Volker M. Banholzer : Warum Europas nationalstaatliches Denken Innovationen behindert
Jetzt also auch eine Innovationsagenturinitiative aus Deutschland. Die neue Bundesforschungsministerin Anja Karliczek kündigte kürzlich auf dem Berliner Forschungsgipfel 2018 die Gründung einer neuen staatlichen Innovationsagentur für Sprunginnovationen an. Die Ministerin formulierte zudem das übergeordnete Ziel, sowohl die Lebensqualität erhöhen und Arbeitsplätze sichern zu wollen und forderte dabei von Staat und Wirtschaft die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in den kommenden Jahren noch einmal deutlich erhöhen zu erhöhen. Sie strebt mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis zum Jahr 2025 an und will damit die europäischen Spitzenreiter Schweden und Österreich überholen.
Mit der Initiative zur Gründung der neuen Innovationsagentur für Sprunginnovationen greift das BMBF einen Vorschlag auf, den die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) im Februar in einem Diskussionspapier vorgestellt hatte. Darin kritisieren die Autoren das deutsche Innovationssystem als leistungsfähig bei evolutionären und auf bestehenden Technologien aufbauenden Innovationen. Woran es mangelt sei immer noch die umfassende Kultur des Transfers von Grundlagenforschung und Wissens in die Anwendung. Forschungsergebnisse würden nur selten in völlig neuen Angeboten und Geschäftsmodellen deutscher Unternehmen münden. Es seien häufig ausländische Wettbewerber die Sprunginnovationen dann auch tatsächlich auf den Markt bringen, wie das Beispiel Quantentechnologie zeige, hier führe Deutschland die Liste der Forschungsausgaben im Europa an, liege bei entsprechenden Patentanmeldungen jedoch nur im Mittelfeld.
Deutsches Innovationssystem bislang zu konservativ
Als Teil einer Lösung des Problems sehen die Autoren des acatech-Diskussionspapiers die Innovationsagentur für Sprunginnovationen. Die soll, so hatte es auch die Ministerin übernommen, ein hohes Maß an Unabhängigkeit von politischer Steuerung und Kontrolle genießen, um auch flexibel agieren und damit die konservativen Strukturen des bisherigen Innovationssystems überwinden zu können. So könnten in gesellschaftlich relevanten Bereichen ambitionierte und risikobehaftete technologische Herausforderungen identifiziert werden und Innovatoren starke Anreize dafür geboten werden, Projekte zur Lösung dieser Herausforderungen anzugehen. Das übergeordnete Ziel, natürlich, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandort Deutschland.
Angesichts der Größe der führenden Player auf den internationalen Technologie- und Innovationsmärkten, wie China oder die USA, erscheint eine neuerliche nationalstaatliche Initiative auch oder gerade wenn Sie auf Sprunginnovationen abzielt, als zu kurz gesprungen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte noch im Herbst letzten Jahres eine EU-Innovationsagentur gefordert. Von der war in seiner jüngsten Rede vor dem EU-Parlament keine Rede mehr.
Pragmatismus statt Visionen
Dass Macron die EU in Wissenschaft und Technik stärken will, daran besteht aber kein Zweifel, was seine Haltung zu Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung unterstreicht. Angesichts der schwierigen politischen Verhältnisse in Europa bei der Abstimmung im Brexit, bei Flüchtlingen oder der Zentralisierung von Kompetenzen ist wohl eher Pragmatismus denn Visionen angesagt. Dabei wäre ein gesamteuropäischer Ansatz überaus wichtig, denn die Innovationsleistung der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gemessen anhand des Anteils am BIP der Ausgaben für Forschung und Entwicklung ist sehr ungleich verteilt. Europäische Spitze ist Schweden, mit einem Indikatorwert von 3,25 gefolgt von Österreich mit 3,04. Deutschland liegt in dieser Messung mit einem Wert von 2,94 leicht zurück, wie das efi-Jahresgutachten 2018 bilanziert. Schlusslichter sind Lettland mit einem Wert von 0,44 oder Rumänien mit 0,48. Diese Innovationskluft verschärft das strukturelle Problem des schwierigen Transfers von Wissen und Erkenntnissen aus der Forschung in die ökonomische Anwendung, sprich neue Produkte, Lösungen und vor allem auch Geschäftsmodelle. Die EU verfügt mit dem „European Institute for Innovation and Technology“ sowie den „European Innovation Council“ bereits über zwei Institutionen, die das Problem bislang nicht zufriedenstellen lösen konnten. Mit der neuen Agentur wollte Macron beispielsweise die Forschung über künstliche Intelligenz fördern. Im Zeitrahmen von zwei Jahren sollte die EU-Innovationsagentur geschaffen werden, so Macron, zunächst auf der Basis der deutsch-französischen Zusammenarbeit.
Nur ein Quantum Trost
Auf der Hannover Messe 2018 ist wieder die Bedeutung von Vernetzung und Digitalisierung für die Produktion und die Effizienzsteigerung gefeiert worden. Und die Erfolge in der Industrie 4.0-Readiness. Angesichts der Visionen von Macron für eine europäische KI-Förderung, eine Förderung der Wissenschaft und Technologieentwicklung auf EU-Ebene, dem verhallten Impuls des japanischen Ministerpräsidenten Abe, der auf der Cebit 2017 Bundeskanzlerin Merkel zur Zusammenarbeit unter der Überschrift Societey 5.0 aufrief, vor diesem Hintergrund erscheint die wahrscheinlich durchaus sinnvolle Gründung einer deutschen Innovationsagentur für Sprunginnovationen nur als ein Quantum Trost. (vb)