Wollen Sie also bis Ende des Jahres alle Anlagen angebunden haben? Immerhin reden wir von mehr als 15.000 Maschinen im Schaeffler-Produktionsverbund.
Nein, in so kurzer Zeit wäre das unrealistisch. Das ist auch gar nicht unser primäres Ziel. Wir wollen zuerst Use Cases identifizieren, die durch Digitalisierung einen Beitrag zu Produktivität, Qualität und Liefertreue leisten können. Ausgehend von diesen binden wir immer mehr Maschinen an die digitale Plattform an.
Wie steht es da um den Standort Berndorf?
In Berndorf sind wir gerade dabei, eine gesamte Produktionslinie zu sensorisieren und bis Ende des Jahres an unser digitales Ökosystem anzubinden. Der Fokus liegt dabei zuerst auf Energieeffizienz. Im zweiten Schritt konnektieren wir dann bis zu 200 weitere Anlagen.
Das „digitale Ökosystem“ ist Teil einer Roadmap von Schaeffler. Wie viele Leute sind dafür eigens abgestellt?
In dieser sogenannten“ Koordinationsstelle Digitalisierung“ arbeiten derzeit rund 50 Kollegen. Bis 2020 planen wir aber schon 600 zu sein, die sich ausschließlich mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen.
Diese 50 Digitalisierer, sind das klassische Schaeffler-Ingenieure?
Nein, die wenigsten Kollegen haben eine klassische Ingenieursausbildung. Die Fähigkeiten spannen sich über Themen wie Datenarchitektur, Datenanalyse sowie Digitale Businessmodelle und bauen in der Regel auf mathematischen, technischen und naturwissenschaftlichen Ausbildungen auf. Wir müssen mit Blick auf die Umsetzungsgeschwindigkeit anders arbeiten als die klassische Organisation. Wir arbeiten als Kernteam mit dem klaren Auftrag, die digitale Transformation bei Schaeffler voranzutreiben.
In der Vergangenheit gaben Sie einmal zu, „Power-Point Industrie 4.0“ schaffe keinen Mehrwert. Was meinten Sie mit dieser Aussage?
Es gibt viele eindrucksvolle, bunte und begeisternde Präsentationen zum Thema Industrie 4.0. Viele der gezeigten Inhalte existieren aber eben nur auf dem Papier. Das hat mich extrem gestört, weil es der Dynamik von Industrie 4.0 nicht gerecht wird. Als wir begonnen haben, die Werkzeugmaschine 4.0 zu entwickeln, haben wir uns geschworen, dass wir die viel diskutierte Vision von Industrie 4.0 in die Realität umsetzen werden – und das ist uns, wie ich finde, sehr gut gelungen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Elisabeth Biedermann
Zur Person: Roberto Henkel (33) leitet bei Schaeffler den Bereich „Digitalization Operations“ und ist für die weltweite Koordination der Digitalisierungsaktivitäten im Produktionsumfeld verantwortlich. Er ist Ingenieur und seit 13 Jahren in unterschiedlichen Positionen rund um die Produktion bei Schaeffler tätig. Zuletzt als Leiter für das Segment Genauigkeitslager, in dem auch die Werkzeugmaschine 4.0 zum Einsatz kommt.
Alle Fakten zur Werkzeugmaschine 4.0
Was: Eine Fertigungszelle, bestehend aus einer Standard-Werkzeugmaschine (DMC80 FD) von DMG Mori, flankiert von einem Messsystem und einem integrierten Werkzeugeinstellsystem, angebunden an eine smarte Logistikkette
Im Einsatz seit: 2015
Aufgabe: Präzisionsweichbearbeitung von großen, kundenspezifischen Wälzlagerringen mit Gewinden, Fräsbearbeitung, Passungen
Zusätzlich verbaute Sensoren: 60
Rüstzeiten im direkten Vergleich: minus 15 %
Digital genial, weil: Angebunden an die digitale Schaeffler-Plattform und dadurch datentechnisch völlig transparent