4D-Druck : Was kann der 4D-Druck?
Der 4D-Druck basiert auf den drei räumlichen Dimensionen des 3D-Druck, der auch als additiver Fertigung bezeichnet wird, wobei ein Objekt ebenfalls Schicht für Schicht aufgebaut wird. Jedoch werden 4D-gedruckte Teile so gestaltet und eingesetzt, dass sie sich im Verlauf der Zeit in ihrer Form unter Einwirkung bestimmter Faktoren bzw. Umweltimpulse verändern. Das heißt, dass beim 4D-Druck verwendete smarte Material führt nach der Verarbeitung zu einem Produkt, das nach einem bestimmten Stimulus seine Form vorhersehbar verändert. Dabei kann es sich beispielsweise um Feuchtigkeit, Temperatur, Licht, Magnetismus, Berührung oder Strahlung handeln. Der Begriff des 4D-Drucks wurde ursprünglich von Skylar Tibbits, Dozent am MIT und Pionier auf diesem Gebiet, geprägt, indem er eindrucksvoll die Selbstkonfektionierung von 3D-Druckobjekten, die sich durch Aufquellen von Material in den Fugen von Materialsträngen selbst umgestalten konnten, vorführte.
Additive Fertigung weitergedacht
„Jedes Material reagiert auf eine Energiequelle, und jedes Material hat Eigenschaften wie Steifigkeit oder Flexibilität oder Ausdehnung oder Kontraktion", erklärt Skylar Tibbits. „Wir können anpassbare, intelligente Materialien erhalten, die ihre Form verändern, ihre Eigenschaften verändern. Wir können sie auf einzigartige Weise kombinieren, so dass sie als Sensoren, Aktoren oder Logik fungieren können.“ Die „Steuerung“ seiner Bauteile erfolgte durch kreative Gestaltung des Materials und der Fugen –, um später die Reaktion auf einen bestimmten Umweltimpuls (hier die Wasseraufnahme) hervorzurufen. Wobei alles ohne jegliche Elektronik sowie unter Verzicht auf konventionelle Maschinenelemente oder gar Batterien funktioniert.
Formgedächtnis generiert Objekt
In engem Zusammenhang mit dem 4D-Druck steht der Begriff der Bistabilität, der sich am Beispiel einer zuschnappenden Venusfliegenfalle aus der Natur erklären lässt. Er beschreibt eine Struktur, die in zwei Zuständen eine hohe Stabilität aufweist. Beim Beispiel dieser Pflanze sind es die Zustände offen oder geschlossen, ähnlich einem Logikgatter in der Elektronik. In Kombination mit dem sogenannten Formgedächtnis-Effekt der 4D-Druckobjekte kann das Prinzip der Bistabilität äußerst effektiv genutzt werden: Als Reaktion auf einen Umgebungsreiz verändern die Objekte im Verlauf der Zeit ihre Form und sind durch das Design auch im zweiten Zustand extrem stabil. Auf diese Weise ist nicht nur die zu erwartende Formänderung, sondern auch der zeitliche Ablauf vorhersagbar.
Wandel einprogrammiert
Durch die Anpassung der Kraft, die zur Aktivierung des bistabilen Aktuators benötigt wird, lässt sich das Timing der Formänderungen „steuern“. Die Veränderung der Kräfte wird wiederum durch die Auswahl von unterschiedlichen weichen Materialien gesteuert, die alle in einem einzigen Aufbau integriert sind. Die Veränderung der Form wird durch einen Kunststoff, dem sogenannten Formgedächtnis-Polymer (FGP, englisch shape-memory polymers, SMP), der durch die Einwirkung von Wärme nachgiebig wird, eingeleitet. Im erwärmten Zustand kann er so von seiner permanenten Form auf eine Sekundärform „programmiert“ werden. Diese Sekundärform bleibt stabil, auch wenn das Formgedächtnis-Polymer abkühlt, verliert es aber nicht sein „Gedächtnis“ und nimmt bei Erhitzung seine vorherige Form wieder an. Ein sogenanntes „Schnappverhalten“ treibt den Formwandel voran und verwandelt das Bauteil von einer beispielsweise „flachen“ Struktur in eine andere.
Vom Labor zum Markterfolg
Für kleinere Produkte auf einer Standardfläche von 210 mal 210 Millimeter ist für den 4D-Druck keine neue Hardware notwendig. Entscheidend ist, dass die schaltbaren Polymere über lange Zeit gegenüber Umwelteinflüssen sich als sehr robust beweisen müssen. Obwohl es zwar insgesamt sehr viele Ideen für 4D-gedruckte Produkte gibt, hat es bisher keines zur Produktionsreife geschafft. Im Hinblick auf die kurze Zeit, seit die 4D-Methode in der Forschung erste brauchbare Ergebnisse liefert, ist dies aber nicht verwunderlich. Derzeit laufen Erprobungen zur Kombination von wasserabweisenden durch Wasser quellbaren Kunststoffen, um bei Einwirken von Feuchtigkeit die programmierten Bewegungen auszulösen. Das eingesetzte Spektrum an Kunststoffen reicht von Thermoplasten bis zu Polyurethan - sogar „flüssiges Holz“ eignet sich für den 4D-Druck.
Einsatz bei Oberflächen
Die Entwicklung in Richtung funktionaler 4D-Druckteile erschließt völlig neue Einsatzgebiete: Zum Beispiel der Einsatz in der Raumfahrt in Form von entfaltbaren Solar-Panels bei Satelliten oder Antennen, die beim Start klein verpackt und dann im All in ihren finalen Zustand versetzt werden müssen. Das gilt genauso für Auto- oder Flugzeugoberflächen, die ihre Form verändern können müssen, um je nach Anforderung ihre volle Performance abzurufen. Im industriellen Einsatz vergrößert der 4D-Druck das Potenzial von 3D-Druckobjekten um Funktionalitäten wie zum Beispiel Selbstmontage, Formkonfiguration und sogar Antrieb. Denn das neue Verfahren verwandelt statische 3D-Druckteile in Maschinen und Roboter, ohne dass traditionelle Elektronik, mechanische Komponenten und Steuerungsalgorithmen verbaut werden müssen. Denn durch die Kombination von Materialeigenschaften und Charakteristika wie Bistabilität als Mittel zur Generierung von Formrekonstruktion und Fortbewegung könnte es in nicht allzu ferner Zukunft eine Vielzahl weiterer Anwendungen geben. Um diese genannten Beispiele aus dem Versuchslabor in die Praxis zu überführen, sind allerdings noch geeignete rechnergestützte Entwurfsmethoden erforderlich, die den Forschern helfen, diesen neuen Anwendungsraum zu bespielen und eigene innovative Innovationen zu entwickeln.
Ausblick: der 5D-Druck
Der 4D-Druck basiert im Prinzip auf dem 3D-Druck, der jedoch das Bauteil um sensorische Materialien – zum Beispiel für Temperaturunterschiede - erweitert wird. Dadurch ist eine Restrukturierung des Bauteils realisierbar. So ist auch bereits der Begriff des 5D-Drucks im Umlauf: Die neue „Dimension“ beschränkt sich jedoch nur auf eine zusätzliche vierte und fünfte Roboterachse im Drucker selbst. Auf diese Weise sollen zusätzliche innere Strukturen, weniger Materialeinsatz sowie eine vielfach höhere Steifigkeit gegenüber einem herkömmlich gedruckten Bauteil möglich werden.