Bericht : Was Innovationen radikal macht

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Die Entwicklung neuartiger Produkte, neuer Dienstleitungen oder disruptive, neue Prozesse müssen anders gemanagt werden als inkrementelle Verbesserungen. Moderator Rudolf Loidl sprach mit Alois Wiesinger, Geschäftsführer und CTO beim Maschinenbauer Fill, Alexander Platzer, Global Head of Engineering bei RHI Magnesita, Rene Adam, Leiter der Forschung und Technologieentwicklung beim Aerospace-Komponenten-Zulieferer FACC und Gerald Fliegel, Head of Global of R&D bei Primetals Technologies. Vorangehend an die Diskussion stellte zudem Andreas Pfleger, Industrial Innovation Manager beim IT-Service Anbieter Zühlke Group, eine Studie zum Thema Radikale Innovation im Maschinenbau vor, die er selbst mitverfasst hat.

Wann Innovationen radikal sind

Zunächst sollte die Studie, für die mehr als 60 Interviews durchgeführt wurden, eine Antwort auf die grundsätzlichste Frage geben: Was ist eigentlich radikale, in Abgrenzung zur inkrementellen Innovation? „Radikal wird’s dann, wenn es über Organisationseinheiten im Unternehmen hinausgeht. Wenn es darum geht, neue Geschäftsfelder zu erschließen, bzw. wenn man den Kunden, die Lösung oder den Weg dorthin noch gar nicht kennt“, formuliert Pfleger eine Definition. Zusätzlich unterscheidet er bei den Innovationen zwischen einem Technologieswitch, einem Produktswitch, der oftmals schon radikaler ist, und einem Wandel zur Servitisation. Das heißt im Konkreten, dass sich ein reiner Maschinenbauer zum Softwareunternehmen entwickelt und als solches neue Dienstleistungen oder neue Softwarelösungen anbietet. Sozusagen voll radikal wird es dann, wenn eine Firma ein völlig neues Geschäftsfeld erschließt, mit neuen Produkten, neuem Marketing und neuem Vertrieb

Radikale Innovationen in der Praxis

Mit der Frage, wie es um Innovationen in ihren Unternehmen bestellt ist, eröffnet der Moderator schließlich die Diskussion. Bei Primetals sei die Innovation im F&E-Bereich angesiedelt, so Fliegel. Radikal werde sie dann, wenn sie auch auf andere Bereiche, übergreift. Wiesinger räumte ein, dass bei Fill die meisten Innovationen inkrementell seien, brachte dann aber doch ein radikaleres Beispiel aus der Praxis: „Wir haben begonnen, datengetriebene Produkte rund um eigene Maschinen und Fremdmaschinen zu entwickeln und anzubieten“. FACC bastelt gerade vor allem an seinen Drohnen – an Passagier- und auch Lastendrohnen. Was daran radikal ist? „Es trifft nicht nur Technologie und Entwicklungsleistung. Der Markt tickt anders, der Kunde ist ein anderer und dementsprechend auch der Drive“, berichtet Adam. Von RHI Magnesita kennt man primär die Feuerfestprodukte. „Wir machen aber auch Maschinen. Bei denen ziehen wir Daten zentral ab, verarbeiten sie und versuchen, über Machine-Learning im Sinne der Predictive Maintenance Voraussagen zu treffen.“, erläutert Platzer. Ein Stück weg von Maschinenbau, hin zu anderen Tools lautet hier die Strategie.

Der Zeitfaktor

Dass die Dauer von Projekten ihre Radikalität ausmachen kann, wirft Fliegel ein. Ein Innovationsprozess könne zehn Jahre oder länger dauern – von der ersten Idee über Simulationen und Kalkulationen, einen Labortest auf einer Universität bis hin zum Prototypen. Gerade diese langen Zeitspannen bis zum ersten Geldfluss können ein Blocker von radikalen Innovationen sein, muss man doch immer ein Trade-off schaffen zwischen dem Tagesgeschäft und längerfristigen Projekten. „Durch inkrementelle Innovation holt sich das Unternehmen Cash. Den braucht das Unternehmen, um radikale Themen finanzieren zu können“, ergänzt Adam. „Das höhere Management ist im Tagesgeschäft verankert und sieht da auch die Priorisierung“, sagt Wiesinger. Da könne die Klassifikation als radikale Innovation hilfreich sein, wie Fliegel anmerkt: „Wenn man sagt, wir haben ein radikales, länger dauerndes Projekt, dann kann man es über eine eigene Finanzierungsschiene laufen lassen“.

Was radikale Innovationen fördert

„Es braucht diese eine Person, die sagt: ‚Ich ziehe das durch. Koste es, was es wolle ‘“, erklärt Pfleger. Dann benötige man auch ein Team, die eine Idee umsetzt. „Und schließlich muss eine Person auf C-Level das Projekt unterstützen und über viele Jahre durchtragen“, fügt Fliegel hinzu. Kreativität könne man fördern, indem man einen eigenen Raum dafür schafft, wo Entscheidungen selbstständig getroffen werden können und auch Fehler erlaubt sind – darin sind sich alle Gesprächsteilnehmer einig. Bei RHI Magnesita haben MitarbeiterInnen laut Platzer relativ viel Spielraum: „Es gibt Leute bei uns, die explizit dazu angehalten sind, neue Ideen zu liefern. Die helfen beim Tagesgeschäft nur mit, wenn Not am Mann ist“. Bei FACC können sich MitarbeiterInnen bis zu 15 Prozent Ihrer Arbeitszeit eigenen Ideen widmen. Als größten Blocker radikaler Innovationen sieht Pfleger Gremien, denn: „Es gibt immer jemanden, der erklären kann, warum eine Innovation sicher nicht funktioniert“

Studie: Österreich braucht mehr radikale Innovationen

Tipps für die Umsetzung

Ziel des ZTalks war, dass auch andere von den Learnings der Anwesenden profitieren können. In diesem Sinn weist Wiesinger darauf hin, dass das Timing oft eine große Rolle spielt: „Wenn ich mit einer Innovation zu früh in den Markt gehe, kann ein Projekt scheitern. Und wenn ich zu spät dran bin, ist die Konkurrenz schon da“. Adam hingegen macht auf die Bedeutung des Zwischenmenschlichen aufmerksam: „Das große Problem ist: wie nimmt es die Organisation an? Gibt es vielleicht Ängste und Bedürfnisse, die mir nicht bewusst waren?“. Sein Tipp ist also, mehr auf den Menschen zu achten. Platzer ruft zum Durchhalten auf: „Man muss immer wieder sagen: ‚Das kriegen wir hin, glaubt dran. Und das Gebetsmühlenartig“. Für Fliegel ist vor allem das eigene Commitment wichtig: „Die Menschen müssen merken, dass ich hinter dem Projekt stehe“. Pfleger schließt die Runde mit einer Erkenntnis, die vielleicht Mut macht: „Jedes Unternehmen hat radikal begonnen“.

Der ZTalk kann auch nachgeschaut werden:

7.ZTALK: "Radikale Innovation: Wie entkommen wir der Inkrement-Falle?"