Digitalisierung : Was sind die neuen Servicemodelle im Maschinenbau?
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Dass mittlerweile der erste Griff eines TGW-Servicetechnikers nicht mehr dem Palettierroboter gilt, den er servicieren soll, sondern seiner Datenbrille, ist in Wels schon fast Alltag. Warum? „Weil er sich damit relevante Anlageninformationen direkt auf dem integrierten Bildschirm anzeigen lassen kann.“ Smart Devices, wie Datenbrillen, sind für Christoph Knogler, die goldenen Helfer bei der Inspektion von Anlagen. „Ein kurzer Blick auf die zu wartenden Komponenten, an denen QR-Codes angebracht sind, reicht aus, um die Informationen abzurufen“, so der Director Global Lifetime Services bei der TGW Logistics Group. Voraussetzung dafür: Die Integration der Anlage in ein spezielles Wartungsplanungssystem von TGW plus ein Augmented Reality Tool namens Evocall. Über die Datenbrille können sich so Anlagentechniker in kniffligen Situationen mit den Fernwartungsteams von TGW verbinden. Diese schicken in Echtzeit via Video- und Audiostream wichtige Informationen wie Schaltpläne, Datenblätter oder Checklisten direkt auf das mobile Endgerät und unterstützen die Wartung so ortsunabhängig. Ein schöner Nebeneffekt: TGW Kunden können die gesamte Supportsitzung aufzeichnen lassen und für Schulungszwecke wiederverwenden.
Ausfälle verlässlich vorhersagen
Die Unterstützung bei Aufbau, Wartung und Service der Anlagen ist aber nur ein Feld, in dem digitale Innovationen für massive Umbrüche sorgen. Gerald Schatz, CEO des Linzer Center of Mechatronics (LCM) spricht bereits Chancen auf völlig neue Servicemodelle. Gilt auch Big Data mittlerweile als überstrapaziertes Schlagwort, ist es dennoch jene Essenz mit denen Maschinen individualisiert, laufend optimiert und überwacht werden können. Ein digitaler Zwilling, der mit der realen Maschine interagiert, könnte auch in Echtzeit serviciert werden, ist der CEO überzeugt. Selbst bei der Ersatzteilbeschaffung redet die Digitalisierung ein Wort mit: Immer mehr Fertigungsbetriebe beginnen nämlich ihre Teile vor Ort mittels 3D-Druck zu erzeugen. So wie beispielsweise BRP Rotax in Gunskirchen, die mittlerweile Werkzeuge wie Anschläge, Vorzentrierungen oder Kabelbaummontageplätze aus Kunststoff on demand vor Ort drucken. Die Vorteile datengetriebener Services liegen also auf der Hand: Kunden freuen sich über eine rasche Problemlösung oder darüber, dass dieses erst gar nicht auftritt. Zeit- und Kosteneffizienz sowie Transparenz sind nur der Zuckerguss auf dem Servicekuchen. Denn Hersteller können damit ganz neue Umsatzbringer erschließen. Ein gutes Beispiel kommt aus Ennsdorf. Vor einiger Zeit hat Salvagnini Maschinenbau damit begonnen Log-Files vieler verschiedener Kunden zu sammeln. Die Ennsdorfer Maschinenbauer wollen damit nicht nur Prognosen erstellen, sie wollen damit viel branchenspezifischere Maschinen entwickeln.
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Pay-per-Use ist keine Utopie
Neben der Produktentwicklung wird somit das Servicedesign immer wichtiger. Aber auch die Beziehung zu den Kunden ändert sich: So wird mit der Vernetzung die Verantwortung wieder mehr zu den Herstellern transferiert. Gleichzeitig wollen Kunden immer seltener Maschinen kaufen. Verknüpft man beides, gipfelt dies im Geschäftsmodell „Pay per use“. Kunden zahlen also nur noch für die Nutzung der Maschine. Klingt utopisch? Ist es gar nicht, denn erste Beispiele gibt es bereits. Der Nürtinger Maschinenbauer Heller hat mit „Heller4Industry“ eine cloudbasierte Pay-per-use-Bezahlmethode geschaffen, wo Anwender via SEPA-Lastschrift nur für die Nutzlaufzeit ihrer Maschine bezahlen. Spannend ist auch das Modell des Göppinger Maschinenbauers Emag: Zusammen mit der Commerzbank hat Emag einen „Pay-per-Use-Kredit“ entwickelt. Die Tilgungshöhe errechnet sich nach der tatsächlichen Auslastung der gekauften Maschine. Auch in Österreich gibt es erste Ansätze: Gemeinsam mit Schelling Anlagenbau entwickelten die Vorarlberger Krananlagenbauer Hans Künz eine technische Lösung, die die Datenlücke zwischen Maschinenbauer und -betreiber dauerhaft schließt. Eine Art transparentes Monitoring, das laufend aktuelle Daten liefert, um künftig nicht nur die Maschine, sondern eben auch deren Verfügbarkeit zu verkaufen.
Der Wert steckt im digitalen Abbild
Die Grundvoraussetzung für das Funktionieren all dieser Modelle klingt romantisch, ist aber essentiell: Gegenseitiges Vertrauen. Immerhin werden auf beiden Seiten heikle Daten bekannt gegeben. Abgesichert werden könnte das Vertrauen mit Hilfe einer Blockchain. Deswegen forscht Gerald Schatz gemeinsam mit oberösterreichischen Leitbetrieben genau an dieser Technologie. Auf Initiative von LCM und der Johannes Kepler Universität Linz beschäftigen sich Atos IT Solutions, die Energie AG, Maschinenbauer Engel, Fabasoft, Produktionsbetrieb Greiner, die Oberbank sowie die voestalpine mit der Bedeutung von Blockchain für die Prozessindustrie. Vorreiter ist sicher die Energie AG. Die Oberösterreicher haben im Februar mit den Stadtwerken Leipzig ihr erstes Blockchain-Geschäft im Stromgroßhandel getätigt. Das Energievolumen entsprach 2.000 Haushalten.
Geschäftsmodell „Digitaler Service“
Was ist das: Reicht von der Predictive bis zur Mobile Maintenance: Maschinen melden Wartungsbedarf, bestellen automatisch den Techniker oder Ersatzteile, Bedienungsanleitungen werden am Tablet, Maschinendisplay oder der Datenbrille zur Verfügung gestellt.
Was bringt’s dem Hersteller: mehr Kundennähe, weniger Servicekosten, Möglichkeit zur Generierung von Umsatz, Transparenz in seinen Prozessen
Was bringt’s dem Kunden: Schneller Problemlösung, weniger Kosten, bessere Dokumentation, neue Finanzierungsmodelle
Was ist die Herausforderung: Datenfreigabe, Vertrauen
Wer hat es im Einsatz: TGW Logistics Group
Geschäftsmodell „Chatbot“
Was ist das: Ein virtueller Kommunikationsroboter. Der Algorithmus reagiert und lernt mittels Texterkennung. Das Einsatzgebiet ist breit gefächert: es reicht vom automatisierten Beantworten von Anfragen bis zu Informations- und Verkaufsprozessen.
Was bringt’s dem Hersteller: Permanente Erreichbarkeit, Daten über Kunden zu generieren, einfache Marktanalysen, durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz selbstlernend
Was bringt’s dem Kunden: Prompte Reaktion auf Anfragen, unkomplizierte Beschaffung von Informationen, Bestellungen etc.
Was ist die Herausforderung: Roh-Datenselektion, Datensicherheit. Funktioniert nur bei neuen Maschinen oder bei Vorhandensein von Standardschnittstellen
Wer hat es im Einsatz: Wien Energie
Geschäftsmodell „Pay-Per-Use“
Was ist das: Statt die Maschine als Ganzes zu verkaufen, stellt der Hersteller die Nutzung dieser Maschine gegen ein Serviceentgelt zur Verfügung.
Was bringt’s dem Hersteller: Bessere Marktchancen, da hohe Investitionen des Kunden entfallen, effizientere Produktentwicklung durch Auswertung der Nutzer- und Servicedaten.
Was bringt’s dem Kunden: Keine hohen Investitionskosten mehr, Abschreibungen müssen nicht mehr über Jahre hinweg getätigt werden
Was ist die Herausforderung: Zuverlässige Anbindung an Cloud/Server-Systeme des Herstellers, Datensicherheit, Optimales Lizenzmanagement
Wer hat es im Einsatz: Heller, Emag, Hans Künz
Hier lesen Sie mehr zur Anwendung von Hans Künz: Wie Hans Künz seine Krananlagen hochverfügbar macht.
Geschäftsmodell „Blockchain“
Was ist das: Eine gemeinsam genutzte Datenbanktechnologie, bei der Hersteller und Kunde einer Transaktion direkt miteinander verknüpft werden. Digitale Verträge sind ein Anwendungsbeispiel, das derzeit für Aufsehen sorgt. Es können wichtige Daten, wie Produktionsdaten, -summen oder Messwerte, aber auch Rechte und Verträge abgelegt werden.
Was bringt’s dem Hersteller und dem Kunden: Schutz vor Datenmanipulation, vermeidet Kosten für Finanztransaktionen, verbessert Reportings, beschleunigt Jahresabschlüsse, ein gutes Mittel gegen Produktpiraten
Was ist die Herausforderung: Hoher Bedarf an Speicherplatz, entsprechende Netzwerkressourcen und Bandbreite für den Austausch der Daten, es braucht eine kritische Masse an Teilnehmern, schwer zu verwaltende Berechtigungen
Wer hat es im Einsatz: Energie AG