Digitaler Zwilling : Warum Maplan von Standplatz- auf Taktfertigung umstellte
Ein Puzzle mit 10.000 Teilen? Da drüber traut sich wohl nur Maplan. Die Maschinenbauer haben in den vergangenen drei Jahren ein Fertigungspuzzle gelöst, das anfangs kaum bewältigbar schien: Als erster Elastomermaschinen-Hersteller stellte das Unternehmen in seinem neuen Werk in Kottingbrunn von Standplatz- auf Taktfertigung um. Die Variantenvielfalt war die größte Herausforderung, erinnert sich Werksleiter Oswald Steinbauer, noch gut. Denn nur wenige Anlagen bauen die Niederösterreicher zwei Mal. Ein Umstand, der die Digitalisierung dieser Prozesse sehr komplex machte. Die Produktionsschritte wurden ins kleinste Detail zerlegt, standardisiert und optimiert. Eine gigantische Aufgabe - wo es eine Vielzahl von Daten zu verarbeiten und – „oft sogar in Echtzeit – zu analysieren galt“, so Geschäftsführer Wolfgang Meyer. Dafür rotieren im Hintergrund ein ausgeklügeltes IT- und Logistikkonzept, schließlich muss jeder Produktionsschritt sitzen. Ein digitaler Zwilling, der weiß wie lang ein Produktionsschritt dauert, wer ihn ausführt, welche Materialien dafür nötig sind. Und wenn etwas Unvorhersehbares eintritt, kommt ein Nachtragstool ins Spiel, erzählt Steinbauer: „Die Änderungen werden dann automatisch berechnet und der gesamte Produktionsprozess angepasst.“
Intelligentes Lager mit Faktor Mensch
Das klingt, als liefe in Kottingbrunn alles von selbst. Doch die menschliche Arbeitskraft ist bei Maplan trotz digitalem Schatten nach wie vor der entscheidende Faktor. Vieles lässt sich im Sonderanlagenbau nicht automatisieren – wie zum Beispiel die Lieferung vom Lager zur Maschine. „Wir haben uns fahrerlose Transportsysteme angesehen, aber das funktioniert bei uns nicht. Wir haben Teile, die einige Deka schwer sind, andere wiegen einige Tonnen.“ So kommt es, dass aus dem digitalisierten Lager, das mit Kardex-Liften in Doppelturm-Variante arbeitet, mit Staplern ausgeliefert wird – und zwar genau nach Plan. Der Fahrer bekommt auf sein Tablet eine Liste, die er abzuarbeiten hat. „Die wichtigsten Lieferungen werden vom System nach oben gereiht.“ Dabei wird das meiste stunden- oder tagesgenau abgeliefert, weil die Kottingbrunner genau wiessen, wann wer welche Teile braucht. „Und wenn etwas ganz eilig ist“, so Steinbauer. „Reiht das System es ganz nach oben hin und der Fahrer kann reagieren.“ So konnten die Stehzeiten auf ein Minimum gesenkt werden. Vor allem das Lager hat sich dabei verändert: „Es ist um die Hälfte kleiner geworden, obwohl sich der Lagerumschlag verdoppelt hat“, rechnet der Werksleiter vor. Möglich wurde dies, weil Teile jetzt zum Großteil nach Bedarf bestellt werden – und zwar automatisch. „Früher haben wir jeden einzelnen Auftrag berechnen müssen und haben Angebote eingeholt. Heute filtert das System heraus, welche Teile wir wann brauchen und bestellt es selbstständig.“ Dadurch gewinnen die Maschinenbauer Zeit: „Bei manchen Teilen sind wir jetzt eineinhalb Wochen schneller als zuvor.“
Baukasten für Sondermaschinen
Spannend auch der Sondermaschinenbau: „In dem Fall wird die Maschine aus der Taktung herausgelöst und kommt in eine klassische Einzelplatzfertigung“, erklärt Philippe Soulier, geschäftsführender Gesellschafter. Der klassische Einzelplatz wurde also auch im neuen Werk nicht komplett gestrichen. Reine Standardmaschinen bleiben aber in der Linienfertigung bis zur Fertigstellung. „Wir verknüpfen das Beste aus beiden Welten“, so Soulier. Auch der Baukastenfertigung, nach der man bereits im alten Werk in Ternitz gefertigt hatte, blieb man treu: Die unterschiedlichen Anforderungen des Vulkanisierens und Spritzgießens in der Elastomerverarbeitung werden dabei durch ein modulares Baukastenprinzip abgedeckt. So können die unterschiedlichsten Spritzeinheiten mit verschiedenen Schließeinheiten kombiniert werden. Die Fertigung bezieht dabei alle Baugruppen und Maschinenmodule aus diesem Werksbaukasten.
Nun in Slowakei und China
Zwölf Millionen Euro kostete das neue Produktionswerk in Kottingbrunn, das genau vor einem Jahr, im September 2016, eröffnet wurde. Meyer ist zufrieden: Durch die neue Fertigungsweise wurden Kosten gesenkt, Zeit in der Fertigung gespart – und die Abläufe vereinfacht. Alle Maschinen bis 4.600kN durchlaufen nun die flexible Taktfertigung, „um Auftragsschwankungen zu harmonisieren“, resümiert Meyer. Die erste Zwischenbilanz kann sich jedenfalls sehen lassen: Die Produktionskapazität wurde in den vergangenen Monaten auf über 500 Maschinen pro Jahr verdoppelt, die Durchlaufzeiten um 30 Prozent verringert, und ein Umsatz von 50 Millionen Euro erwirtschaftet. Das beste Ergebnis des Unternehmens seit seiner Gründung, doch darauf will man sich bekanntlich nie ausruhen. In spätestens fünf Jahren sollen es bereits 72 Millionen Euro sein. „Wir wollen stärker wachsen als der Markt. Das geht nur mit aufgezeigten Wertschöpfungspotenzialen, frischen Ideen der Mitarbeiter, verbunden mit einem Unternehmertum mit Mut und Augenmaß“, sagt Soulier. Dementsprechend wird aktuell in zwei Werke außerhalb von Österreich investiert: Ab September wird in China für den asiatischen Markt produziert, 130 Kilometer von Kottingbrunn entfernt werden in der Slowakei Komponenten und Baugruppen vorproduziert. 20 Millionen Euro fließen heuer noch in den Neu- und Umbau der Maplan’schen Werke. Als Konkurrenz zum österreichischen Werk will man dies jedoch nicht sehen. Dieses bleibt „Hort der Kompetenz“, so Meyer.
Was Sie schon meistern: Kürzere Durchlaufzeiten und geringer Produktionskosten, unter anderem dank eines intelligenten Lagers, das Bauteile bei Bedarf vollautomatisch nachbestellt.
Womit Sie noch kämpfen: Laufende Digitalisierungsarbeit, weil ständig neue Anlagen gebaut werden, ändern sich die Fertigungsschritte, die analysiert und ins System übertragen werden müssen.