Andreas Syska : Warum wir immer dümmer wirtschaften
Merkmal der Industrialisierung sind Fabriken - festgelegte Orte, an denen Menschen zu festgelegten Zeiten im Takt der Maschinen Wertschöpfung betreiben. Der Produzent erkennt die Wünsche seiner Kunden und wandelt diese in Produkte um - mittels Maschinen und Menschen, die nach seiner Vorgabe arbeiten. Der Taktgeber dieser Art des Wirtschaftens ist der Skaleneffekt, der uns lehrt, in großen Mengen zu produzieren und Zentralisierung erzwingt. Der begleitende Sound sind die immer längeren Wege zur Arbeit oder zum Ort, an dem man Produkte oder Dienstleistungen in Empfang nehmen kann. Menschen und Güter sind in Bewegung, wie noch nie.
Der tägliche Logistik-Irrsinn
Mitten drin: die Logistik, also das Aufbewahren und Transportieren von Gütern - in Fabriken als Verschwendung berüchtigt. Logistik macht bei uns bald 10 % des Bruttoinlandsproduktes aus. Mir widerstrebt es, dies Wirtschaftsleistung zu nennen, denn es ist nichts anderes als Ressourcenvernichtung und Ausdruck dummen Wirtschaftens. Tendenz steigend. Logistik wächst stärker, als die Wirtschaftsleistung. Wir wirtschaften also immer dümmer. Verlorene Zeit und Energie, bei gleichzeitigem Überangebot an Lärm, Feinstaub und Klimagasen sind die Zutaten unseres Wirtschaftens. Die Menschen zahlen mit sinkender Lebensqualität, verlorener Lebenszeit sowie mehr Erkrankungen. Und zur Belohnung für ihre Leidensfähigkeit dürfen sie die Rallye auch noch über Steuern finanzieren. Denn die Wirtschaft trägt die wahren Kosten dieses Irrsinns selbstverständlich nicht, wo kämen wir da hin...
Digitalisierte Verschwendung
Da werden Logistikzenten mit dem Zusatz „4.0“ eröffnet, in denen Behälter und Regale digital vernetzt sind und Transportdrohnen ihren Dienst leisten. Man feiert sich hierfür, statt peinlich berührt zu Boden zu schauen, da man noch immer nichts Intelligenteres gefunden hat, als die Güter des täglichen Bedarfs weit entfernt vom Bedarfsort zu produzieren und das auch noch viel zu früh. Die Verschwendung wird nicht eliminiert, sondern digitalisiert. Das Ganze nennt man dann übrigens Fortschritt. Der Ausbau von Verkehrswegen und die Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte wird nur Symptome kurieren. Gäbe es für all dies ein Navigationssystem, würde es sagen: „Nach Möglichkeit bitte wenden“.
Die Lösung liegt woanders
Der digital vernetzte Produzent der Zukunft produziert nicht mehr selbst, sondern befähigt seine Kunden dies zu tun. Digitalisierung shreddert den Skaleneffekt, treibt die Produktion aus den Fabriken und lässt sie dezentral stattfinden - im Handel, im Handwerk und in Haushalten. 3D-Druck ist eine der hier treibenden Technologien und FabLabs sind die Bühnen, auf denen dies heute schon geschieht.
Produktion und Konsum rücken räumlich zueinander. Immer mehr Arbeit kann unabhängig von Zeit und Ort geleistet werden und die Menschen sind mobil, weil sie dies so wollen, und nicht, weil sie es müssen. Dezentrale Wertschöpfung ist attraktiv, denn sie entlastet Städte und vermeidet die Verödung ländlicher Gebiete. Unser aller Lebensqualität steigt.
Eine saftige CO2-Steuer als Konjunkturprogramm
Dazu braucht es aber flankierende Maßnahmen. Mein Vorschlag: Der Güterverkehr erhält keine Subventionen mehr und trägt sogar seine wahren gesellschaftlichen Kosten, besonders die für seine Emissionen. Mit anderen Worten: eine saftige CO2-Steuer ist das beste Konjunkturprogramm für die Digitalisierung. Lassen Sie uns das Thema Digitalisierung ab jetzt aus diesem Blickwinkel betrachten. Von den wirklichen Bedürfnissen der Menschen her.