Inspektions-Drohnen : Wie im Fluge
Statistiken haben die Eigenschaft, schreckliche Ereignisse zu banalisieren. Sie können damit aber auch eine ganz eigene Wucht entfalten. Die US-Bundesbehörde OSHA, verantwortlich für Arbeitssicherheit und Unfall-Prävention, listet auf ihrer Website akribisch jeden einzelnen Arbeitsunfall, von dem sie Kenntnis erhält.
Tausende Todesfälle und Verletzungen in tabellarischer Form – darunter viele, die in „confined spaces“ geschehen sind, also in engen Räumen, die für Menschen weder konzipiert noch geeignet sind und die daher häufig für ungeplante Wartungen und Inspektionen betreten werden.
Die Dunkelziffer eingerechnet, geht die Behörde von rund 200 Todesfällen und 15.000 schweren Verletzungen in confined spaces aus. Alleine in den USA, in nur einem Jahr.
Die Ursachen sind vielseitig: Sauerstoffmangel oder das Auftreten von Stickgasen, gefährliche chemische oder biologische Reagenzien, Brand- oder Explosionsgefahr, mechanische Gefahren – und nicht zuletzt sind solche Arbeiten psychisch belastend.
Leicht und klein
Das oberösterreichische Unternehmen Aerovision Drone Support ist angetreten, daran etwas zu ändern. Aerovision arbeitet mit der Elios 2, einer Inspektionsdrohne des Herstellers Flyability, die für derartige Arbeiten prädestiniert ist. Eingehüllt in einen Schutzkäfig und ausgestattet mit 4K-Kamera kann die 1,5 kg leichte Drohne mit ihren weniger als 40 cm Durchmesser auch in Bereiche vordringen, die für Menschen kaum zugänglich oder gefährlich sind.
„Inspektionsdrohnen sind nicht dafür konzipiert, die menschliche Arbeitskraft prinzipiell zu substituieren“, sagt Aerovision-CEO Markus Rockenschaub, „aber wenn es darum geht, gefährliche oder belastende Einsätze von Mitarbeitern zu verhindern, können und werden sie einen enormen Beitrag zur Arbeitssicherheit leisten.“
Use Cases in der Industrie
Wie das geht, hat das Aerovision-Team schon mehrmals unter Beweis gestellt. Etwa im Rahmen eines Proof of Concept beim Energieversorger Energie AG: Die Aufgabe lautete, einen 200 Meter hohen Kamin von innen zu inspizieren und auf Schäden zu überprüfen. Wo normalerweise Gerüste aufgebaut werden müssen – oder Industriekletterer zum Einsatz kommen –, erledigte die Drohne die Inspektion ohne weitere Hilfsmittel und vor allem ohne jedes gesundheitliche Risiko innerhalb von zwei Stunden.
Im Fall der voestalpine ging es darum, einen Schwerlast-Kran in einer Halle zu inspizieren. Die Herausforderung bestand darin, die komplette Infrastruktur in einer Höhe von 20 Metern zu befliegen. Der Einsatz der Elios 2 ersparte nicht nur das Errichten eines Gerüsts, sondern verhinderte auch, dass das Gerät stundenlang außer Betrieb gehen musste.
Beim oberösterreichischen Energieunternehmen Energie Contracting Steyr musste ein 75 Meter hoher Kamin auf Sanierungsbedarf überprüft werden. Binnen zwei Stunden suchte die Drohne den kompletten Kamin auf Abplatzungen, Risse und sonstige Schäden ab, während ein Spezialist für feuerfeste Mauerungen die Schäden auf einem großen Field-Monitor begutachten, bewerten und dementsprechende Maßnahmen für die Sanierung festlegen konnte. Mit herkömmlichen Methoden hätte die gesamte Inspektion mindestens zwei Mann-Tage in Anspruch genommen.
Ein klassisches Einsatzgebiet von Inspektionsdrohnen sind auch Tanks oder Kessel. Normalerweise wird nach Entleerung, Spülung und mehrtägiger Trocknung im Inneren ein Gerüst errichtet, das den Mitarbeitern ermöglicht, jeden Winkel zu untersuchen. Die Wartungsarbeiten erfolgen also in einem dunklen und engen Umfeld, in dem noch dazu Sturzgefahr besteht.
Meist kein Wartungsbedarf
Menschliches Leid zu verhindern, ist ein nobles Ziel, doch Aerovision argumentiert auch mit ökonomischen Aspekten. Ein wesentlicher Punkt: Nicht jede Inspektion löst auch Wartungsarbeiten aus. Tatsächlich wird in nur zehn bis 20 Prozent aller Inspektionen ein Fehler gefunden, der Wartung notwendig macht.
„Die zeitraubenden Vorbereitungen sind aber in beiden Fällen die gleichen“, sagt Markus Rockenschaub, „Gerüste und Sicherungseinrichtungen müssen installiert werden, in vielen Fällen auch Beleuchtung.“ Wenn der Einsatz einer Indoor-Inspektionsdrohne Wartungsbedarf ergibt, führt daran kein Weg vorbei. Doch in den 80 bis 90 Prozent der Fälle, in denen die Drohne „grünes Licht“ gibt, ersparen sich Unternehmen neben Geld auch sehr viel Zeit.
Auch Arbeitszeit: Während ein Drohnenpilot die Inspektion durchführt, bleiben die Instandhaltungs-Techniker für andere Aufgaben freigespielt.
Massive Einsparungen
Hinzu kommt: Visuelle Inspektionen gehen schnell ins Geld. Einerseits müssen die zu untersuchenden Anlagen in den allermeisten Fällen stillgelegt werden. Andererseits ist etwa der Einsatz von Industriekletterern ziemlich kostspielig, ebenso das Errichten von Gerüsten und Sicherheitseinrichtungen. Einer Schätzung des Shell-Konzerns zufolge entfallen rund 98 Prozent der Inspektionskosten auf Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen sowie vorbereitende Arbeiten – und nur zwei Prozent auf die Inspektion selbst.
Die Unternehmensberatung Roland Berger hat untersucht, welche Einsparung der Einsatz von Drohnen in der Inspektion von großflächigen und schwer zu erreichenden Infrastrukturbereichen bewirken kann. Die Ergebnisse sind eindeutig: Bei der Inspektion von Windkraftanlagen rechnen die Berater mit rund 50 Prozent potenzieller Einsparung, bei Lagertanks sind es 70 Prozent und bei Ölplattformen bis zu 90 Prozent.
Ein psychologisches Dilemma
Die hohen Kosten führen zu einer paradoxen Situation: Regelmäßige Inspektion und Wartung haben zum Ziel, Anlagen möglichst lange und möglichst störungsfrei betreiben zu können. Zumindest unbewusst scheuen viele Anlagenbetreiber aber die Investition.
Die Folge: Oft wird erst eingegriffen, wenn tatsächlich ein Schaden eingetreten ist – und damit wird es meist noch teurer. „Inspektionsdrohnen bringen also nicht nur Kostenvorteile für den einzelnen Anlagenbetreiber“, sagt Markus Rockenschaub, „sie senken auch die Hemmschwelle, Geld in Inspektion und Wartung zu investieren und sorgen damit für mehr Sicherheit.“