Funkstrahlen : Tabuthema Mobilfunk: Machen die Strahlen tatsächlich krank?
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Macht Mobilfunk tatsächlich krank? Ein Gericht in Italien hat diese Frage sensationell mit einem weltweit erstmaligen Richterspruch bejaht. Der Kläger gab stundenlanges berufliches Telefonieren mit dem Handy über viele Jahre hinweg als Ursache für seinen Gehirntumor an. Damit wurde ein Gehirntumor durch Handy-Nutzung erstmals als Berufskrankheit anerkannt. Kann also stundenlanges Telefonieren mit dem Handy die Entstehung von Tumoren beeinflussen? Was sagt die Wissenschaft dazu? Hier herrscht seit Jahren ein großer Meinungsstreit in der Wissenschaft, der bisweilen sogar bis unter der Gürtellinie ausgetragen wird. Zu den Verfechtern der Harmlosigkeit von Mobilfunkstrahlen gehört der Wissenschaftler Alexander Lerchl von der privaten Jacobs University Bremen. Er vertritt die Ansicht, dass aus biophysikalischer Sicht neben thermischen Effekten, die durch Grenzwerte ausgeschlossen werden, keine weiteren, bisher unbekannten Wirkungsmechanismen identifiziert werden können. Doch einige Wissenschaftler halten kräftig dagegen: Zum Beispiel kam die aktuelle und bislang umfassendste Studie vom National Toxicology Program (NTP) der US-amerikanischen Regierung, zu dem Ergebnis, dass die nicht-ionisierende Mikrowellenstrahlung zu Tumoren führen kann. Man beachte hierbei die Betonung auf das Wort „kann“ „Die NTP-Ergebnisse liefern einen deutlichen Hinweis auf die Gentoxizität von Mobilfunkstrahlung“, sagte Ronald L. Melnick, ehemaliger Teamleiter der NTP-Studie. „Dies sollte die alte Behauptung ad acta legen, dass Mobilfunkstrahlung keine DNA-Schäden hervorrufen kann.“
Studien stimmen nachdenklich
Bei der NTP-Studie handelt es sich um eine klassische Untersuchung, die durchgeführt wurde, um die Entstehung von Krebs beim Menschen besser zu verstehen. Zu diesem Zweck wurden Ratten bestrahlt. Bei einer Gruppe von Versuchstieren wurden Tumore und bei einer zusätzlichen Gruppe präkanzerogene Zellveränderungen entdeckt. Wogegen sich in der Kontrollgruppe keine Tumoren entwickelten. Neben dieser Studie liegen noch weitere große epidemiologische Studien (Interphone, Cerenat und Hardell) vor, die ebenfalls einen statistischen Zusammenhang zwischen der Langzeitnutzung von Funkstrahlung und Hirntumoren belegen. Aus diesem Grunde nahm ein Expertengremium der internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) in Lyon, welche zur WHO gehört, im Jahre 2011 hochfrequente elektromagnetische Felder in die Gruppe 2B als „möglicherweise krebserregend“ auf. „Somit weisen eine Reihe von Studien der letzten 15 Jahre auf krebsauslösende und promovierende Wirkungen von RF-EMF hin, die zusammengenommen der von Industrie und Politik behaupteten Harmlosigkeit der Mobilfunkstrahlung entschieden widersprechen“, erklärt Franz Adlkofer, Koordinator EU-REFLEX-Studie (2000 bis 2004), Vorstand der Pandora–Stiftung für unabhängige Forschung. Überrascht hat allerdings Lerchls Bestätigung hinsichtlich einer Wiederholungsstudie des Frauenhofer-Instituts, die bereits 2010 die krebspromovierende Wirkung der Strahlung an Mäusen nachwies. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir die Ergebnisse reproduzieren können“, so Lerchl. „Dass Tumore unter Strahlung, zumindest bei Mäusen, schneller wachsen, ist eine neue Erkenntnis.“ Ob nun Mobilfunkstrahlen Krebs potenziell verursachen kann, will er trotzdem nicht bestätigen. Manchmal sind es nur sprachliche Feinheiten, die einen gewissen Unterschied ausmachen: „Industrieorientierte Kreise lassen gerne mit Überzeugung verlauten, dass Funkstrahlung keinen Krebs verursacht“, betont Günter Dolak, Verein Strahlenschutz am Bodensee e.V. „Sie wissen jedoch meist sehr genau, dass Funkstrahlung Krebs sehr wohl fördert.“
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Mit Li-Fi Belastung reduzieren
Für eine Minderung der betrieblichen Strahlenbelastung sollten Unternehmen ihre Kommunikationssysteme überprüfen und feststellen, wie viel Strahlung für ihre Kommunikation überhaupt nötig ist, um das erforderliche Datenvolumen zuverlässig zu übertragen. „Die Ergebnisse sind verblüffend und zeigen, dass man meist mit einer sehr geringen Strahlenbelastung auskommt“, sagt Klaus Buchner, Mitglied des Europaparlaments, Vorstand der Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e.V. Als Alternative stehen zunächst einmal Kabel- bzw. Glasfaseranschlüsse zur Verfügung. Kabel für den Anschluss von Computern sind sowieso leistungsfähiger, weniger störanfällig, viel sicherer und im Betrieb günstiger als Funklösungen. Des Weiteren sollten Betriebe prüfen, ob sich eine Visible Light Communication-Technologie (VLC), auch Li-Fi (Light Fidelity) genannt, als Komplementär-Lösung eignet. VLC ist eine optische Freistrahlkommunikation, die LED-basierte Beleuchtungsquellen zur Datenübertragung nutzt. Dafür kann im Grunde jeder LED-Leuchtkörper – von der Schreibtischlampe bis zur Straßenlaterne - als Netzwerkknotenpunkt genutzt werden. „Alle Komponenten existieren bereits, sie müssen nur richtig zusammengesetzt werden“, bekräftigt der Entwickler Harald Haas, Universität Edinburgh. „In Zukunft werden wir weltweit nicht einfach 14 Milliarden Lampen haben, sondern möglicherweise 14 Milliarden Li-Fis.“ In Laborsituationen wurden mit Li-Fi bzw. VLC bereits Übertragungsraten von 10 Gigabit pro Sekunde gemessen. Das ist um ein Vielfaches schneller als WLAN und ermöglicht die problemlose Übertragung von Videodaten in HD- und 4K-Qualität. Neben der Vermeidung von Gesundheitsrisiken, soweit bis jetzt bekannt, und einem viel höheren Datendurchsatz steht VLC auch für viele andere Vorteile: „Ein niedriger Energieverbrauch, eine erhöhte Betriebssicherheit (wegen der niedrigen Bitfehlerraten) sowie eine bessere Abhörsicherheit“, so Buchner. VLC könnte zum Beispiel in kritischen Umgebungen wie beispielsweise Krankenhäusern, Labors, Schulen, Messehallen, Museen und Finanzunternehmen zum Einsatz kommen.
Alternative zum Mobilfunk
Für das Pilotprojekt „VLC Mainau“ wird ein Konferenzraum mit VLC-Technologie auf der Insel Mainau installiert. An der Ausstattung des Konferenzraumes, die in mehreren Aufbauschritten erfolgt, sind das Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, das Heinrich-Hertz-Institut HHI und die Mainau GmbH beteiligt. Das Projekt soll Erkenntnisse für eine praxisorientierte Parameteroptimierung liefern. Damit ist diese VLC-Installation - außerhalb einer Laborumgebung - die erste in Deutschland und einer der wenigen Feldtests dieser Art weltweit. „Momentan befinden wir uns noch in einem ‚Zwischenstadium‘, erklärt Anagnostis Paraskevopoulos, Projektleiter am Fraunhofer HHI. „Wir haben jetzt die Laboruntersuchungen verlassen und bauen im HHI Prototyp-Systeme, um die Funktionalität zu demonstrieren, die wir auch bei externen Partnern installieren.“ Zu den Vorteilen von VLC kommt hinzu, dass die Technologie mit anderen Funkverbindungen nicht interferiert und somit insensibel für mögliche Funkstörungen ist. Solche Probleme tauchen relativ häufig in der Industrieproduktion auf.
Fazit
Die Diskussion über die Gefahren der Mobilfunkstrahlen ähnelt etwas der alten Diskussion über die Gefahren des Rauchens. Wobei die Risiken seit rund 60 Jahren als gesichert gelten, vertrat die Industrie ebenso klar ihre Interessen. Erst als der Staat handelte und das „Passivrauchen“ gesetzlich verbot, entspannte sich die hitzige Diskussion um die gesundheitlichen Nikotinrisiken. Doch Mobilfunk ist nicht alternativlos: Es stehen heute bereits Technologien in den Startlöchern, um die Dauer- und Zwangsbestrahlung einzudämmen oder zu verhindern.