Smart Glasses : Wie mobiles Eye Tracking den Anlagenbetrieb vereinfacht
Nils Berger bekam 2016 die Möglichkeit, ein auf mobiles Eye Tracking spezialisiertes Universitäts-Spin-off in ein Unternehmen zu überführen. Als ihm das dort entwickelte Funktionsmuster zum ersten Mal präsentiert wurde, sind ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Augen aufgegangen. „Mit Eye Tracking kann man das Blickverhalten des Menschen visualisieren und – als nächsten Schritt - digitalisieren. Man kann zum Beispiel über einen Live-Stream in Echtzeit erkennen, wo eine Person gerade hinsieht und was sie dabei wirklich wahrnimmt“, so Nils Berger, Viewpointsystem. Mit dem mobilen Eye Tracker von Viewpointsystem ist beispielsweise ein Arbeiter an der Maschine mit einem technischen Experten live verbunden. Das Blickfeld des Anlagenbedieners wird auf den Bildschirm des Experten gestreamt. Durch die zusätzliche Anzeige der Blickpunkte des menschlichen Auges sieht der Experte genau, worauf sich der Anlagenbediener fokussiert. Er kann ihm mittels Augmented Reality Anleitungen im Bild skizzieren, ihm nützliche Informationen auf die zur Brille gehörige Smart Unit schicken und ihn natürlich mündlich anleiten. Der Anlagenbediener hat die Hände frei für die Arbeit, was bequem ist und Zeit spart. „Das Eye Tracking verbessert die Kommunikation mit den Smart Glasses, macht sie schneller und intuitiver und überwindet zudem Sparbarrieren. In Zeiten zunehmender Internationalisierung, ausgelagerter Produktionsprozesse und nicht zuletzt der Pandemie wird so die Zusammenarbeit auf Distanz erleichtert“, sagt Berger.
Remote
Vor dem aktuellen Hintergrund von Reiseverboten und Social Distancing steigt die Nachfrage nach Remote Support-Lösungen. In vorherigen Firmen hatte Berger oft mit den Produktionsverantwortlichen von Unternehmen zu tun. Schnelle Störungsbeseitigung und die Unterstützung der Teams bei Service und Instandhaltung, über Ländergrenzen, Zeitzonen und Sprachbarrieren hinweg, waren immer die Top-Themen. Die Datenbrille mit integriertem Eye Tracking System ist für Berger die Lösung: „Die Datenbrille verbindet Menschen auf der ganzen Welt nicht nur über Audio und Video, sondern auch über die Schnittstelle der Augen.“
Zu den ersten Nutzern gehört der Smart Glasses zählt HPS (Hanseatic Power Solutions). Das norddeutsche Unternehmen baut elektrische Schaltanlagen für Einkaufszentren und Flughäfen und nutzt die Lösung aus Wien zur Optimierung des Kundenservices im In- und Ausland. Die Techniker von HPS unterstützen Reparaturen, Diagnosen oder Wartung bei Kunden vom Büro aus. Da die aktuellen Smart Glasses ganz auf den Remote Support ausgerichtet sind, erleichtern sie eine schnelle Störungsbeseitigung. Dazu braucht es lediglich WIFI und keine zusätzliche Infrastruktur. Berger ist von den Vorteilen der Brille, die nur 43 Gramm wiegt, überzeugt: „Die Brille kann unter Helmen bequem getragen werden. Sie ist robust und funktioniert auch bei Bewegungen und in fast allen Lichtverhältnissen zuverlässig.“
Schlüsseltechnologie aus Österreich
Das Start-up ist mittlerweile auf über 60 Mitarbeiter angewachsen. Obwohl das Start-up mehrmals die Möglichkeit hatte, ins Silicon Valley abzuwandern, blieb man dem Standort Österreich treu. „In den USA hätten wir sicherlich leichter hohe Finanzierungen erhalten. Aber wir haben uns bewusst für Europa und für Österreich entschieden“, sagt Berger. Eine EU-Förderung durch das EU-Programm „Horizon 2020“ hat die Wiener in ihrer Entscheidung bestätigt. Viewpointsystem erhielt die bis dato höchste Förderung in Österreich in der Förderschiene „Open Disruptive Innovation“, quasi der Champions League des Programms. Seit dem letzten Herbst entwickelt und produziert das junge Unternehmen nun die Datenbrillen im Technologiezentrum in der Seestadt Aspern. Die nächsten Entwicklungsschritte hat man bereits im Blick. „Unsere neuen Smart Glasses wird man mit den Augen bedienen können. Anwender werden Barcodes mit den Augen auswählen und durch die Brille auslesen können,“ schildert Berger.