Andreas Syska : Unternehmen, wollt Ihr ewig leben?
Das Geld ist verdient - die Kunden sind glücklich. Warum hört also das Unternehmen nicht einfach auf? Stattdessen gibt es lebensverlängernde Maßnahmen in Form von Pseudoprodukten und -dienstleistungen auf dem Rücken der Kunden. Müdes Facelifting wird als Innovation verkauft. Das Unternehmen wird künstlich beatmet und muss dabei auch noch wachsen. Natürlich nicht absolut, sondern prozentual, also exponentiell. Vernünftig ist das nicht.
Wir könnten auch anders
Früher nannte man Unternehmen Unternehmungen. Und dies trifft es besser. Denn eine Unternehmung ist ein Projekt, hat also einen Beginn und ein Ende. Machen wir deshalb aus dem Unternehmen eine zeitlich begrenzte Unternehmung, dessen Lebenszyklus dem Produktlebenszyklus folgt. Dabei findet die Wertschöpfung in temporären Netzwerken statt, die sich mittels digitaler Plattformen immer wieder neu konfigurieren. Nach Abschluss einer Unternehmung wird das zugehörige Wertschöpfungsnetzwerk gelöst. Die beteiligten Menschen und das Kapital suchen sich neue Netzwerke.
Die hierfür benötigte Infrastruktur wird nicht mehr besessen, sondern man hat hierauf Zugriff. Und wenn tatsächlich mal eine Betriebsstätte benötigt wird, dann wird sie per 3D-Druck erzeugt und nach Beendigung der Unternehmung zurückgebaut und die Materialien dem Stoffkreislauf zugeführt. Der Wert der Unternehmung bemisst sich nicht anhand von Assets, sondern an Vernetzungs- und Beziehungsqualität. Die technischen Möglichkeiten sind hier weiter, als unsere Vorstellungskraft und unser Mut.
Flüchtige Netzwerke, statt fester Strukturen?
Und was wird denn dann aus den Menschen? Nun, sie kommen endlich aus der Jobfalle. Wie ist es denn heute? Das Hochgefühl der Sicherheit einer Festanstellung weicht der Ernüchterung, sobald der Blick auf den Teil des Arbeitsvertrags fällt, der sich mit Kündigungsfrist und Abfertigung befasst. Schlimmer noch: die gesamte wirtschaftliche Existenz des Menschen hängt oft vom Wohlwollen einer einzigen Person ab, des Vorgesetzten. Arbeit wird häufig nicht freudig verrichtet, sondern stumm erlitten. Das Gefühl der Freiheit stellt sich erst nach Feierabend ein, die Jahre bis zum Ruhestand werden gezählt. Und was bitteschön soll daran gut sein?
Joboptionen
Statt einer einzigen Festanstellung – bei der man auch richtig danebengreifen kann – gibt es in temporären Netzwerken täglich neue Chancen – ich nenne sie: Joboptionen. Alle sind frei, denn Arbeitgeber und Arbeitnehmer im eigentlichen Sinne existieren nicht mehr, schließlich besteht allgemeines Unternehmertum, wie in der vorletzten Kolumne erläutert. Deshalb gibt es auch keine Vorgesetzte mehr. Die Bewertung der Arbeit der Menschen kommt aus dem Netzwerk selbst in Form von Professional Scores, basierend auf objektiven, da automatisch erfassten Performanceindikatoren. Der erzielte Professional Score bestimmt den Marktpreis des Einzelnen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen bei dem Gedanken geht. Ich jedenfalls würde lieber heute als morgen so arbeiten. Digitalisierung ist hier der Enabler, aber nur, wenn wir endlich den Mut haben, Wirtschaft neu zu denken.