Digitalisierung : 20 Jahre Google: Warum die Industrie auf die Suchmaschine steht

Google Maschinenbau
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Google in der Industrie? Im Siegerland setzt der Maschinenbauer Achenbach Buschhütten erfolgreich die Cloud-Technologien des US-Konzerns ein, um seine Walzanlagen produktiver zu machen.

Mit technischen und gesellschaftlichen Revolutionen kennen sie sich bei Achenbach Buschhütten im Siegerland aus. 1452 gründeten drei Brüder das Unternehmen. Ein großer Eisenhammer war lange ihr Arbeitswerkzeug. Als der technische Fortschritt verstärkt Einzug hielt, riss man 1846 den alten Eisenhammer ab, baute an seiner Stelle eine moderne Eisengießerei und wurde gegen Ende des 19. Jahrhundert zur reinen Walzengießerei. Parallel dazu entstand der Maschinenbau: Mit nachhaltigem Erfolg verkaufte man 1888 das erste Achenbach-Walzwerk zur Produktion von Eisenblechen. Das Unternehmen wuchs, bereits 1911 baute man das erste Aluminium-Walzwerk, spezialisierte sich in der Folge weiter auf den Bau von Nicht-Eisen-Metall-Walzwerken, die ab den 1950er Jahren auch international vertrieben wurden – ein Weltmarktführer insbesondere für Folienwalzwerke mit Märkten in Asien, Südamerika und Europa entstand. Die Automatisierung hielt Ende der 1970er Jahre Einzug in den Walzwerkbau, heute ist es die Digitalisierung und morgen die künstliche Intelligenz – auch dank der Technologien, die Google zur Verfügung stellt.

Welche Fragen stellen wir den Daten?

Der Aufgabenbereich von Roger Feist ist die Automatisierungstechnik bei Achenbach. Seit etwa drei Jahren kümmert er sich intensiv um die Digitalisierung der Achenbach-Walzwerke und -Schneidmaschinen. „Unsere Kunden, aber auch wir wollten die Produktionsschritte genauer nachvollziehen und beispielsweise Daten aus dem Folienwalzwerk mit der Schneidmaschine und der Rückmeldung des Kunden korrelieren.“ Die Fertigung sollte transparenter werden. War dies alles 2014 noch der Wunsch von Roger Feist und seinem Team, haben sie dieses Ziel zusammen mit ihren Partnern Scitis, Google und Bachmann electronic heute fast erreicht: Achenbach Optilink läuft nun schon seit mehreren Monaten im Testbetrieb bei einem Kunden. Alle Daten der Bachmann-Steuerung M1 werden via OPC UA einem kleinen Ein-Platinen-Rechner zur Verfügung gestellt, der die Informationen dann abonnieren kann und in einem Cloudspeicher ablegt. Zugriff von der Cloud auf die Maschine? Keine Chance! „Unser Sicherheitskonzept garantiert, dass Daten nur auf Verbindungen übertragen werden, die aus dem Maschinennetzwerk heraus aufgebaut werden. Die Maschinensteuerung istaus dem Internet also weder sichtbar noch ansprechbar. Der Maschinenbetreiber hat also die alleinige Hoheit darüber, welche Daten in die Cloud übertragen werden und welche nicht“, erklärt Feist. Rund drei Gigabyte können da an einem Tag pro Maschine zusammen kommen – im Wesentlichen sind es OPC UA- und SQL-Daten. Und weil in der Cloud praktisch unbegrenzt Speicherplatz genutzt werden kann, müssen aus Platzgründen Daten niemals gelöscht werden.

Webbasiertes Add-on für Kunden

„Weder unser Kunde noch wir können heute sagen, welche Fragen wir an die Daten zukünftig haben werden. Erst wenn konkrete Probleme mit einem bestimmten Material auftreten oder ein Kunde mit Ausfällen eines bestimmten Teilsystems kämpft, wissen wir, welche Daten relevant sind, um das Problem zu lösen. Würden diese im Vorfeld nicht gespeichert oder aus Speicherplatzgründen zu früh gelöscht, fällt eine Problemlösung oft deutlich schwerer.“ Innerhalb eines halben Tages kann eine Maschine mit Achenbach Optilink ausgestattet werden – in Abhängigkeit von der in der Maschine vorhandenen Hardware. „Die Bachmann Steuerungen haben hier einige sehr nützliche Eigenschaften, die die Installation unseres Systems vereinfachen“, lobt der Ingenieur. Derzeit sammelt Optilink die Daten einzelner Maschinen, doch die übergreifende Prozessanalyse ist das nächste Ziel.

Über ein Webinterface kann der Kunde den aktuellen Zustand seiner Maschine abfragen. Achenbach liefert dem Kunden einen Basissatz an Analysetools, aber darüber hinaus kann er auch selbst Analysen erstellen und durchführen. „Seit einigen Wochen vermarkten wir Achenbach Optilink als Add-on für unsere Kunden“, berichtet Feist. Das System stößt auf reges Interesse. Die chinesischen Kunden müssen allerdings noch auf die Anbindung warten, da Google-Dienste dort gesperrt sind. „Aber wir arbeiten bereits an einer Lösung“, meint Feist optimistisch.

Google ist sicher

Was macht der Internetgigant Google nun konkret in dem Projekt aus dem Siegerland? Die Amerikaner liefern die Cloud-Technologie und der Partner Scitis hat das Wissen über die Technik aus dem Silicon-Valley mit in das Projekt gebracht. In Verbindung mit dem Wissen und der Erfahrung des Maschinenbauers hat man ein leistungsfähiges Portal zur Analyse von Produktionsdaten aufgebaut. „Alle Daten liegen auf europäischen Servern“, erklärt Feist. Hatte er nie ein ungutes Gefühl in Bezug auf Cloud-Dienste? „Das Bauchgefühl stimmt in diesem Falle nicht“, ist er überzeugt. Feist hält die Datacenter der großen Cloud-Anbieter für sicherer als die IT-Systeme der allermeisten mittelständischen Unternehmen: „Es wird ein enormer Aufwand getrieben, um höchsten Sicherheitsstandards zu genügen und dabei werden die zahlreichen Maßnahmen transparent dargestellt und von unabhängigen Stellen zertifiziert. Mehr als 700 Mitarbeiter kümmern sich bei Google um die IT-Security. Wenn ein Angreifer die Mittel hätte, um Google erfolgreich anzugreifen, dann könnte er vermutlich auch in fast jedes klassische Unternehmensnetzwerk eindringen und dort ebenso Daten stehlen, manipulieren oder zerstören.“

Künstliche Intelligenz folgt

Das Vertrauen in die Datensicherheit bei Google scheint also berechtigt. Und Achenbach will noch mehr mit den Daten machen. Künstliche Intelligenz lautet das Stichwort, und dies nicht nur mit Fokus auf das von Google stark promotete ,deep learning‘. Achenbach setzt in vielen Lösungsansätzen auf das ,unsupervised machine learning‘. Die Idee dahinter: Das Walzwerk versucht, in den Daten Muster zu erkennen, die vom strukturlosen Rauschen abweichen, um im Idealfall eine Handlungsempfehlung an den Betreiber abzugeben – wie beispielsweise die Bestellung eines Ersatzteils bei Achenbach. „An diesen und ähnlichen Applikationen arbeiten wir derzeit mit unseren Partnern“, berichtet Feist, und dabei man spürt auch etwas Stolz auf die Leistung seines hochmotivierten Entwicklungsteams. „Heute bieten viele Automatisierer Cloud-Lösungen und Datenanalyse am Markt an. „Wir bei Achenbach haben da vielleicht einen gewissen Vorsprung und arbeiten intensiv daran, diesen nicht nur zu halten, sondern weiter auszubauen“. Denn Roger Feist hat das Ziel, gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen grundlegend und in einem umfassenden Sinn neue Möglichkeiten für die Produktionsverbesserung in Walzwerken zu schaffen – eben echte Innovationen auf den Markt zu bringen, und das passt gut zur Geschichte von Achenbach Buschhütten.