Daten als Assets : Wie Maschinenbauer Daten bilanzieren
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Bernhard Lückert leitet ein Data Science Team bei einem mittelständischen Maschinenbauer in Süddeutschland. Er und seine Mannschaft entwickeln auch erste Ideen, wie sie maschinelles Lernen in die Prozesse und Produkte integrieren können. Doch meist scheitern die Projekte an den finanziellen Ressourcen des Mittelständlers. Es mangelt am Geld. Lückerts Probleme kennt Michael Welsch nur zu gut.
Welsch ist Maschinenbauer und gründete nach seinem Studium in Hamburg sein erstes Unternehmen. PANDA hieß die Firma und nutzte Machine Learning um Prozesse in der Industrie zu optimieren – ein potenzieller Partner von Lückert. Doch die Industrie und vor allem der Mittelstand zierte sich oft. „Die Projekte waren sehr mühsam, da die Verantwortlichen oft nur kleine Budgets genehmigt bekamen, immer wieder nachverhandeln mussten. Das Thema ROI stoppte manches vielversprechende Projekt schon in der Startphase“, blickt Welsch zurück. Lückert stimmt ihm da sicher zu. Machine Learning rechne sich nicht über Nacht – vor allem in industriellen Prozessen brauche es Durchhaltevermögen, so der Hamburger.
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Daten stellen keine Assets wie Maschinen da, die im Aktiver-Vermögen der Firma auftauchen.Michael Welsch
Mehr Geld gab es nicht, Welsch musste sich etwas einfallen lassen. Finanzwesen und Buchhaltung waren ihm fremd, interessierten ihn bisher nicht - bis er auf ein Paper stieß. „Unternehmen bilanzieren ihre Daten aus der Produktion oder von ihrem Kunden nicht. Sie stellen keine Assets wie Maschinen da, die im Aktiver-Vermögen der Firma auftauchen“, erklärt Welsch. Das wunderte den Norddeutschen, denn Daten beispielweise aus einem Data Lake haben einen Wert für Unternehmen und mit einer Aktivierung dieser in der Bilanz könnten sich Machine Learning-Projekte leichter finanzieren lassen.
Welsch trennte sich von PANDA, gründete sein neues Unternehmen Metric Space, durchforstete Fachliteratur für Bilanzierung und Controlling und erinnerte sich an die späten 90er Jahre. Damals drängten die ersten Softwareunternehmen in die Öffentlichkeit, auf die Aktienmärkte und die Firmen hatten „nur“ Software als Asset. „Das war ein stückweit unfair gegenüber den Autobauern, die tausende von Maschinen im Bestand hatten. Also wurden die rechtlichen Grundlagen geschaffen, damit auch Software ein Asset ist.“
Die Möglichkeiten zur Nutzung für Automatisierung und Optimierung sind vielfältig, und dieser potenzielle Nutzen bestimmt den Wert.Michael Welsch
Welschs Idee: Der Maschinenbauer entwickelte in den letzten Monaten eine Lösung auf Basis eines Foundation Ansatzes. Ein neuronales Netz lernt, den Data Lake eines Unternehmens zu zerlegen und wieder zu rekonstruieren, was es nur kann, wenn es Schritt für Schritt die inneren Zusammenhänge modellieren lernt. Die KI-Software wird dann stellvertretend für den eigentlichen Data Lake in der Bilanz des Unternehmens aktiviert. In der Speicherung der inneren Zusammenhänge der Daten steckt das für eine Aktivierung wesentliche Unterscheidungsmerkmal gegenüber einer klassischen Datenbank. Anwendungen werden konzeptionell ausdrücklich erst nach der Aktivierung umgesetzt, so dass das Verständnis der Daten und die einfache Nutzbarmachung bereits den Wert darstellen, also bevor die KI überhaupt zum Einsatz kommt.
„Wir haben nun ein firmeninternes KI-Modell, dass eine Datenquelle einlesen und eine andere generieren kann. Hierauf nehmen wir beispielsweise durch ein einfaches Was-wäre-Wenn Prompting Einfluss. Die Möglichkeiten zur Nutzung für Automatisierung und Optimierung sind vielfältig, und dieser potenzielle Nutzen bestimmt den Wert. Der ergibt sich dann schließlich aus der Dokumentationsarbeit für die Wirtschaftsprüfer“, lacht der Gründer. „Und ja, es ist legal, auch wenn es wie ein finanzjuristischer Trick erscheinen mag“, schiebt er schnell hinterher. „Die KI weiß ja auch nicht mehr, als das, was bereits in den Daten des Data Lakes drinnen steckt. Während die Daten alleine nicht aktivierbar sind, ist es der systematische Prozess zur Nutzung von Daten schon. Das ist der Kniff. Das wäre manuell viel zu aufwändig. Ein Grundstück und ein Patent sind ja auch bereits Assets, wenn ich darauf etwas bauen kann, obwohl ich es noch nicht getan habe. Das gleiche gilt für einen Data Lake. Den kann ich mir eben auch für zukünftige Einsparungen und Optimierungen anschaffen, nur dass mit diesem Trick nun kein Loch mehr im Jahresabschluss klafft und das Thema ROI vom Tisch ist.“
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Welsch präsentierte seine Idee einigen Auditoren und großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen. „Die waren ob der Einfachheit so wie wir selbst überrascht und gaben ihren Segen, brauchten aber immer wieder eine Machine Learning-Expertin oder einen Experten, um die Software bewerten zu können“, schildert er seine Erfahrung.
Die Bilanzierung funktioniert in Deutschland, aber ähnliche Regeln gibt es auch in den USA. Welsch will in Zukunft große Unternehmen mit eigenen Datalakes als Kunden gewinnen. Mit den ersten Unternehmen spricht er schon. „Wir wollen die Dokumentationstemplates lizenzierbar machen und die Erstellung für den Auditor automatisieren.“ Für Lückert und sein Team könnte der Ansatz von Welsch die Lösung sein. Die Bilanzierung von Daten wird kommen, da ist er sich sicher – auch für den Maschinenbau.