Nachgefragt : Warum Österreich dem Industrial Internet of Things nicht ganz vertraut
Eines ist klar: Für eine verbesserte Ausgangslage im international härter werdenden Wettbewerb, ist die Voraussetzung eine intelligente Vernetzung von Maschinen und ganzen Produktionswerken über das World Wide Web. Soweit die Theorie. Denn außer Frage steht, dass heute die allermeisten physischen Dinge nicht mit der virtuellen Welt des Internets verbunden sind. Die Zahl der Netzwerkknoten steigt zwar stetig, dennoch gibt es Bereiche, die IIoT nach wie vor ablehnend gegenüber stehen. So bleibt auch beim aktuellen Umsetzungsgrad in der produzierenden Industrie Österreichs Luft nach oben. „Das Thema muss differenziert betrachtet werden“, so Udo Traussnigg, Studiengangsleiter Automatisierungstechnik der FH Campus 02 in Graz, „es hängt nämlich davon ab, wie lange und wie intensiv man grundsätzlich schon auf Vernetzung setzt, aber auch wie stark man seinen Betrieb nach außen abschotten will.“
Welche Branchen haben hier die Nase vorn?
Darauf will sich Traussnigg nicht festlegen. Spannend in diesem Kontext sei aber der Aspekt, dass rund um dieses Zukunftsthema neue Unternehmen entstehen, denen sich ein anwendungsbezogener Markt bietet. „Zum Beispiel können auch sehr traditionelle Branchen, wie die Erdölindustrie, hieraus einen optimalen Nutzen ziehen.“ Gute Chancen, dass sich IIoT-Lösungen kurzfristig durchsetzen, sieht Traussnigg in den Bereichen Logistik bzw. Fuhrparkmanagement. Andere halten eher am Grundsatz „Never change a running System“ fest. „Wenn zum Beispiel eine Produktionsanlage einwandfrei funktioniert, muss der Nutzen schon fast exorbitant hoch sein, um IIoT-Lösungen in die Anlage eingreifen zu lassen“, nennt Traussnigg einen wesentlichen Bremsfaktor.
Dabei gebe es viele Anwendungsfälle, bei denen es sogar sehr einfach wäre, mittels IIoT einen (monetären) Mehrwert zu erzielen. Die Befürchtung, dass durch den Eingriff in die Anlage deren Funktion instabil werden könnte, ist jedoch eine Hemmschwelle, die erst überwunden werden will. Neben der Prozesssicherheit ist aber auch die Datensicherheit ein großes Thema. „Diese zählt zu den Hauptkritierien, die den umfangreichen Einsatz von IIoT-Lösungen bremsen“, sagt Traussnigg. Nicht vergessen werden dürfe außerdem die teilweise unzureichende Bandbreite der Internetverbindung, schließlich befinde sich nicht jeder Betrieb in einem Ballungsraum.
Sind Sensoren ohne Internetanbindung tatsächlich out?
Bleibt dennoch die Frage, ob sich Sensoren oder Aktoren ohne Internetanbindung in naher Zukunft überhaupt noch verkaufen lassen. „Eindeutig ja. Es gibt Unternehmen, die mit wehenden Fahnen auf den IIoT-Zug aufspringen. Andererseits werden konservativ denkende Unternehmen sich auf Grund von Sicherheitsbedenken hüten, überhaupt Komponenten mit Internetanbindung in ihre Produktion zu lassen. Die große Mehrheit wird aber zwischen diesen beiden Extrembeispielen liegen“, so Traussnigg. Langfristig sehe die Sache jedoch anders aus. So könnten „produzierende Unternehmen in Zukunft für Datenübertragungen zu Gunsten höherer Flexibilität auf Kabel und Bussysteme verzichten und voll auf drahtlose Kommunikation setzen.“ Andererseits mangle es aktuell an Technologiekompatibilität, denn obwohl sich in den vergangenen Jahren viel getan hat, liege der Teufel nach wie vor im Detail. Allerdings: Der Druck auf die Hersteller steige, ihre Produkte zu standardisieren. Traussnigg ortet insbesondere im Bereich Verdrahtung noch immer Defizite. „Die Hersteller verschlafen die Chancen, was sich als Treiber für die drahtlose Kommunikation über standardisierte Protokolle herausstellen könnte.“
Friedrich Bleicher bleibt skeptisch
Ebenfalls zurückhaltend ist die Einschätzung von Friedrich Bleicher, Vorstand des Instituts für Fertigungstechnik der TU Wien: „Es fehlt in KMU vielfach das erforderliche Know-how, um Innovationsthemen aus den eigenen Reihen heraus umzusetzen.“ Zwar gebe es Best-Practice-Beispiele, aber viele Unternehmen wissen oft nicht, wie sie Maßnahmen auf dem Weg zur digitalen Produktion selbst realisieren könnten. Hier wollen etwa Cluster ansetzen. Zum Beispiel werden mit dem ecoplus-Projekt „Enterprise 4.0“ Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Sachen IIoT zusammengebracht, um gegenseitig voneinander zu profitieren. Aber auch technologisch betrachtet, ortet Bleicher Herausforderungen: „In Österreich gibt es zum Beispiel viele Nischenplayer. Und für diese sind maßgeschneiderte Lösungen notwendig.“ Generell braucht es ein konzentrierteres Zusammenwirken - es sind viele gefordert. Zum einem die öffentliche Hand, Stichwort Arbeitszeitflexibilisierung, zum anderen die Unternehmen selbst. Bleicher: „Nur wenige KMU haben einen durchgängigen Masterplan. Man sollte sich Gedanken machen, wo man mit seinem Unternehmen in fünf oder zehn Jahren stehen will – und definieren, welche Strukturen für das Erreichen dieser Ziele vorhanden sein müssen.“ So werde Unternehmen ein schrittweises Vorgehen nach einem Gesamtkonzept empfohlen, damit IIoT-Lösungen in der Anwendung nachhaltig ankommen.
Zeit also, dieses Thema anzupacken. Eine gute Gelegenheit dafür bietet das Messeduo Intertool (Fachmesse für industrielle Fertigung) und Smart Automation Austria (Fachmesse für industrielle Automatisierung), im kommenden Jahr erstmals zum Trio ergänzt um die C4I – Connectivity for Industry als Plattform für die Digitalisierung der industriellen Wertschöpfungskette. Der Branchenevent in der Messe Wien findet statt vom 15. bis 18. Mai 2018 (Smart Automation und C4I von 15. bis 17. Mai 2018).