Motorenbau : Wie Steyr Motors den Wandel zum Lohnfertiger schaffen will
Herr Kollegger, war Prestigekunde Neander Shark der Grund, warum Sie heute bei Steyr Motors die Geschicke der Montage leiten?
Kollegger: Richtig. Ich war zuvor bei Magna Powertrain tätig, wo ich für die Projektleitung Produktion der Allradmodule Power Take Off und Rear Drive Unit zuständig war und ein Team bestehend aus 40 Mitarbeitern führen durfte. Letztes Jahr im März wechselte ich dann für einen Großauftrag von Neander Shark nach Steyr. Zum ersten Mal tritt Steyr Motors als Lohnfertiger für die Fertigung eines Außenbootmotor auf.
Ist denn die Rolle des Lohnfertigers Neuland für Steyr Motors?
Kollegger: Im Grunde schon. Bis dato lag der Schwerpunkt vor allem in der Entwicklung von Motoren für den Kunden. Wir sprechen hier von kleinen Losgrößen. Geht es nach unserem Geschäftsführer soll sich das künftig aber ändern.
Soll also die Produktion künftig umsatzmäßig den Ton angeben?
Kollegger: In diese Richtung soll es gehen ja. Projekte, wie das von Neander Shark haben zur Zeit eine Laufzeit von drei Jahren. Damit wollen wir eine stabile Basisauslastung schaffen. Die Montage soll den Betrieb auch allein halten können.
Und was bedeutet das in Zahlen?
Kollegger: Zum Vergleich: Derzeit produzieren wir für Neander 300 Stück pro Jahr. Die Kieler möchten ab 2020 1.500 Motoren pro Jahr geliefert bekommen. Derzeit beträgt unsere gesamte Produktion pro Jahr 1.000 Motoren. Das heißt, allein der Auftrag von Neander sorgt dafür, dass sich unsere Kapazitäten deutlich steigern werden.
Und Neander ist nicht der einzige Kunde, der höhere Stückzahlen will.
Kollegger: Richtig. Ich rüste unsere Montage gerade für die Produktion von vier parallelen Produkten, die alle in einer höheren Losgrößen-Liga spielen.
Am Einstieg in das Segment Bahn hat Steyr Motors drei Jahre lang gearbeitet und es bei einem im Haus entwickelten Motor für die Verschublok von Siemens geschafft. Ein so großer Konzern als Kunde, wie ist das?
Kollegger: Es ist ein sehr herausfordernder Kunde. Dieser Vertrag läuft bis 2025 mit Option auf Folgeaufträge. Es gilt absolute Liefertreue zu halten. Heute verlässt alle drei Tage ein komplettes Diesel-Power-Modul unsere Bänder und wird direkt nach München geliefert, um den Bedarf zu decken. Das ist ein großer Druck. Bis jetzt ist es uns aber gut gelungen.
Gibt es „Puffer“ in der Montage, um Materialstauzeiten zu verringern?
Kollegger: Ja. Indem wir mit kleinen Losgrößen arbeiten. Sollte es dann zu Abweichungen kommen, können wir das Halbfabrikat über unser Werkstückträgersystem zu jedem Zeitpunkt ausschleusen.
Wie viele Motoren produzieren Sie derzeit für Siemens?
Kollegger: Für heuer haben wir einer Fertigung von 20 Stück zugesagt, aber die Anfrage für 40 Stück ist bereits da.
Wieder eine Verdoppelung ...
Kollegger: Damit verfolgen wir den Weg weiter, den wir als Unternehmen in den letzten Jahren eingeschlagen haben. Eine stabile Auslastung in der Montage und der Wandel vom Motorenentwickler zum Systemanbieter.
Zurück zu dem Beispiel aus Kiel: Von 300 auf 2.000 Stück in nur zwei Jahren. Wie wollen Sie diesen Sprung für Neander-Auftrag schaffen?
Kollegger: Mit mehr Mitarbeitern und ein äußerst fein-abgestimmtes Operator Balancing, das den Outcome an der Montagelinie über den Mitarbeiter und flexible Arbeitsplätze regelt.
Bei zwölf verschiedenen Motortypen, die Sie derzeit produzieren, braucht es viel Erfahrung und Know-how. Trifft Sie hier der Fachkräftemangel?
Kollegger: Eigentlich nur mittelmäßig. Wir holen uns unser Personal von Kfz-Werkstätten und Leasingfirmen. Das Problem ist eher, wie sich der Mitarbeiter ins Team fügt. Wer aber in die größere Serienfertigung will, braucht andere Teamstrukturen.
Und wie sieht die perfekte Teamstruktur aus?
Kollegger: Ich setze auf kleine Teams von maximal sieben Personen mit jeweils einem Teamsprecher. Dieser organisiert sich sein Team selbst und sorgt dafür, dass Wochenziele eingehalten werden. Ziel ist es, dass jeder Mitarbeiter als Unternehmer im Unternehmen fungiert.
Was wäre so ein Wochenziel?
Kollegger: 50 Motoren pro Woche wären aus derzeitiger Sicht ein schönes Wochenziel. Dafür braucht es eine tägliche Abstimmung, wo Abweichungen aufgezeigt werden können und entsprechend reagiert werden kann.
Sind neue Technologien, wie Google Glass für Sie Thema?
Kollegger: Ich finde das ist noch nicht genug ausgereift. Wir sind aber mit anderen Anbietern in Kontakt, die ähnliches auf den Markt bringen wollen.
Als Beispiel: Ein Diesel-Power-Modul für Siemens hat bis zu 1.400 Teile, wären dann solche Assistenzsysteme nicht eine ziemliche Erleichterung für Ihre Mitarbeiter?
Kollegger: Sobald bei uns ein Basis-Produkt auf das Serienband geht, explodiert nach 20 Prozent der Montage die Variantenvielfalt und da werden solche Lösungen schwer. Ich kann höchstens einer Pick-by-Light-Lösung zum Kommissionieren und Montieren noch etwas abgewinnen oder den ergonomischen Arbeitsplätzen, die sich dem Mitarbeiter anpassen.
Während Steyr bislang das Entwicklungsherz war, produziert Ihr chinesisches Schwesterwerk auf Masse. Kann man trotzdem voneinander lernen?
Kollegger: Eigentlich nicht, da unsere Produktionsabläufe nur sehr schwer miteinander vergleichbar sind. Mit 2.000 Stück bewegen wir uns immer noch in der Kleinserienfertigung. In China hingegen werden hauptsächlich zwei Motortypen produziert. Die Linien dort sind aber auf bis zu 10.000 Stück ausgerichtet.
Dennoch nehmen hiesige Lohnfertigungsaufträge zu, gilt es die Montage zu optimieren? Kommen bald die Roboter?
Kollegger: Ja, aber eher in der Qualitätssicherung. Z.B. wenn wir Flächendichtmittel auftragen oder Verschraubungen durchführen. Hier werfen wir einen genaueren Blick in das chinesische Werk. Montageroboter oder fahrerlose Transportsysteme zahlen sich für uns aber nicht aus. Noch nicht.
Mit einem chinesischen Eigentümer ergeben sich also fast keine Synergien?
Kollegger: Oh doch, die gibt es durchaus. Das betrifft aber vor allem den Einkauf von Gleichteilen.
Was verstehen Sie unter Gleichteilen?
Kollegger: Das sind Teile, die wir beide in unseren Motoren verbauen. Gussbauteile, wie ein Motorblock oder – gehäuse sind sehr interessant. Wir profitieren hier ganz klassisch von Skalierungseffekten. Indem wir diese Bauteile über China in Massen kaufen, senken wir unsere Materialkosten.
Und wie steht es um die Qualität dieser chinesischen Gussbauteile?
Kollegger: Sagen wir durchwachsen. Aber man muss dazusagen, dass qualitative Schwankungen bei chinesischen Lieferanten genauso vorkommen wie im Rest der Welt, deshalb braucht es eine laufende, strenge Qualitätskontrolle. Die finale Entscheidung, mit wem gearbeitet wird, treffen wir gemeinsam.
Und jetzt umgekehrt: Als Tochter einer chinesischen Investorengruppe. Was reizt das Land der Mitte an der Montage in Steyr.
Kollegger: Technisch gesehen sicher unsere Prüfstände und unser Fertigungs-Know-how.
Vielen Dank für das Gespräch! Das Gespräch führte Elisabeth Biedermann