Energieeffizienz : Wie GW St. Pölten seinen Energiehunger zähmte
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Irgendwie ist es schon komisch: Für ungefähr 30 Prozent des Gesamtenergiebedarfs der Alpenrepublik zeichnet die produzierende Industrie verantwortlich – und trotzdem wird dieser nicht so richtig wahrgenommen. Während bei den Haushalten und dem Verkehr, den beiden anderen Energieschluckern des Landes, seit Jahren Lösungen für Energieeffizienz und -einsparungen diskutiert werden, steht der produzierende Sektor erst seit Kurzem im Fokus. Die schwer abschätzbaren Auswirkungen auf den unternehmerischen Erfolg und die Investitionskosten sah man lange Zeit als unüberwindbare Hemmschuhe in Richtung ressourceneffizienter Produktion. Böse Zungen behaupten freilich, dass das Thema erst mit dem Inkrafttreten des Energieeffizienzgesetzes so richtig an Fahrt aufgenommen hat.
Grüne Produktion durch ganzheitlichen Ansatz
Aber alles Schnee von gestern: In Zeiten steigender Energiekosten und bewussterer Konsumentscheidungen bedeutet eine energieeffiziente Produktion inzwischen einen echten Wettbewerbsvorteil. Immer mehr Unternehmen streben deshalb auch danach, ihre Produktionsstandorte nachhaltig zu betreiben. Und dieses „nachhaltige Betreiben“ war auch das Ziel des Leitprojekts „BaMa-Balanced Manufacturing“. Im Rahmen des Forschungsprojekts kooperierten 18 Partner aus Forschung und Industrie um anwendungsorientierte Lösungen zu finden. Neben mehreren Instituten der TU Wien beteiligten sich Industriepartner an der Entwicklung der Tools, welche bei einigen Anwenderfirmen dann auch prototypisch implementiert wurden. Das Ergebnis ist eine Reihe von Software-Tools zur Planung und Steuerung des Energiebedarfs in der industriellen Produktion, die es diesen Betrieben zudem ermöglichen, die Erfolgsfaktoren Energie, Zeit, Kosten und Qualität in der Fertigungs- und Betriebsplanung miteinander zu verbinden. Beim Energieeffizienz-Ansatz nach Balanced Manufacturing wird der Betrieb übrigens als Gesamtheit betrachtet und sowohl Produktionssysteme, Logistikeinrichtungen, Gebäude usw. in die Betrachtung mit einbezogen. Es gilt den (kompletten) Energiebedarf zu analysieren und durch angepasste Betriebsführungsstrategien zu optimieren.
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Warum Nachhaltigkeit auf allen Linien zählt
Und wenn man schon das Wort Nachhaltigkeit strapaziert, kommt man an einem Teilnehmer des Leitprojekts garantiert nicht vorbei. Schließlich gibt es kaum Betriebe, deren wirtschaftliche Ziele nachhaltiger und sozialer gestaltet sind, als die von GW St. Pölten. Erklärtes Ziel ist die Beschäftigung, Ausbildung und Integration von Menschen mit Behinderung unter Berücksichtigung aller gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Als eines von acht integrativen Unternehmen in Österreich beschäftigt man derzeit rund 520 Personen (30 Lehrlinge), 70 Prozent davon mit Behinderung. 2017 erwirtschaftete man in fünf Geschäftsfeldern (Metalltechnik, Elektrotechnik, Schilder/Werbetechnik, Textil und Dienstleistungen) einen Umsatz von ca. 24 Mio. Euro. „Man kann sich sicher sehr gut vorstellen, dass wir durch den hohen Anteil an behinderten Mitarbeitern einen wesentlich höheren Kostenaufwand haben. Wir müssen etwa Arbeitsplätze speziell adaptieren und dafür sorgen, dass auch das betriebliche Umfeld stimmt. Gleichzeitig müssen wir aber auch wettbewerbsfähig bleiben, ein verlässlicher Lieferant sein und gute Qualität abliefern. Und das funktioniert nur, wenn wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, unsere Prozesse zu optimieren und teilweise auch zu automatisieren. Allerdings nur soweit, dass wir durch die Automatisierung neue Arbeitsplätze schaffen und wir die Qualität unserer Produkte absichern bzw. Fehlerquellen reduzieren können“, skizziert Gerhard Nachförg, Geschäftsführer von GW St. Pölten, die Herausforderungen. Aus diesem Grund habe man sich auch entschieden am Projekt BaMa teilzunehmen.
Warum die Einzelteilfertigung ausgelagert wurde
Zwar sind die reinen Energiekosten nicht wesentlich für die Gesamtkosten der erzeugten Produkte, die im Rahmen des Projektes entwickelten Methoden waren aber dazu geeignet, den Betrieb der Maschinen und deren Produktivität zu optimieren. „Beispielsweise haben wir Einzelstücke oder Prototypen auf denselben Maschinen gefertigt, auf denen auch die Serienfertigung lief. Das hat zu langen Stillstandzeiten geführt, eben weil zwischendurch programmiert oder gerüstet werden musste“, erklärt Erich Krall, Energiebeauftragter und Bereichsleiter für die zentrale Beschaffungslogistik & Facility Management, einen Aspekt. „Unsere Lehre daraus war, dass wir die Einzelteilfertigung auf eigene Maschinen ausgelagert und so die produktive Zeit der Serienfertigungsmaschinen erhöht haben. Das hat auf beiden Seiten zu Kapazitätssteigerungen geführt und wir konnten zusätzliche Facharbeiter einstellen.“ Um vieles produktiver läuft inzwischen auch die Arbeit im Metallzuschnitt. Anstatt in Papierform landen die Aufträge nun via Display beim Mitarbeiter. „Der Kunde zahlt uns ja nur für den eigentlichen Schnitt, nicht für das Drumherum. Darum funktioniert das jetzt vollkommen Beleglos, wobei wir den dort beschäftigten Mitarbeitern nach Möglichkeit Raum für individuelle Entscheidungen lassen. Das hat bei diesen für einen enormen Motivationsschub gesorgt“, freut sich Nachförg.
Welche Methoden den Energieverbrauch senkten
„Wir haben schon viel erreicht, am Ende sind wir aber noch lange nicht“, bringt es Krall auf den Punkt. Derzeit beschäftigt man sich intensiv mit den Themen Heizung/Klima, Beleuchtung und Druckluft. „Im Bereich Klima konnten wir feststellen, dass der Kaltwasser-Satz auch Samstag und Sonntag gekühlt hat. Das haben wir jetzt abgestellt und Einsparungen von ca. 20 Prozent realisiert. Im Bereich Heizen arbeiten wir daran, dass wir unsere drei Heizzentralen auf zwei reduzieren“, erklärt Krall. Nicht weniger interessant ist auch das Thema Druckluft. „Derzeit haben wir keine frequenzgesteuerten Geräte im Einsatz. Durch den Austausch eines Kompressors auf ein intelligentes Modell und einen kritischen Blick auf die Frage, ob ich wirklich immer so einen hohen Luftdruck brauche, rechnen wir hier mit Einsparungen von rund 30 Prozent.“ Beim Licht soll es wiederum die Sonne richten. Bei Arbeitsplätzen, die durch Fenster erhellt werden, wird die (geplante) LED-Beleuchtung künftig automatisch gedimmt. Und zwar so, dass die Lux-Zahl über den gesamten Raum hinweg gleichbleibt und die Mitarbeiter keinen Unterschied bemerken. „Immerhin ist die Beleuchtung auch für rund 20 Prozent des Stromverbrauchs unseres Unternehmens verantwortlich. Da gibt’s ein großes Potenzial“, ist Krall überzeugt. „Wir sind noch immer nicht da, wo wir hinwollen. Und auch wenn das offizielle BaMa-Programm mit Ende 2017 ausgelaufen ist, gibt es für uns noch viel zu tun“, so Nachförg abschließend.