7 % auf 49.700 gesunken 
  • Ausblick 2025/26: EBITDA zwischen 1,4 Mrd. und 1,55 Mrd. EUR
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Verkaufserlöse sanken um rund 1 Mrd. Euro auf 15,7 Mrd. Euro - © voestalpine

voestalpine forciert Local-for-local-Strategie

Im von protektionistischen und deglobalisierenden Tendenzen geprägten Umfeld setzte die voestalpine im abgelaufenen Geschäftsjahr ihre seit Jahren erfolgreiche Local-for-Local-Strategie fort und realisierte mehrere Expansionsprojekte in dynamischen Märkten wie Ägypten, Indien, Brasilien oder Nordamerika. Der Fokus des Konzerns liegt auf High-Tech-Segmenten, die höchsten Qualitätsstandards genügen, und in enger Zusammenarbeit mit den Kunden werden innovative Produkte und Lösungen entwickelt. In Brasilien nimmt die voestalpine eine führende Position unter den Herstellern von Spezialrohren und -profilen ein. Der Standort in Caxias do Sul wird derzeit um ein Logistikzentrum mit entsprechenden Anlagen erweitert. Im Nischenbereich Schweißtechnik hat die voestalpine in Indien in den Ausbau ihrer Produktion von Schweißzusatzstoffen sowie in die Stärkung der Anwendungstechnik investiert.

Auch im Bereich der Bahninfrastruktur verfolgt die voestalpine seit Jahren erfolgreich ihre Strategie der Errichtung lokaler Weichenfertigungen in strategisch wichtigen Märkten. Ein jüngstes Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung solcher Projekte ist die Produktion von Hochleistungsweichen in Kairo, Ägypten. Das Unternehmen voestalpine Railway Systems liefert für die Errichtung der ersten ägyptischen Hochgeschwindigkeitsstrecke, die den Namen "Green Line" trägt, rund 260 Hochgeschwindigkeitsweichen inklusive Weicheninstandhaltungssoftware. Im Bereich Lagersysteme wurde in Louisville, Kentucky (USA), der Grundstein für eine Erweiterung der Produktions- und Vertriebskapazitäten gelegt. Des Weiteren hat die voestalpine neue langfristige Verträge mit zwei global agierenden Lkw-Herstellern für den nordamerikanischen Markt abgeschlossen. Zu diesem Zweck erfolgt seitens des Konzerns eine Erweiterung der Produktionskapazitäten am bestehenden Standort in Indiana, USA.

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voestalpine Meincol ist Brasiliens führender Hersteller von Sonderrohren und -profilen. - © voestalpine
Um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Europa abzusichern, braucht es einen grundsätzlichen Wandel in der Energie-, Klima- und Industriepolitik.

Klimaschutzprogramm greentec steel nach Plan

Die voestalpine hat mit greentec steel einen klaren Stufenplan: Ab 2027 werden in einem ersten Schritt in Linz und Donawitz je ein Elektrolichtbogenofen in Betrieb genommen. Bis 2029 können dadurch bis zu 30 % der CO2-Emissionen gegenüber 2019 eingespart werden, dies entspricht fast 5 % der jährlichen CO2-Emissionen Österreichs. Damit sei greentec steel das größte Klimaschutzprogramm in Österreich. Die Investitionskosten betragen 1,5 Mrd. EUR, ein Drittel davon sind bereits investiert. Langfristig strebt der Konzern bis 2050 eine Stahlproduktion mit Net-Zero-CO2-Emissionen an und forscht dafür bereits an unterschiedlichen innovativen Forschungsprojekten. 

"Wir haben unsere Transformationspläne bewusst modular aufgebaut und befinden uns trotz unsicherer Rahmenbedingungen mitten in der praktischen Ausführung des ersten Schritts", so Eibensteiner.

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Insgesamt ist der Personalstand gegenüber dem Jahr davor leicht gesunken. Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verringerte sich von weltweit 51.589 auf 49.659. - © voestalpine

Eibensteiner vermisst aber konkrete Maßnahmen

Der global agierende Konzern voestalpine sah sich im vergangenen Geschäftsjahr mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählten zunehmende Handelshemmnisse, hohe Arbeits- und Energiekosten, das weltweit strengste CO2-Regime sowie ein erheblicher bürokratischer Aufwand, insbesondere in Mitteleuropa. Die voestalpine begrüßt zwar die jüngsten Bekenntnisse der Politik zur Industrie auf nationaler und EU-Ebene, vermisst jedoch konkrete Maßnahmen. "Den Worten müssen endlich konkrete Taten folgen. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Europa abzusichern, braucht es einen grundsätzlichen Wandel in der Energie-, Klima- und Industriepolitik", so  Eibensteiner.

Aus Perspektive der voestalpine könnten erste Schritte in die richtige Richtung in der Verlängerung der Freizuteilung von Emissionshandelszertifikaten über das geplante Auslaufen bis 2034 hinaus, in der Zweckbindung der CO2-Erlöse für Transformationsprojekte wie greentec steel sowie in einer Korrektur des CO2-Grenzausgleichs Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) bestehen. Darüber hinaus fordert die voestalpine für die Senkung der Energiekosten in Österreich die von allen anderen EU-Ländern gewährte Strompreiskompensation sowie die Vermeidung weiterer Belastungen für österreichische Betriebe, wie etwa durch das Erneuerbares-Gas-Gesetz.

Ausblick Geschäftsjahr 2025/26

Aus der aktuellen Perspektive lässt sich eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in Nordamerika beobachten, wobei die Wachstumsrate weiterhin positiv bleibt, konstatiert der Konzern. Auch der europäischen Wirtschaft werde nach zwei Jahren mit geringer Wachstumsrate ein leichtes Wachstum prognostiziert. Die Implikationen der US-Zollpolitik seien gegenwärtig noch schwer einschätzbar. Die Volksrepublik China behalte das zuvor kommunizierte strategische Wachstumsziel von 5 % unverändert bei. Sollte sich der Handel mit den USA im Zuge der wechselseitigen Zölle abkühlen, könnte dies jedoch schwer erreichbar werden, analysiert das Unternehmen.

Bei den Marktsegmenten der voestalpine wird für die konjunktursensitiven Bereiche Bau-, Maschinenbau und Konsumgüterindustrie eine weitgehend stabile Entwicklung auf niedrigem Niveau mit einer potenziell leichten Erholung zu Ende des Geschäftsjahres 2025/26 erwartet. Die Bereiche Eisenbahninfrastruktur, Lagertechnik sowie die Luftfahrtindustrie sollten die gute Performance auch im Geschäftsjahr 2025/26 weiter fortsetzen können. Die Nachfrage der Automobilindustrie wird insgesamt auf dem aktuellen Niveau stabil eingeschätzt. Die in der abgelaufenen Berichtsperiode eingeleiteten Reorganisationsmaßnahmen sollten im Geschäftsjahr 2025/26 bereits positive Ergebnisbeiträge bringen. Vor diesem Hintergrund erwartet der Vorstand der voestalpine AG aus heutiger Sicht für das Geschäftsjahr 2025/26 ein EBITDA in einer Bandbreite von 1,40 bis 1,55 Mrd. EUR.