Ersatzteilmanagement : Warum Maschinenbauer Engel sein Ersatzteillager ausgelagert hat
Rund 300.000 Ersatzteile liefert der Schwertberger Spritzgussmaschinenhersteller Engel pro Jahr an seine Kunden – vom kleinen Schrauben bis zu meterlangen Bauteilen. Dementsprechend groß ist das Ersatzteillager des Unternehmens. „Es handelt sich um Millionen von Teilen im Verkaufswert von rund 50 Millionen Euro“, sagt Harald Wegerer, Vice President Customer Service Division bei Engel Austria. Bis Mitte des Vorjahres waren sie auf die drei Produktionsstandorte Schwertberg, St. Valentin und Dietach verteilt. „Dabei gab es zwei Herausforderungen: die Verfügbarkeit der Teile am Wochenende sowie standortübergreifende Aufträge“, sagt Wegerer. Beides ist nun kein Problem mehr: Mit Juni 2018 hat Engel die europaweite Ersatzteillogistik mit dem Logistikspezialisten cargo-partner in dessen neu eröffnetem iLogistics Center in Fischamend in der Nähe des Flughafen Wien zentralisiert.
Gut funktionierende Ersatzteillogistik überlebenswichtig
Leicht ist dem Maschinenbauer dieser Schritt nicht gefallen, erinnert sich Wegerer: „Wir sind ein konservatives Unternehmen und geben nicht gerne etwas aus der Hand.“ Immerhin sei eine gut funktionierende Ersatzteillogistik strategisch unglaublich wichtig, ja geradezu überlebenswichtig. Und daher eine enorme Vertrauensfrage. Dass man sich letztendlich zur Auslagerung der Ersatzteillogistik entschlossen hat, sei auf einen ganz simplen Grund zurück zu führen gewesen, nämlich Platzmangel. „Wir hatten alle verfügbaren Platzreserven ausgeschöpft“, so Wegerer.
Zeiten wesentlich verbessert
Die Entscheidung zur Schaffung eines externen Zentrallagers hat sich für Engel jedenfalls ausgezahlt. So haben sich die Abholzeiten für die Ersatzteile deutlich nach hinten verschoben. „Früher mussten wir die Teile spätestens um 16:30 Uhr abholen, um sie binnen 24 Stunden liefern zu können. Schließlich mussten wir von unseren Ersatzteillagern noch mehrere Kilometer zum Linzer Flughafen fahren – und dabei Staus und andere Verzögerungen einkalkulieren. Das neue Lager hingegen ist unmittelbar beim Wiener Airport, was uns viel Zeit erspart. Deshalb können jetzt Bestellungen, die bis 18:30 Uhr eintreffen, auf den Weg zum Kunden geschickt werden“, so Wegerer. Dass nicht nur der Wiener, sondern auch der Flughafen Bratislava nicht weit vom iLogistics Center entfernt ist, ist ebenfalls ein großes Plus: „Wir können von Bratislava aus unsere Kunden somit auch an österreichischen Feiertagen ohne erhebliche Mehrkosten beliefern“, erzählt Wegerer.
Qualitätsprüfung inklusive
Beim Bestellvorgang selbst hat sich für die Kunden nichts geändert. Benötigte Teile werden bei einer der 27 Niederlassungen oder der 80 Vertretungen geordert und dort gleich ins SAP-System von Engel eingespeist. Der Maschinenbauer übermittelt daraufhin die relevanten Daten an cargo-partner. Dort werden die bestellten Teile gepickt, aus dem Lager genommen, verpackt und dem Transportlogistiker übergeben, der sie zum Flughafen bringt. „Oder Engel bestellt die Ersatzteile bei seinen Lieferanten oder produziert sie selbst und liefert sie zu uns ins iLogistics Center“, erzählt Christina Kalløkken, Director Corporate Communications & Marketing bei cargo-partner. Es gebe eine eigene Fläche im Wareneingangsbereich, wo die Techniker von Engel die Qualitätsprüfung von eingehenden Teilen durchführen. „Zusätzlich führt Engel hier Stammdatenerfassung, Montage und Zusammenbau von Teilen durch“, sagt Kalløkken. Sobald die Teile auf die Reise geschickt wurden, sendet cargo-partner wiederum die relevanten Daten an Engel. Sehr wohl verbessert hat sich Wegerer zufolge die Servicequalität. Lieferungen würden termingerecht und korrekt ankommen. „Früher gab es immer wieder Lieferungen, wo die Stückzahl nicht gestimmt hat oder falsche Teile geliefert wurden“, beschreibt der Ersatzteillogistik-Verantwortliche von Engel. Im Zuge des Outsourcings wurde nämlich jeder Bauteil in eine Kiste eingeordnet, während früher sechs oder sieben verschiedene Teile darin aufbewahrt wurden. Dabei wurde im Übrigen auch gleich die Qualität der Ersatzteile überprüft.
Voll automatisierter Austausch von Daten
Die Umlagerung der Teile sei eine große Herausforderung gewesen, erfolgte sie doch während des laufenden Betriebs. Dass letztendlich aber alles reibungslos über die Bühne gegangen ist, führt Kalløkken auf die sehr genaue und effiziente Planung zurück. „Wir haben uns bereits ab der Planung des Baus in mehreren Workshops zusammengesetzt, um die benötigten Prozesse und Prozessflächen zu definieren. Davon ausgehend haben wir das Lager baulich genau auf die Anforderungen von Engel abgestimmt, die Prozesse dementsprechend aufgebaut und auch unsere Software laufend angepasst und erweitert“, beschreibt Kalløkken. Daneben sei ein Team von Engel auf die relevanten Prozesse eingeschult worden. Der rasche und effiziente Informationsaustausch wird durch 20 Schnittstellen zwischen dem Warehouse Management System von cargo-partner und dem Enterprise Resource System von Engel sichergestellt. „Damit werden der voll automatisierte Austausch von Daten ermöglicht, der manuelle Aufwand stark reduziert und Eingabefehler vermieden“, erklärt Kalløkken. Rund 50 Prozent des 12.250 Quadratmeter großen Logistikcenters, das über 24.500 Palettenstellplätze sowie ein Kleinteillager mit 32.000 Behältern verfügt, werden derzeit von Engel belegt. Und es könnten noch mehr werden: möglicherweise wird der Spritzgussmaschinenspezialist in einigen Monaten auch sein Elektronikplatinen-Lager von Linz nach Fischamend übersiedeln.