Kreativität : Wie Kreativität die fünfte industrielle Revolution inspiriert
Mit ihrer interaktiven Ausstellung beim jährlichen Treffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) im schweizerischen Davos macht die ETH deutlich, wie Mensch und Maschine ihrer Ansicht nach künftig interagieren werden. Unter dem Motto Rethinking Creativity präsentiert die Ausstellung fünf innovative Prototypen, die das Zusammenspiel von menschlicher Kreativität mit wissenschaftlicher Erkenntnis und technologischer Entwicklung fassbar machen.
Kreative Anwendung der Quantenmechanik
Wer den ETH-Pavillon betritt, wird zunächst mit der Superposition konfrontiert, einem grundlegenden Prinzip der Quantenmechanik, nach dem es mehrere nebeneinander existierende Realitäten gibt. Bei ihrem Anblick würde sich Albert Einstein, Nobelpreisträger und Professor an der ETH Zürich, vermutlich im Grabe umdrehen: schwebende Kugeln, die mittels eines Magnetfelds an Ort und Stelle gehalten werden. Er würde es als „geisterhafte Fernwirkung“ bezeichnen, wenn eine Kugel in Drehung versetzt wird und eine davon völlig unabhängige und weit entfernte zweite Kugel – dem Phänomen der Quantenverschränkung folgend – beginnt, sich ebenfalls zu drehen. Im "Pond of Possibilities" oder "Teich der Möglichkeiten" können die Besucher anhand der Wellenausbreitung konkret erleben, wie Quanteninterferenz und qubits wirken. Vermutlich hat jeder schon einmal einen Stein ins Wasser geworfen und beobachtet, wie sich die Wellen in konzentrischen Kreisen nach allen Seiten ausbreiten. Ein zweiter ins Wasser geworfener Stein erzeugt ebenfalls Wellen, die das erste Muster überlagern. Wellen sind DAS zentrale Element der Quantenmechanik. Forschende, die sich mit der Quantenrechnung befassen, manipulieren Wellen so, dass eine bestimmte Interferenz und damit ein bestimmtes Resultat entsteht.
Ein Roboter mit kreativer Problemlösung
Die Vision von Robotern mit menschlicher Geschicklichkeit treibt Forschende in der Informatik und Robotik gleichermassen an. Der PuppetMaster schafft die Grundlage für die fünfte industrielle Revolution, indem er antizipiert, wie Roboter und Mensch in Zukunft kreativ und produktiv interagieren können. Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz lassen auf neue Generationen von Robotern hoffen, die vertrauenswürdige Gefährten, geschickte Kollegen und zuverlässige Assistenten für all diejenigen sein werden, die bei alltäglichen Aufgaben Unterstützung benötigen. In der Davoser Ausstellung nutzt der PuppetMaster numerische Simulationsmodelle, um Kugeln in Bechern zu platzieren und Marionetten zu bewegen. Genau wie Kinder in solchen Spielen ihre motorischen Kompetenzen und ihre Problemlösungsfähigkeiten schulen, sind auch Roboter in der Lage zu lernen. Der PuppetMaster bahnt damit den Weg für künftige
Grenzen zwischen physisch und virtuell verwischen
Technologie hat die Art und Weise, wie Kinder spielen, wie sie sich imaginäre Welten schaffen, ja sogar wie sie Aufgaben lösen, von Grund auf verändert. In der virtuellen Welt sind die Schwächen von traditionellem Spielzeug ausgeräumt, da Computer schon mit sehr wenig Input äußerst ausgefeilte, lebensechte Animationen erzeugen können. Das PuppetPhone wendet eine innovative Interaktionsmetapher an, um die Grenzen zwischen physischem Gerät und virtuellem Charakter zu verwischen. Dabei reagiert eine Marionette mittels Augmented Reality in Echtzeit auf die Bewegungen eines Smartphones. Die virtuelle Figur wird durch die Gesten des Nutzers so exakt manipuliert, als wäre sie fest mit dem Smartphone verbunden. In Rethinking Creativity baut sie einen Schneemann, der dann als Spielgefährte in einer imaginären Geschichte zum Leben erweckt wird.
Materialsparender 3D-Druck
Concrete Choreography ist eine Installation, die aufzeigt, welche Rolle neuartige digitale Technologien beim zeitgemässen Bauen spielen können. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei die Säule als tragendes architektonisches Element. In der gesamten Menschheitsgeschichte kommt ihr eine zentrale Rolle zu: Sie dient zur strukturellen Abstützung, hat aber auch ästhetische oder dekorative Aufgaben. Die in Davos zu bewundernden digitalen Säulen werden in weniger als zwei Stunden von einem robotergestützten 3D-Drucker aus einem schnell abbindenden Betongemisch erzeugt. Damit dies möglich ist, muss der 3D-Drucker hochauflösend arbeiten, d. h. Schichten mit einer Dicke von nur 5 Millimetern und einer Breite von 25 Millimetern drucken. Neben dem ästhetischen Appeal könnte der 3D-Druck den Weg zu einem umweltverträglicheren Bauen mit Beton eröffnen. Durch das Schichtverfahren können die Säulen hohl, ohne Schalung und mit weniger Material hergestellt werden, als dies bei herkömmlichen Methoden der Fall ist.
Roboter nach dem Vorbild der Natur
Um kreative Lösungen zu erhalten, müssen von Ingenieuren bis zu Künstlern die verschiedensten Talente Hand in Hand zusammenwirken. Diesen interdisziplinären Ansatz verfolgen auch die Maschinenbauer, die der Walking Canvas mittels Animatronik Leben eingehaucht haben. Die im Zuge des Pathos-Projekts am Wyss Zürich entstandenen Leinwände haben im Davoser Pavillon der ETH Zürich ihren ersten öffentlichen Auftritt. Sie bewegen sich autonom und imitieren dabei den menschlichen Gang. Die Zukunft der Robotikforschung kann sowohl faszinierend als auch beängstigend sein. Eines ist sie jedoch ganz sicher: kreativ. (ETH Zürich)