Industrie 4.0 : Wann sich Retrofitting lohnt

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Verglichen mit dem Neuerwerb (Greenfield-Anlage) von Maschinen bietet das Retrofitting (Brownfield-Anlage) einige Vorzüge. Das wichtigste Argument sind natürlich die niedrigen Investitionskosten. Diese belaufen sich dann meist auf nur einen Bruchteil der Kosten für eine neue Maschine. Trotzdem kann durch das Nachrüsten verschiedener Bauteile mit einem geringeren Kapitaleinsatz die gesteckten Ziele ebenfalls erreicht werden: Verlängerung der Nutzungsdauer, Verringerung von Ausfallzeiten, optimierte Sicherheit, geringere Produktionskosten durch Verbesserung von Energieeffizienz, Produktivität und Produktqualität. Dafür sprechen auch keine kostenintensiven Um- oder Neubauten der Fertigungshallen. Zudem ist der Aufwand für Schulungen beim Retrofitting im Vergleich zur Neuanschaffung deutlich geringer, da die Grundfunktionalität der Maschine erhalten bleibt. Unabhängig davon, ob man von einer Überholung der Maschinen, also Aufrechterhaltung der Funktionalität, ausgeht oder ganze Anlagen für die Digitalisierung erweitert, Retrofitting ist vor allem im Sondermaschinen- und Anlagenbau ein großes Thema.

Datenerfassung bei Bestandsanlagen

Für die Umsetzung von Industrie 4.0 werden Bestandsanlagen mit moderner Sensorik und Kommunikationstechnik ausgestattet. Dadurch soll die Erfassung und Analyse von Produktionsdaten sowie die Vernetzung und Kommunikation zwischen den Anlagen ermöglicht werden. „Für die Einführung von Industrie 4.0-Anwendungen müssen möglichst alle in den Anlagen verbauten Geräte und Maschinen vollständig vernetzt sein“, unterstreicht Hans Huber, Endress+Hauser, General Manager Industrial Internet of Things. Bei der Implementierung ist zunächst einmal die Erstellung eines digitalen Zwillings erforderlich, quasi einer virtuellen Maschine, die möglichst genau die Funktionsweise der Anlage wiedergibt. Auf diese Weise kann nicht nur festgestellt werden, wo und in welchem Ausmaß Veränderungen vorgenommen werden sollen, sondern auch in welchen Bereichen sich eine Digitalisierung eignet.

Nachrüsten ohne Eingriff in SPS-Steuerung

Die nachgerüsteten Sensoren können physische Größen wie zum Beispiel Temperatur, Stromverbrauch oder Druck messen. Die Messwerte werden dann in Form eines IoT-Gateways ausgelesen und digital erfasst. Daher sind auch keine Eingriffe in die sensible SPS-Steuerung der Maschine erforderlich. Über das Netzwerk werden die gewonnenen Daten dann von einer Software visualisiert, analysiert und gegebenenfalls mit anderen Produktionsdaten zusammengeführt. So kann die Maschine unabhängig von Zeit und Ort über ein Dashboard überwacht werden. Diese Daten liefern dann eine solide Basis für die Planung, Steuerung und Optimierung der Produktion. Sind schließlich alle Daten von allen Maschinen verfügbar, so können in der Folge Produktionskennzahlen wie zum Beispiel die OEE (Overall Equipment Effectiveness) oder der Nutzungsgrad ermittelt werden. Vor allem die Prognose dieser Kennzahlen ermöglicht eine intelligente Automatisierung der Produktion wie zum Beispiel als vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance).

Wann Retrofitting zu teuer wird

Ein digitales Retrofitting ist im Grunde bei jeder Maschine, unabhängig von ihrem Alter und ihrer Nutzungsdauer möglich. „Im Bereich Retrofitting bringen immer mehr Hersteller Nachrüstlösungen in den Markt, die vor allem preislich attraktiv sind“, so Huber. „Gerade im Bereich Retrofitting sind kabellose Lösungen angesagt, damit die Umbaukosten überschaubar bleiben. Mithilfe der Prinzipien der Open Industry 4.0-Alliance lassen sich diese Lösungen schnell, einfach und sicher in die Anwendung integrieren.“ Trotzdem muss ein Retrofitting nicht immer die bessere Alternative zu einem Neuerwerb sein. Denn während sich manche Maschinen eher für ein Retrofitting qualifizieren, ist die Umrüstung bei anderen enorm aufwendig und damit teuer. Daher empfiehlt sich vorab stets eine Kosten-Nutzen-Analyse.

Fazit

Doch Retrofitting bedeutet mehr als nur der Austausch in die Jahre gekommener Anlagenteile. Meistens werden in diesem Zuge auch das komplette Bussystem sowie die damit verbundenen Sensoren und Messinstrumente digitalisiert. Das jeweilige Bussystem hängt in der Regel von der implementierten IT-Infrastruktur des Unternehmens und den bereits in anderen Anlagen eingesetzten Modulen ab. Stehen eine Maschine oder ein Maschinen-Verbund an mehreren Standorten zur Verfügung, lassen sich Rückschlüsse auf deren Produktivität erkennen und die Maschinen können optimiert werden. Das heißt, die Digitalisierung der Anlagen und Maschinen macht sich trotz aller Kosten binnen weniger Jahre bezahlt. Zudem dient eine solche Maßnahme auch der Predictive Maintenance, also Reparaturmaßnahmen, die innerhalb einer großen Anlage quasi vorausschauend durchgeführt werden können. Das ist günstiger als Stillstände sowie eine mühsame Fehlersuche innerhalb der Anlage, die recht schnell sehr kostenintensiv werden können.