Coronavirus : Wie der Maschinenbau durch die Corona-Krise weiter in die Abwärtsspirale gerät
Es passiert selten, dass sich Zeitgeschichte im Entstehen so gut beobachten und förmlich spüren lässt wie jetzt gerade. Die Vogel-, die Schweine- und die Spanische Grippe: All diese Influenza-Epidemien scheinen im Vergleich zum neuartigen Covid-19 Peanuts gewesen zu sein. Zuerst wurde China für seine drastischen Maßnahmen belächelt. Endlich bemerkt auch Europa, insbesondere Italien, dass diese Schritte längst notwendig gewesen wären, um die exponentiell wachsende Pandemie zumindest einzudämmen. Zahlreiche Fachmessen, die zu den wichtigsten Marketing-Instrumenten der B2B-Branche zählen: Die Hannover Messe, die Logimat, All about automation, um nur wenige zu nennen, finden nicht wie gewöhnlich statt. Welche Auswirkungen hat das Virus auf den Maschinenbau, der ohnehin geschwächt vom Vorjahr ist?
Maschinenbau im Abwärtstrend
Der Maschinenbau leidet an globalen Handelskonflikten und der abgeschwächten Konjunktur und ist seit 2019 geprägt von Gewinneinbrüchen, Minuszahlen und Verlusten: Ein unerwartet schwaches Schlussquartal (minus sieben Prozent) im Vorjahr sorgte bereits dafür, dass die Produktion im Maschinenbau im Gesamtjahr um 2,8 Prozentpunkte sank. Die Auftragseingänge blieben im vergangenen Jahr um neun Prozent unter ihrem Vorjahreswert. Die rosigen Zeiten waren längst schon vorbei, man blickte jedoch trotzdem optimistisch in die Zukunft und vertraute darauf, sich wieder zu erholen. Mit der immer schneller verbreitenden Corona-Epidemie sagt der VDMA für dieses Jahr noch schlechtere Zahlen voraus. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag erwartet gar als Folge der Coronavirus-Pandemie den schlimmsten Einbruch der Weltwirtschaft seit der Finanzkrise der Jahre 2008/09. „Die Ausbreitung des Corona-Virus wirft uns spürbar zurück. Selbst unter der Annahme, dass sich die Lage im zweiten Halbjahr entspannt und die Geschäfte wieder besser laufen, werden wir die zusätzlichen Rückgänge in diesem Jahr nicht mehr wettmachen können. Soweit das heute überhaupt berechenbar ist, erwarten wir für 2020 ein reales Produktionsminus von fünf Prozent“, meint VDMA-Präsident Carl Martin Welcker.
Wie Maschinenbau-Unternehmen an der Epidemie leiden
Beim Spritzgussmaschinenhersteller Engel wurden fünf Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet: Der erste davon am 10.3. nach einem Urlaubsaufenthalt in Tirol. Das Bundesland soll ein europäisches Coronanest gewesen sein, Hunderte von Menschen – auch Touristen – sollen sich dort angesteckt haben. Drei weitere Mitarbeiter aus dem Klein- und Mittelmaschinen Werk in Schwertberg sind inzwischen positiv getestet. Wirtschaftliche Auswirkungen spüre Engel derzeit noch keine, das Stammwerk in Schwertberg wurde vorerst für zwei Tage geschlossen. Das Unternehmen hat, nachdem ihm der fünfte Fall mitgeteilt wurde, beschlossen, den Produktionsstopp im Stammwerk in Schwertberg bis einschließlich 15. April 2020 zu verlängern. Zudem werden sowohl im Großmaschinenwerk in St. Valentin als auch im Roboterwerk in Dietach die Produktion, Fertigung und Montage bis zum 15. April unterbrochen. „Die Gesundheit und Sicherheit unserer Mitarbeiter und ihrer Familien haben höchste Priorität. Gemeinsam mit dem Health-Team setzt die Engel Geschäftsleitung alle Schritte, um die weitere Ausbreitung des Virus zu verlangsamen“, so die PR-Managerin Susanne Zinckgraf. Mehrmals täglich werde im engen Austausch mit den Behörden und dem eigens installierten Health Team die Lage bewertet und analysiert, um gegebenenfalls rasch neue Maßnahmen zu treffen.
Mobiles Arbeiten bei Trumpf
Beim Maschinenbauer Trumpf sieht die Lage wieder anders aus. An fast allen Standorten von Trumpf befinden sich Mitarbeiter, die sich in den letzten 14 Tagen in Risikogebieten aufgehalten haben. Diese befinden sich derzeit in Quarantäne. Bis dato gebe es jedoch keinen bestätigten Corona-Infektionsfall. Bereits im Januar hat der Werkzeugmaschinenbauer einen zentralen Krisenstab eingerichtet, der die Lage aufmerksam beobachtet, Informationen bewertet, Empfehlungen vorbereitet und für die Kommunikation sorgt. Mitarbeiter sind verpflichtet sich zu melden, wenn sie in Risikogebieten waren oder Kontakt zu infizierten Personen hatten und werden dann in eine 14-tägige häusliche Quarantäne geschickt. Im Intranet von Trumpf werden How-to-Dos und Verhaltensregeln für alle Mitarbeiter zugänglich gemacht und kommuniziert, sodass sich alle bestmöglich vor einer Infektion schützen können. Alle Mitarbeiter, die über Laptop und Diensthandy verfügen, nehmen ihre Arbeitsmittel nachhause, um im Fall einer angeordneten häuslichen Quarantäne im Home-Office arbeiten können. Die Mitarbeiter aller deutscher Standorte haben die Möglichkeit, mobil zu arbeiten, da die Arbeitszeitkonten flexibilisiert wurden. Lieferengpässe gebe es bei Trumpf derzeit noch nicht, der Zentraleinkauf evaluiert jedoch ständig die weltweiten Lieferketten, um rechtzeitig handeln zu können.
Trumpf-CEO Nicola Leibinger-Kammüller wendet sich in einem persönlichen Videostatement an Mitarbeiter und ihre Angehörigen. Sie fordert die Belegschaft auf, Ruhe und einen kühlen Kopf zu bewahren: „Ich kann Ihnen versichern, wir nehmen die Lage im Unternehmen sehr ernst und treffen alle notwendigen Vorsorgemaßnahmen. Für Panik oder übermäßige Angst besteht deshalb kein Anlass.“
Gute Geschäfte in Taiwan
Während europäische Unternehmen Existenzkrisen verspüren, erholt sich die wirtschaftliche Lage in Asien wieder ein wenig. So verzeichnen taiwanische Maschinenbauunternehmen durchwegs positive Zahlen. Diese haben jedoch einen gravierenden Vorteil: Taiwans Maschinenindustrie besitzt eine vollständige inländische Lieferkette und ist nicht von Zulieferern im Ausland abhängig. Ko Ba-Hsi, Vorsitzender der Taiwan Machinery Industry Association (TAMI), rechnet damit, dass die Auswirkungen der Pandemie nur vorübergehend sein werden und dass die Nachfrage nach taiwanesischen Maschinenprodukten in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 wieder anziehen wird. Stornierte Aufträge sind nach und nach wieder aufgenommen worden – und zwar so viele, dass die Auftragsbücher für das erste Halbjahr voll seien. Die meisten der New Business-Anfragen kamen aus Südostasien und den USA.
Die Industriellenvereinigung veröffentlichte in einem Paper Prognosen über die Auswirkungen der Pandemie auf die österreichische Industrie. So soll sich ein bedingter Verlust an Bruttowertschöpfung in Höhe von 569 Millionen Euro ergeben. Das entspreche 0,15 Prozent der gesamten heimischen Bruttowertschöpfung im Jahr 2020 entsprechen würde. Somit falle der zu erwartende reale BIP-Zuwachs im Jahr 2020 in Österreich (IV-Prognose: 1,0 bis 1,25 Prozent) um rund zwölf Prozent geringer aus als ohne Auftreten der COVID-19-Epidemie. Ob das mittlerweile auf 38 Milliarden Euro dotierte Covid-19-Paket ausreicht, um Unternehmen wieder aus dem tiefen Loch zu holen, ist genauso ungewiss wie der Verlauf der Corona-Pandemie selbst. Die Maßnahmen, die die Bundesregierung gesetzt hat, werden jedenfalls von Industriellenvereinigung, WKO, dem Fachverband der Metalltechnischen Industrie, dem Zentralverband Spedition & Logistik und der Bundesinnung der Metalltechniker begrüßt. Stürmische Zeiten erwarten uns weiterhin.
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