Absicherung : Wie sich igus-Boss Frank Blase für die Zukunft rüstet
Schon einmal wurde für Frank Blase eine technologische Entwicklung fast zur Bedrohung. Als vor mehr als zehn Jahren induktive Datenübertragung und Wireless ihren industriellen Vormarsch feierten, war das für einen kabelgebundenen Zulieferbetrieb wie igus nicht gerade ein Fest. Die Kölner hatten zwar versucht, in diesem Feld mitzumischen, mussten aber schnell einen Rückzieher machen, denn „das war einfach nicht unser Kompetenzfeld“, gibt der igus-Chef heute zu. Zwar mag im Schachspiel industrieller Trends die induktive Energieübertragung so etwas wie das Bauernopfer gewesen sein – „was aber nicht heißt, dass andere hier viel Erfolg haben werden.“
So will sich igus künftig absichern
Lange hat es gedauert, bis die Fertigungswelt die Energieketten und Gleitlager aus Plastik akzeptiert hat – dennoch mauserte sich igus von der kleinen Garagenproduktion zum über 3.000 Mann starken weltweiten Zulieferbetrieb. Ein Indiz dafür, dass Blase schon immer feine Sensoren für die Stimmungen am Markt hatte. Dass heute technologische Sprünge nicht nur schneller gehen als früher, sondern noch dazu viel radikaler sind, weiß er nur zu gut. Will aber auch eine Absicherungstaktik gefunden haben: „Perfektion im Kerngeschäft und das Hegen und Pflegen von kleinen neuen Einheiten.“ Akquisitionen und Zukäufe passen da weniger in die Philosophie der Selbermacher. Kein Wunder also, dass igus mittlerweile in völlig neue Bereiche vordringt. Ob Billig-Automation mit Robolink oder das lukrative 3D-Druck-Geschäft, das markante igus-Orange blitzt mittlerweile überall durch.
Gibt es bald 3D-Drucker von igus?
Gerade bei Letzterem tun sich im Moment neue Möglichkeiten auf: „Der Markt explodiert vor Ideen“, so Blase. Interessant ist, dass immer mehr Kunden ihre Lagerbestände reduzieren und „on demand“, also vor Ort ihre Teile drucken wollen. Eigentlich für igus eine Gelegenheit, vom reinen Materiallieferanten ganz ins Geschäft mit den 3D-Druckern einzusteigen. Eine Gelegenheit, die Blase aber noch strikt verneint. Für ihn steht die Kompatibilität der igus-Materialien mit allen Druckern dieser Welt an erster Stelle. Zwar sind die Kölner bei Filament-Druckern schon besser im Geschäft, hingegen bei Lasersinteranlagen beginnt gerade die Qualifikation. Der Online-Copyshop ist seit einem Jahr aktiv.
Dass auch Hewlett-Packard (HP) mit Multi Jet Fusion um seinen Platz im 3D-Druck-Geschäft kämpft, tangiert den igus-Chef nur peripher, so schnell werde es allerdings keine igus-Patrone für HP geben können. Solche kleinen Einheiten zu größeren Umsatzbringern heranzuziehen, machen die Kölner mittlerweile auch in einem völlig anderen Feld: Der Robotik. Im Billigsegment, also unter 5.000 Euro, bieten sie mit Robolink eine Art Legobaukasten für den Mittelstand. Eine echte Zielgruppe gibt es dafür zwar nicht, dafür aber kuriose Käufer. „Erst kürzlich verkauften wir Teile an einen Kunden, der Schaufenster dekoriert“, erinnert sich Blase. „Mit Robolink dreht sich künftig dessen Schaufensterpuppe noch besser.“ Das erweiterte Komponentengeschäft fruchtet also, und das nicht nur wegen des attraktiven Preises, denn „der Plastikroboter ist variabler aufzubauen als seine metallenen Brüder“, so Blase.
Wie igus seine Energieketten überwacht
Die Perfektion im Kerngeschäft, dem Energiekettenprogramm von igus, treibt Blase mit digitaler Note voran. Mit „isense“ haben die Kölner das Schlagwort „Predictive Maintenance“ aufgegriffen und versuchen mit Überwaschungsmodulen ihre Kunststofflösungen intelligenter zu machen. Die Kölner können mittlerweile den Betriebszustand ihrer E-Ketten, insbesondere in Führungsrinnen bei langen Verfahrwegen, überwachen. Sensoren messen und überprüfen dabei durchgehend die Position der Energiekette. Auf diese Weise wird bei einer mechanischen Störung ein Weiterlaufen der Anlage und damit ein Totalschaden an der Kette verhindert.
Wer Blases größter Kritiker ist
Wie wichtig Frank Blase die Meinung seiner Kunden ist, zeigte sich kürzlich in seinem wohl größten Kritiker nach der Hannover Messe. Als Kundengag verteilten die Kölner dort Fidget Spinner mit igus-Lagern. Dass die Teile einen kleinen Fehler hatten, fand als Erster Blase Junior heraus. „Daddy, eure Teile sind Schrott“, blaffte der 10-jährige Sohn von Frank Blase und zeigte auf die herumliegenden Kugellager in seinem Kinderzimmer. Auch die Rezensionen auf Amazon entsprachen diesem Härtetest. Jetzt habe man es aber im Griff und der igus-Fidget-Spinner hat auch den Blase-junior-Test überstanden. Eindeutige Signale einer anziehenden Marktkonjunktur lassen also im Moment die Fertigungslinien von igus zur Höchstform auflaufen, aber trotz Produktionsboom – von Großspurigkeit merkt man bei den Kölner Kunststoffprofis nichts –, denn für den igus-Chef ist klar: „Man will ja hungrig bleiben.“
Wer igus ist
Die Geschichte von igus beginnt am 15.10.1964 mit Günter Blase in einer Doppelgarage in Köln-Mülheim. In den ersten zwanzig Jahren arbeitet igus als Zulieferbetrieb für schwierige technische Kunststoffteile. 1983 beginnt mit Frank Blase die Konzentration auf eigene Produkte - E-Ketten-Systeme und Gleitlager - und der Aufbau des eigenen Vertriebs. Von 1985 bis 2016 wächst igus von 40 auf über 2950 igus-Menschen, verteilt in der ganzen Welt.