Thermografie : Wer misst, misst Mist!

Wärmebildkameras waren früher teure Spezialgeräte für ausgewählte Spezialisten. Mittlerweile sind die Preise in „leistbaren“ Preisbereichen angekommen. Wurden sie einst nur für aufwändige Spezialaufgaben eingesetzt, stehen sie aufgrund dieses monetären Aspektes heute in vielen Branchen im täglichen Einsatz. Dennoch gibt es enorme Preisunterschiede. Im Bereich von einigen hundert bis zu einigen zehntausend Euro muss es doch Qualitätsunterschiede geben?
„Der Weg zu qualitativ hochwertigen Messergebnissen beginnt bereits bei der Auswahl der richtigen Hardware“, meint Christian Rudolf, Anwendungsspezialist für Thermografie und Messsysteme von Testo Österreich. Genauer gesagt: Der Anwender muss sich darüber im Klaren sein, für welche Messobjekte er die Kamera benötigt. Denn der nach dem Einsatzzweck richtet sich auch die erforderliche Wärmeempfindlichkeit und die Größe bzw. Auflösung des integrierten Sensors. „Das Bolometer – also der Detektor - ist das Herzstück einer Wärmebildkamera und nach dessen Qualität richtet sich auch der Preis“, ergänzt Walter Rekirsch von Rekirsch Elektronik, einem Distributor von elektronischen Messgeräten. Ist die Anzahl der Messpunkte im gemessenen Wärmebild hoch, können auch mehr Details erkannt und analysiert werden. Umgekehrt verhält es sich genauso – je weniger Bildpunkte, desto detailärmer ist das Bild und dementsprechend größer ist auch die Fehlerabweichung. Günstige Geräte detektieren dabei mit 50*50 Pixel, hochwertige Kameras mit 640*480 Punkten. Mittels Super-Resolution Technologie schafft es Testo obendrein, aus vier Aufnahmen ein Wärmebild mit 1280*960 Pixel zu erstellen.
Die Geräte sind mittlerweile sehr einfach zu handhaben, im Inneren werken jedoch hochpräzise Bauteile, die Temperaturunterschiede von einigen Millikelvin auswerten können. Bedient werden die Geräte aber von Menschenhand. Wie sehr spielt das bei der Thermografie eine Rolle?
Der Bediener einer Wärmebildkamera ist meist die Hauptursache für eine fehlerhafte Messung. Wer sinnvolle Messungen durchführen will, kommt nicht an einer Schulung vorbei. Grundlegende Kenntnisse der Thermografie und der physikalischen Eigenschaften der Messobjekte sind unbedingt erforderlich, ansonsten können leicht falsche Schlüsse aus den Messungen gezogen werden. Wie viele andere Hersteller bietet auch Testo Thermografie-Kurse an, bei denen immer wieder ein Anwender-Irrtum aus dem Weg geräumt werden muss: „Die Wärmebildkamera misst die Wärmestrahlung eines Objektes, nicht aber die Temperatur“, erklärt Rudolf. „Die Temperatur wird aus den gemessenen Werten errechnet.“
Korrekte Einstellung.
Dazu muss das Gerät aber korrekt eingestellt werden, was eine der größten Herausforderungen darstellt. Denn diese Einstellungen hängen von der Art und vom Aufbau des Messobjektes ab. „Die Wärmebildkamera erfasst Infrarot-Strahlung, die vom Messobjekt ausgesendet, reflektiert oder von dem Objekt durchgelassen wird“, erläutert Rudolf. „Es ist damit sowohl das Material als auch die Oberflächenbeschaffenheit des Messobjektes relevant“. So sind Messungen an Glas oder Metallen besonders problematisch. Glas weist eine stark spiegelnde Oberfläche auf und reflektiert damit auch Umgebungsstrahlung, wodurch es bei nicht beachten dieses Umstandes zu Fehlinterpretationen kommen kann. Metalle haben häufig einen sehr niedrigen Emissionsgrad – also die Fähigkeit Infrarot-Strahlung auszusenden. Um ein korrektes Wärmebild zu erhalten, muss vom Anwender viel Gefühl für Materialien beim Einstellen des Gerätes und Interpretieren des Wärmebildes aufgebracht werden. Krisztian Breitenbach, Störungstechniker bei Electro Romwalter kennt noch so manch andere Parameter, die in der Praxis eine Messung verfälschen können: „Der Messabstand, die Luftfeuchtigkeit und die Sonneneinstrahlung müssen dabei ebenso berücksichtigt werden, wie die Umgebungstemperatur und die persönlich ausgestrahlte Infrarot-Strahlung“.
Was nützt ein dickes Telefonbuch, wenn neben den Nummern keine Namen stehen? Diese Frage kann man auch bei einer Liste mit schlecht dokumentierten Messergebnissen stellen. Denn hunderte Messdaten sind wertlos, wenn sie nicht zugeordnet werden können. Haben Wärmebildkameras Features, die dieses Problem erst gar nicht auftreten lassen?
Dass eine lückenlose Protokollierung der thermografischen Messungen Pflicht ist, weiß auch Krisztian Breitenbach. Natürlich gilt das bei einem kurzen Check nicht, bei Wartungsarbeiten an mehreren dutzend Industrieanlagen kommt da aber so einiges zusammen. Da finden sich mehrere Schaltschränke mit unzähligen Klemmstellen, Motoren, Umrichter und etliche mechanische Bauteile. Ein verlorener Zettel mit Anmerkungen und viele Messergebnisse sind für eine spätere Auswertung unbrauchbar. „In dieser Frage kommen die Hersteller den Anwendern mit interessantem und praktischem Zubehör entgegen“, zeigt sich Rekirsch begeistert. „Denn kurze Notizen zu Messobjekten sind zwar gut, es sind jedoch präzise Zusatzinfos die den Workflow optimieren.“
Als Beispiel nennt er die Stromzangen und Feuchtemessgeräte, die der amerikanische Hersteller FLIR zu ausgewählten Modellen anbietet. Dadurch können bei Problemstellen nützliche Zusatzdaten wie etwa die aktuelle Stromstärke in einem Kabel oder die Feuchtigkeit einer Mauer digital mitprotokolliert werden. Ein enormer Vorteil gegenüber händischen Aufzeichnungen auf dem Papier. Denn durch dieses Zusatzfeature besitzt die abgespeicherte Gesamtinformation eine höhere Wertigkeit, die bei späteren Auswertungen die Arbeit erleichtert und die Planung der weiteren Schritte einfacher macht. Auch in Bezug auf die Art der protokollierten Daten ist ein digitales Speichermedium – in den meisten Fällen ist es eine SD-Speicherkarte –dem Notizblock überlegen. Aktuelle Geräte haben eine integrierte GPS-Funktion mit der Infrarotbildern eine Georeferenz zugeordnet werden kann, um ihre geographische Position zu bestimmen. Auch Testo macht sich diesen digitalen Vorteil zu Nutze. „Sämtliche Geräte ab dem Modell „875i“ verfügen über eine Anschlussmöglichkeit für ein externes Headset, mit dem Sprachnotizen aufgezeichnet werden können“, führt Christian Rudolf an. Er untermalt den Nutzen dieser Zusatzfunktion damit, dass mit gesprochenen Kommentaren viel Information in kurzer Zeit abgespeichert werden kann – was nicht nur effizient sondern auch praktisch ist.
Verbindungsprobleme, aufwändiger Import, eingeschränkter Export von Daten und veraltete Software – Diese Punkte fallen jedem Techniker auf Anhieb ein, wenn er nach Schwachstellen von PC-Software für mobile Messgeräte gefragt wird. Wie ist das mit der PC-Konnektivität bei Wärmebildkameras?
„Früher war es die Serielle Schnittstelle, die Nutzer aufgrund nicht griffbereiter Kabeln oder nicht vorhandener Anschlussmöglichkeiten am Laptop zur Verzweiflung gebracht hat, heutzutage besitzen die Geräte durchwegs eine USB-Schnittstelle. Darüber hinaus kann die eingesetzte SD-Karte direkt ausgelesen werden oder die Datenübertragung erfolgt per Firewire oder Composite-Video“, beschreibt Kristzian Breitenbach den aktuellen Stand der Datenübertragung zum PC. Auch die Möglichkeit einer Überwachung thermischer Prozesse in Echtzeit ist bei vielen Geräten Standard. Christian Rudolf unterstreicht zudem das Feature der gleichzeitigen Aufnahme eines Wärme- und Realbildes. So können Information aus beiden Bildern mittels PC-Software überlagert und anschaulich dargestellt werden. Des Weiteren ist eine Korrektur der aufgenommen Wärmebilder, beispielsweise bei falsch eingestelltem Emissionsgrad nachträglich möglich. Eine professionelle Dokumentation enthält auch Histogramme, Vergleiche und visuell strukturiert aufbereitete Daten, die bei vielen Herstellern mittels Berichtsvorlagen und Berichtsassistenten einfach erstellt werden kann.