Entwicklung : Wie die Schweizer Bühler AG die Lebensdauer von Pumpen verlängerte

LCM Bühler Holenstein Schatz Winkler Plöckinger
© HERMANN WAKOLBINGER

Sie ist ein typischer Hidden Champion: Die Bühler AG aus Uzwil im schweizerischen Kanton St. Gallen. In jedem zweiten Auto, das weltweit vom Band läuft, sind Leichtbau-Druckgussteile verbaut, die mit Bühler-Technologie hergestellt wurden. In einer Entwicklungskooperation mit dem Linz Center of Mechatronics (LCM) ist es nun gelungen, die Lebensdauer der Pumpen in Carat-Druckgießmaschinen entscheidend zu verlängern. Geglückt ist das mit einem System-Update, das einen optimierten Druckverlauf im Hydrauliksystem zur Folge hatte. Als „Smart Pump Management“ wird dieses seit April in allen neuen Maschinen installiert. Die ersten Maschinen werden derzeit ausgeliefert. In einem halben Jahr könne man erste Bewertungen vornehmen. Ältere Maschinen können übrigens nachgerüstet werden – und das binnen vier Stunden.

Optimierungspotenziale durchleuchtet

Die Verfügbarkeit zu erhöhen und gleichzeitig die Wartungskosten zu senken, lauten konstante Zielvorgaben in der Fahrzeugindustrie. „Um die Ausfallsicherheit und Lebensdauer unserer Druckgießmaschinen weiter zu erhöhen, haben wir das gesamte Hydrauliksystem auf der Suche nach möglichen Optimierungspotenzialen durchleuchtet“, erklärt Roland Herde. Fündig geworden ist der Entwicklungsingenieur bei Bühler vor allem dank der Kooperation mit LCM. Schritt für Schritt haben die Linzer Hydraulikexperten die relevanten Prozesse und die dokumentierten Ausfälle analysiert und simuliert. Während dieser dreimonatigen Projektphase fanden die LCM-Entwickler schließlich einen konkreten Ansatzpunkt für eine Prozessverbesserung. „Wir hatten schon ziemlich früh vermutet, dass die hohen Druckanstiegsgeschwindigkeiten insbesondere für die Hydraulikpumpen eine enorme Belastung sind“, erklärt Bernd Winkler, Business Area Manager Drives bei LCM.

Therapie gegen drohenden Filmriss

Endgültige Gewissheit lieferten schließlich ein Data-Logging und Tests am eigens bei LCM aufgebauten Prüfstand. „Wenn man bedenkt, dass innerhalb von 50 Millisekunden der Druck von fünf auf 200 bar emporschnellt, ist das für alle Hydraulik-Komponenten eine enorme Belastung“, konkretisiert Winkler. Bei diesen Druckraten kann selbst ein Riss des Schmierfilms bzw. auch Kavitation – und damit eine extrem hohe Beanspruchung der Pumpenmechanik – nicht ausgeschlossen werden. „Unser Ziel war es daher, die Schaltraten zu drosseln ohne dabei die Zykluszeiten für die Produktion zu erhöhen“, präzisiert Andreas Plöckinger. Der LCM-Entwicklungsingenieur startete mit seinem Team im November 2016 die zweite Projektphase mit Vorversuchen am LCM. Dafür wurde ein Prüfstand für das Carat-Hydrauliksystem im hauseigenen Labor aufgebaut, um mit fünf unterschiedlichen Ventilvarianten die ideale Systemkonfiguration für die Steuerung zu entwickeln.

Auf Generalprobe in Uzwil folgt Feuerprobe in der Praxis

„Es ist uns in vergleichsweise kurzer Zeit gelungen, mit Proportionaldruckregelventilen und einer speziell entwickelten Steuerungssoftware den hydraulischen Druck etwas dosierter auf- und abzubauen und so die Belastung für die gesamten Hydraulikkomponenten zu reduzieren“, erklärt Plöckinger. Die erste Generalprobe für die Entwicklung erfolgte schließlich im Februar 2017 am Hydraulikprüfstand im Bühler-Werk in Uzwil.

Die Feuerprobe bestand das von LCM entwickelte Update schließlich im Praxistext bei einem Industriekunden von Bühler, der hochkomplexe Leichtbau-Komponenten für die Automobilbranche fertigt. „Wir haben uns dort mit drei Carat-Pilotmaschinen, die mit unserem System ausgestattet waren, unmittelbar in den laufenden Produktionsprozess integriert. Damit haben wir die Pumpen über unsere Blackbox – eine Industrie-SPS – direkt angesteuert und auch die Messungen inklusive Auswertungen entsprechend durchgeführt. Dass unser System in der Produktion ohne Probleme laufen musste, war uns von Anfang an klar“, erinnert sich Plöckinger an den ebenso erfolgreichen wie spannenden Test.

Umbauten im Albert Handtmann Metallgusswerk

Auf Basis der dabei aus Messungen und Data-Loggings gewonnenen Erkenntnisse konnte bereits an der Serienüberleitung des Systems gearbeitet werden. Nach der Auswahl geeigneter Ansteuerhardware, der Integration des LCM-Codes in die Bühler-Software und der Verifikation des Gesamtsystems am Prüfstand erfolgte im Herbst 2017 der wichtigste Meilenstein. „Nachdem wir im Oktober 2017 bei einem jahrelangen Kunden eine Pilotanlage erfolgreich in Betrieb genommen hatten, stand der Serienumsetzung praktisch nichts mehr im Wege“, unterstreicht Bühler-Entwicklungsingenieur Roland Herde. „Einen der ersten optimierten Serien-Umbauten haben wir gemeinsam mit LCM beim Albert Handtmann Metallgusswerk in Biberach/Riss gemacht. Handtmann ist ein langjähriger Kunde und legt auf Energie-Effizienz und hohe Lebensdauer allergrößten Wert.“

Qualitätssprung in Serie und zum Nachrüsten

Seit April 2018 sind nunmehr alle neu produzierten Carat-Modelle serienmäßig mit dem „Smart Pump Management“ ausgestattet. „LCM hat nicht nur durch immenses Know-how in den Bereichen Hydraulik, Regelungstechnik und numerischer Simulation von Anfang an überzeugt, sondern auch dazu beigetragen, unseren Kunden einen echten Mehrwert zu schaffen“, resümiert Michael Cinelli, Team Leader Product Life Cycle Management R&D bei Bühler. Damit alle Bühler-Kunden vom Qualitätssprung dieses Hard- und Software-Updates profitieren, wird auch eine kostengünstige Aufrüstung aller ab 2007 erzeugten Carat-Druckgießmaschinen angeboten. Übrigens: Die Montage des „Smart Pump Management Systems“ mit integrierter Proportionalventiltechnik, elektrischen Anschlusskabeln und einem smarten Softwarepaket, das den optimierten Druckverlauf im Hydrauliksystem sicherstellt, soll nur drei bis vier Stunden dauern.