Pierer scheidet bei KTM-Mutter aus : Bajaj übernimmt Mehrheit an KTM

Um den Sanierungsplan der KTM AG, über den die Gläubiger am 25. Februar abstimmen sollen, wird noch gerungen.

Bajaj stellt Mittel für KTM-Rettung zur Verfügung - Stefan Pierer scheidet aus Vorstand der Mutter Pierer Mobility aus.

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"Heute haben wir die Chance bekommen, die Geschichte von KTM fortzuschreiben", so KTM-CEO Gottfried Neumeister in einer Stellungnahme. Die bestehenden Standorte, insbesondere das Stammwerk in Mattighofen/Munderfing, bleiben "die Basis für unseren zukünftigen Erfolg", so der Vorstandschef. Er empfinde "tiefe Dankbarkeit und Demut" gegenüber allen, die "diese neue, zweite Chance" mitermöglicht hätten. Explizit bedankte sich der CEO auch bei Stefan Pierer, der "den Grundstein für eine der bekanntesten Motorradmarken der Welt gelegt" habe.

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Bajaj gewährt der KTM demnach ein Darlehen in der Höhe von 450 Mio. Euro, weitere 150 Mio. Euro kommen von der Mutter Pierer Mobility. Zur Finanzierung der Quote im Rahmen der drei Restrukturierungspläne sind 525 Mio. Euro erforderlich, hinzu kommen noch Gerichtskosten etc.

Bajaj wird - vorbehaltlich der regulatorischen Genehmigungen - die 100-Prozent-Mehrheit an der Pierer Bajaj übernehmen. Dieses Gemeinschaftsunternehmen von Stefan Pierer und den Indern hält derzeit 74,18 Prozent der KTM-Mutter Pierer-Mobility. An der Pierer Bajaj wiederum sind derzeit Stefan Pierers Pierer Industrie AG zu 50,1 Prozent und die Bajaj Auto International Holdings B.V. in den Niederlanden zu 49,9 Prozent beteiligt. Künftig hätte nun Bajaj das Sagen. Die Pierer Mobility AG habe eine Garantievereinbarung sowie einen Aktienverpfändungsvertrag mit der niederländischen Bajaj Auto International Holdings B.V. geschlossen.

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Bajaj will 100-Prozent-Mehrheit an Pierer Bajaj übernehmen. - © Bajaj

Pierer scheidet aus Vorstand der Pierer Mobility aus

Der langjährige KTM-Chef Stefan Pierer scheidet nach Abschluss des Sanierungsverfahrens im Juni aus dem Vorstand der Mutter Pierer Mobility aus. Der Aufsichtsrat beruft Verena Schneglberger-Grossmann, die seit November 2015 für die Gruppe tätig ist, als neues Mitglied in den Vorstand, wo sie CEO Gottfried Neumeister unterstützt.

Bereits in der Nacht auf Dienstag hatte das Unternehmen bestätigt, dass es Finanzierungszusagen zur Erfüllung der 30-Prozent-Barquote im Insolvenzverfahren erhalten habe. Mit den Details hielt man sich aufgrund des laufenden Signing-Prozesses noch bedeckt, es galt aber als sicher, dass der Geldgeber der indische Miteigentümer Bajaj ist, der über die Pierer Bajaj AG an Pierer Mobility beteiligt ist. Die Nachricht hatte für Erleichterung im Innviertel und für ein Plus beim Aktienkurs von Pierer Mobility gesorgt.

Deadline für Quote am Freitag

Ende November 2024 war KTM insolvent geworden und beantragte ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung. 1.250 Lieferanten und Banken sowie 2.600 Dienstnehmer meldeten Forderungen in der Höhe von rund 2,2 Mrd. Euro an. Der am 25. Februar von den Gläubigern mehrheitlich angenommene Sanierungsplan sieht eine Barquote von 30 Prozent vor. Das Geld - rund 600 Mio. Euro - muss demnach bis 23. Mai um 24 Uhr bei Sanierungsverwalter Peter Vogl erlegt sein, ansonsten wäre ein Konkurs unausweichlich.

Um dieses Geld aufzubringen, war ein Investor nötig. Bereits im Dezember hatte die KTM-Mutter Pierer Mobility die US-Investmentbank Citigroup mit einem Suchprozess beauftragt. Bajaj war dabei immer eine Option. Das indische Familienimperium schoss nach der Insolvenz bereits mehrfach Geld zu, um Neustart und Fortführung des Werks, das von 13. Dezember bis 17. März stillgestanden war, abzusichern. Mit Anfang Mai wurde die Produktion allerdings erneut heruntergefahren, weil die Lieferketten unter der Insolvenz gelitten hatten und man keine Bauteile mehr hatte. Am 28. Juli soll die Produktion wieder hochgefahren werden.

Stefan Pierer gibt sein "Lebenswerk" KTM aus der Hand

Sein "Lebenswerk", wie er den Motorradhersteller KTM selbst sieht, hat der Steirer Stefan Pierer mittlerweile aus der Hand gegeben. Nach der Annahme des Sanierungsplans der insolventen KTM AG Ende Februar schied er endgültig aus dem Vorstand aus, bei der KTM-Mutter Pierer Mobility AG wird er dies nach Abschluss des Verfahrens ebenfalls tun und sich auch als Aktionär zurückziehen (müssen). Der 68-jährige Pierer hat den Motorradhersteller groß gemacht, bevor der Absturz kam. 

Nicht das erste Mal geriet KTM 2024 finanziell in der Bredouille. Schon 1991 war der Motorradhersteller mit Sitz in Mattighofen (Bezirk Braunau) in die Pleite geschlittert und in vier Firmen zerteilt worden. Pierer übernahm daraufhin die Motorrad-Produktion. 33 Jahre später musste das Unternehmen erneut Insolvenz anmelden. Pierer wollte es wieder sanieren und sagte: "Die Marke KTM ist mein Lebenswerk und dafür kämpfe ich" - wenn auch nicht mehr als Chef. 

Mit Gottfried Neumeister habe er "den perfekten Nachfolger" gefunden. Er sei "fest davon überzeugt, dass er das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft führen wird". Die industrielle Motorradproduktion des Unternehmens begann 1953 als Kronreif-Trunkenpolz-Mattighofen (KTM). Bereits 1934 hatte Hans Trunkenpolz eine Spenglerei und Autowerkstatt gegründet. 1984 wurde mit Heinz Kinigadner auf KTM zum ersten Mal ein Österreicher auf einem österreichischen Rennmotorrad Motocross-Weltmeister.

KTM Stefan Pierer
Stefan Pierer machte KTM zum größten europäischen Motorradhersteller. - © KTM

1992 übernahm Pierer Motorradproduktion

Nach der Insolvenz 1991 wurde KTM in vier Firmen zerteilt: Motorrad, Fahrrad, Kühler und Werkzeugbau. KTM-Fahrrad ging an Hermann Urkauf, dessen Familie das Unternehmen noch heute führt und darauf Wert legt, nichts mit der Pierer'schen Motorrad-Firma KTM AG zu tun zu haben. Die Motorradproduktion übernahm 1992 Stefan Pierer mit seiner Cross Industries und der Aufstieg begann: Das erste Straßen-Motorrad wurde 1994 präsentiert. 1996 ging das Unternehmen an die Börse. 1999 entstand ein neuer Firmenhauptsitz in Mattighofen mit vier Fertigungslinien. Der erste Rallye-Dakar-Sieg mit dem Italiener Fabrizio Meoni 2001 läutete eine 18-jährige Serie von Siegen ein.

2007 stieg die indische Bajaj-Gruppe bei KTM ein, die mit ihren millionenschweren Geldspritzen nun den Konkurs von KTM abwendete. 2008 wurde der X-Bow, ein KTM-Fahrzeug auf vier Rädern, präsentiert, bleibt aber unter den Erwartungen. Das Land Oberösterreich griff KTM in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 mit einer Haftung in Höhe von 33,6 Mio. Euro unter die Arme. 2013 übernahm die KTM-Gruppe die Marke Husqvarna. 2016 debütierte KTM in der MotoGP.

Von Juni 2022 bis Dezember 2024 war der Unternehmer Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich, kritisiert in der Funktion die hohen Lohnnebenkosten, warnt vor der Abwanderung der Industrie und fordert eine längere Lebensarbeitszeit. Nach der KTM-Insolvenz zog er sich aus dieser Funktion aber zurück. Generell hat sich Pierer seither deutlich rarer gemacht. Dicke Luft herrscht zwischen Pierer und Stephan Zöchling. Der Remus-Chef ist auch Vorstand in der Pierer Industrie und Aufsichtsratschef der KTM-Mutter Pierer Mobility, er war auch als ein möglicher KTM-Investor im Spiel. Pierer soll Aktien an Zöchlings Dabepo Holding verpfändet haben, die dieser nun mangels Rückzahlung nun offenbar zu Geld machen will. Es geht um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag.

Nach wie vor sitzt Pierer in den Aufsichtsräten von Pankl Racing Systems AG, SHW AG, Mercedes-Benz Group AG und ist stellvertretender Vorsitzender des Universitätsrates der Montanuniversität Leoben, wo er einst Betriebs- und Energiewirtschaft studiert hat. Zuletzt übernahm er mit dem Robau-Konsortium aus Pierer Industrie, Mark Mateschitz Beteiligungs GmbH und zwei der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich zuzuordnenden Firmen die Mehrheitsbeteiligung am oberösterreichischen Feuerwehrausrüster Rosenbauer. 

Stefan Pierer, Mark Mateschitz und zwei Gesellschaften der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich sind bei Rosenbauer eingestiegen.