Innovation am Weiher : Digitalisierung als Strategie in der Wellpappenindustrie
Am Rande des bayerischen Städtchens Weiherhammer, direkt am Weiher, steht die zukunftsweisende und imposante Zentrale des Maschinen- und Anlagenbauers für die Wellpappenindustrie. Die BHS Corrugated, die in Weiherhammer und an mehr als 20 internationalen Standorten rund 3.200 Mitarbeiter beschäftigt, versteht sich als Partner für den gesamten Lebenszyklus. In dem Unternehmen wird seit Jahren eine umfassende Digitalisierungsstrategie verfolgt. "Corrugated 4.0" zielt darauf ab, Prozessparameter zu optimieren und den Automatisierungsgrad sowie die Produktionseffizienz zu steigern. Das MES cronetwork spielt dabei eine zentrale Rolle.
Bereits bei der Einführung des cronetwork MES im Jahr 2018, die in einem Rollout an bisher vier Produktionsstandorten (Deutschland, Tschechien, Türkei, China) mündete, verfolgte BHS Corrugated einen ganzheitlichen Ansatz. Seitdem werden dort die cronetwork Feinplanung APS, die Betriebs- & Maschinendatenerfassung, die Personalzeiterfassung und die innovative PIDO & Portaltechnologie in unterschiedlichen Ausprägungen eingesetzt.
Wolfgang Kranz leitet das MES-Programm bei BHS Corrugated weltweit: „Wir nutzen das System in der mechanischen Teilefertigung, in der Riffelwalzenfertigung und auch in der Montage. Alle unsere Produkte - wir sprechen hier von mehr als 20.000 Artikelnummern - werden mit dem cronetwork MES gefertigt.“ Auf die Frage nach den Besonderheiten der Digitalisierungsmaßnahmen nennt Kranz drei Highlights: „Das Feinplanungs-Tool APS hat uns geholfen, unsere Produktionsplanung zu optimieren und die Planungsprozesse durch leistungsfähige Automatismen deutlich zu verkürzen. Darüber hinaus hilft uns die PIDO & Portal-Technologie, den so genannten Terminal-Hub für unsere Werker zu realisieren. Last but not least haben wir hochintegrierte Schnittstellen zu SAP inkl. HCM-Modul (Human Capital Management) und zu unserem Werkzeugverwaltungstool realisiert“.
Single Point of Contact
Mit über 600 Anwendern, davon mehr als 500 direkt auf dem Shopfloor, hat BHS Corrugated von Anfang an auf eine hohe Usability für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geachtet. Das Ergebnis dieser Bemühungen nennt sich „Terminal- Hub“ und wird vollständig über das MES cronetwork abgebildet. „Unsere Mitarbeitenden sollen sich auf ihre Aufgaben an den Maschinen oder in der Montage konzentrieren können und sich nicht mit verschiedenen Systemen herumschlagen müssen. Zudem muss die Bedienung des MES-Terminals einfach und intuitiv sein. Je weniger Klicks und Buttons für Meldungen, Eingaben und Informationsabfragen, desto besser“, beschreibt Wolfgang Kranz die Anforderungen an das System.
Durch die Anbindung der bestehenden Instandhaltungssoftware mittels Webservice konnten vor allem im Bereich der Instandhaltung und Werkzeugverwaltung positive Effekte erzielt werden. So sehen die Werker auf einen Blick, ob das richtige Werkzeug für den aktuellen oder den nächsten Auftrag an der Maschine gespannt ist und ob die notwendigen Messungen bereits vorliegen. Auch die jeweils relevanten Aufspannpläne sind als Dokumente direkt am Terminal abrufbar. Nicht zuletzt wird in den unterschiedlichsten Abteilungen und Unternehmensebenen die übersichtliche und stets aktuelle Ansicht der Auftragslisten inklusive des aktuellen Bearbeitungsstatus als Informationsquelle genutzt.
No-Code-Technologie
Die PIDO & Portal Technologie hat für Wolfgang Kranz eine besondere Bedeutung: „Wir haben von Anfang an das Potenzial gesehen. Die Erstellung neuer, individueller Services und Lösungen mittels No-Code-Technologie hat uns viele Türen geöffnet. Mittlerweile bauen wir zum Beispiel auch User-PIDOs. Das bedeutet, dass wir nicht nur Daten beziehen, sondern auch Informationen an cronetwork und andere Systeme zurückliefern können. Wir bauen heute Cockpits, die das tägliche Doing auf dem Shopfloor und darüber hinaus abbilden und digitalisieren. Für mich vergeht kaum ein Arbeitstag, an dem ich damit nicht neue Services oder Abfragen erstelle.“
Bei BHS Corrugated können so die meisten neuen Anforderungen ohne externe Hilfe selbst erfüllt werden. Ein gewisses Grundverständnis von Datenbanken reicht laut Kranz dafür aus, Programmierkenntnisse seien definitiv nicht notwendig. Die Anwendungsfälle beschränken sich allerdings nicht auf den Shopfloor. Auch in Verwaltung und Management profitiert man von der neuen Datenqualität und Informationsaufbereitung.
95 % automatische Fertigungsfeinplanung
Die täglichen Planungsarbeiten stellten im Laufe der Jahre einen erheblichen Zeitaufwand dar. Mehr als eine Stunde pro Tag wurde für die Definition und Planung der Fertigungsstrategien benötigt. Daher beschäftigte man sich mit der Möglichkeit der automatischen Feinplanung auf Basis vorgefertigter Makros im MES cronetwork und erkannte schnell die vielen Vorteile.
„Wir haben eine Schnittstelle zu SAP HCM, die morgens den aktuellen Status der verfügbaren Mitarbeitenden an das MES liefert. Die Plantafel wird dann automatisch geöffnet, zurückgesetzt und mit dem Wissen über die verfügbaren Mitarbeitenden eingeplant“, erklärt Kranz. Zuvor war jeder Mitarbeitende bereits einer Maschine zugeordnet. Aus der Kombination dieser Informationen ergibt sich die Maschinenauslastung und das Wissen, ob die Maschinen beispielsweise in drei oder gar vier Schichten laufen können. Insgesamt greift das Unternehmen auf 39 Planungsstrategien zurück, die sich mit Hilfe von Makros automatisiert Schritt für Schritt durchplanen lassen. Das reduziert den manuellen Aufwand letztlich um bis zu 95 %, was aber nicht der einzige Mehrwert der APS-Feinplanung ist.
Mit einer Durchlaufzeit von mehreren Wochen wird bei BHS Corrugated ein Kernprodukt, die so genannte Riffelwalze, gefertigt. Insgesamt 14 Fertigungsaufträge müssen in diesem Prozess reibungslos ineinander greifen. Wolfgang Kranz: „SAP kennt zwar die für die Fertigung notwendigen Komponenten und könnte daraus auch ein Fertigungsnetz bilden, aber die umfassenden Funktionalitäten rund um die automatisierte Netzgenerierung und die Visualisierungsmöglichkeiten in cronetwork haben uns überzeugt, so dass wir auch hier auf das MES setzen.“