Testlabor Elektromobilität : Wie sich AVL List für die Mobilitätswende rüstet
Dekarbonisierung und Digitalisierung sind die Mega-Themen für die Mobilität der Zukunft. In der EU passiert schon viel, um den guten alten Verbrennungsmotor durch neue Formen der Antriebstechnik in Pkw und Lkw eines Tages zu ersetzen. Doch das baldige Aus des Verbrennungsmotors wird so schnell nicht kommen. Bei der großen EU-Verkehrsforschungskonferenz Anfang dieses Jahres in Wien sprach es Verkehrsminister Norbert Hofer klar aus: „Wir machen keine Technologie-Vorgaben und wir werden im Zeithorizont bis 2030 in Österreich sicher nicht den Verbrennungsmotor verbieten, weil wir jetzt nicht wissen wie sich die Technik entwickelt.“ Pkw und Lkw werden in Zukunft entweder mit Brennstoffzellen, Batterien oder mit dem Verbrennungsmotor als Hybrid angetrieben, prognostiziert Professor Helmut List, CEO der steirischen Technologieschmiede AVL List in Graz. Gerade was letzteren betrifft sei die Forschung und Entwicklung zur Höchstform aufgelaufen und es werden künftig emissionsarme Verbrennungsmotoren zum Einsatz kommen. „Wir müssen auf diese drei Techniken setzen und sie in Zukunft nach ihren Stärken einsetzen, dann kann die vielzitierte Mobilitätswende gelingen“, ist List überzeugt. Bis 2030 werden weiterhin zu 70 Prozent die Verbrennungsmotoren den Ton angeben und die E-Mobilität wird die restlichen 30 Prozent abdecken. Die Zukunft hat in Graz längst begonnen, und erst kürzlich hat AVL List eines der modernsten Labors in Europa für das Testen von leistungsfähigen Batterien für den Elektro-Antrieb von morgen in Betrieb genommen.
Testdaten und Analysereports nicht unter Verschluss
In den neuen, hochmodernen Batterieprüfkammern des Labors werden Nutzfahrzeugbatterien mit Abmaßen bis zu 3x4m nach allen Regeln der Technik getestet. „Die Batteriesysteme werden dabei in speziellen Prüfkammern extremen Winterbedingungen mit bis zu -40°C oder Hitze bis zu +80°C und Luftfeuchtigkeit bis zu +98 % ausgesetzt. Unter diesen Belastungen müssen sie beweisen, dass das über die Kammer zugeführte Kühlmedium das Batteriesystem optimal auf Wohlfühltemperatur hält“, erklärt Lukas Walter, Executive Vice President Business Development und Global Operations, AVL gegenüber Factory. Neben der Validierung in Entwicklungsprojekten werden die Prüfkammern auch im Zuge des AVL Series Battery Benchmark Programms verwendet, bei dem Batteriesysteme aktueller am Markt befindlicher elektrifizierter Fahrzeuge auf Herz und Nieren auf den Prüfständen getestet und durch AVL Experten analysiert und bewertet werden. Anders als bei Entwicklungsprojekten, bei denen die Testresultate unter Verschluss gehalten werden, sind die Testdaten und Analysereports sofort erhältlich und können für Vergleiche herangezogen werden.
Natürliche Grenze in der Reichweite
Batterien sind in der Energiedichte physikalisch begrenzt. „Auch bei zukünftigen Technologien (z.B. Solid State, verfügbar ab dem Jahr 2025) wird es auf Zellebene nicht über 400 Wh/kg hinausgehen“, so Walter. Das heißt, es gibt aus Sicht der Nutzlast von Lkw eine natürliche Grenze in der Reichweite von rein batteriebetriebenen Fahrzeugen. Umgekehrt spielt besonders in urbanen und sub-urbanen Gebieten mit vielen Start- und Stopp-Vorgängen sowie einer Reichweitenanforderung von unter 200 Kilometer ein batteriebetriebener Lkw seine Vorteile aus. Da viele Städte die Emissionen reduzieren wollen, wird in verschiedenen Anwendungen die Batterie mit Größen von 50kWh bis 400 kWh eine Vorreiterrolle übernehmen. Für Überlandfahrten mit Entfernungen von mehr als 200 bis 300 Kilometer bzw. bei Anwendungen mit nur wenigen Standzeiten werden andere Technologien, wie zum Beispiel die Brennstoffzelle, interessant.
Brennstoffzellen-Technologie hat Vorteile
Die Brennstoffzellen-Technologie ist ein wichtiger Baustein für einen leistbaren, emissionsfreien und somit nachhaltigen Personen- und Gütertransport. Charakteristika wie schnelle Wiederbetankung, hoher Wirkungsgrad, große Reichweite und optimale Leistungsskalierbarkeit verbreitern die Anwendungsmöglichkeiten. Vor allem für schwere Nutzfahrzeuge und Applikationen mit großen Transportdistanzen bietet die Brennstoffzellen-Technologie Vorteile gegenüber dem Batterie-elektrischen-Antrieb. Außerdem haben Brennstoffzellen-Antriebe in Nutzfahrzeugen mittelfristig das Potential, eine bessere Gesamt-Kosten-Situation im Vergleich zum konventionellen Antrieb zu erreichen. Walter: „Der Nutzfahrzeug-Bereich ist unserer Einschätzung nach jener, der als erster diese Technologie in der Breite einführen wird.“ Er räumt aber gleichzeitig ein, dass die Brennstoffzelle kein Alleinstellungsmerkmal hat. Vielmehr kommt es in Zukunft darauf an, nach welchen Kriterien ein Pkw oder Lkw eingesetzt wird. Beim Antrieb wird es einen Technologie-Mix geben. Im städtischen Güterverkehr werden Batterie-betriebene Fahrzeuge den Ton angeben. Walter: „Auf langen Entfernungen werden sich Hybridlösungen durchsetzen.“ Das heißt Verbrennungsmotor und Brennstoffzelle sind in diesem Fall die primären Energieversorger im Fahrzeug. Mittel- bis langfristig wird die Brennstoffzelle den Verbrennungsmotor ersetzen.