Sprachassistenz : Tablet Solutions entwickelt "Alexa" für die Industrie
Alarm! Die Produktion steht still, bei einer Anlage gibt es eine Störung. Und jetzt? „Einfach fragen, welche Lösung es geben könnte“, sagt Benjamin Schwärzler, Geschäftsführer von Tablet Solutions. Das Wiener Unternehmen hat sich auf die Entwicklung eines digitalen Sprachassistenten für Industriebetriebe spezialisiert. Gefragt wird deshalb auch kein Kollege, sondern das Tablet: „Das geht ganz einfach, indem man dem Sprachassistenten sagt, um welche Anlage es sich handelt. „Das könnte dann beispielsweise lauten: ‚Bei Anlage Nr. 5 gibt es in der Y-Achse Probleme mit der Spindel.‘ Das System durchsucht dann, welche Störungen es gegeben hat – und antwortet vielleicht: ‚Vor zwei Jahren gab es schon dasselbe Problem‘, gibt Lösungsvorschläge und sagt auch, wer damals die Störung behoben hat. So kann man sich dann gleich an den richtigen Kollegen wenden, der sich mit dem Problem bereits auskennt.“
„WorkHeld“ ist die erste Field Management Software mit intelligenter Sprachsteuerung am deutschen Markt. Gearbeitet wird ähnlich wie mit Augmented Reality-Lösungen (AR): Der Techniker erhält direkt an der Anlage oder auf der Baustelle jene Informationen, die er benötigt. In der Entwicklung sei man aber schon weiter als AR, sagt Schwärzler: „Mit unserem Sprachassistenten schaffen wir genau das, was AR-Technologien bis jetzt noch nicht können: die ständige Verfügbarkeit von Daten und bei der Abfrage bleiben die Hände frei. Techniker bekommen Informationen ohne ihre Arbeit unterbrechen zu müssen.“ Arbeitsanweisungen werden direkt an Ort und Stelle per Sprachkommando abgefragt. Dafür sei auch keine lange Einschulung nötig: „Das System ist intuitiv zu bedienen. Der große Vorteil an der Sprache ist, dass sie uns viel näher liegt als eine Datenbrille. Da braucht man nicht viel erklären.“
Wissensmanagement für Betriebe
Seit 2015 arbeitet Schwärzler mit seinem Start-up an der Technologie, die mittlerweile auch bereits in etlichen Unternehmen eingesetzt wird. Einer der ersten Kunden war der Seilbahnhersteller Doppelmayr: 100 Tablets mit Tablet-Solutions-Technologie werden seit zwei Jahren von den Technikern im Außendienst verwendet. Sie rufen Baupläne, Checklisten oder Stücklisten am Tablet ab. Werden im Back-Office Änderungen durchgeführt, bekommt der Techniker „live“ alles auf sein Endgerät. „So sind alle Beteiligten immer auf dem neuesten Stand des Projekts“, sagt Schwärzler, der „WorkHeld“ vor allem für den Einsatz im Außendienst entwickelt hat. „Unsere Idee war, ein System zu entwickeln, das alle wichtigen Informationen per Sprache abrufbar macht. Ziel ist, ein Wissensmanagement im Betrieb aufzubauen.“
Digitaler Wissenstransfer
Denn das sei eine der großen Herausforderungen in Industriebetrieben: Wissen verfügbar machen. „Derzeit ist es so, dass Techniker meist über sehr viel Know-how verfügen, es aber nicht weitergeben. Wir haben uns deshalb mit der Frage beschäftigt, wie wir an dieses Wissen in den Köpfen der Techniker kommen“, so Schwärzler. Ob und wie viel ein neuer Mitarbeiter von erfahrenen Kollegen erlernen kann, hängt in den meisten Betrieben damit zusammen, wie viel Zeit für die Einschulung tatsächlich zur Verfügung steht – und wer diese Einschulung übernimmt. Vorsichtig ausgedrückt: Viele Techniker wissen viel, wollen oder können ihr Wissen aber nicht (oder zumindest nicht vollständig) weitergeben. Gründe dafür gibt es viele, Lösungen aber bisher nur wenige. „Es ist einfach so: Techniker, die in der Instandhaltung tätig sind, tippen nicht gern. Die Arbeit muss aber trotzdem dokumentiert werden, wenn man das Wissen erfassen will.“
Künstliche Intelligenz macht‘s möglich
Und hier kommt nun „WorkHeld“ ins Spiel: Der Sprachassistent kann nämlich nicht nur Informationen widergeben, sondern auch Schlüsse aus dem menschlichen Verhalten ziehen. Er speichert es alle Daten und Anfragen ab – und verknüpft andere relevante Informationen damit. Möglich ist das durch die künstliche Intelligenz des Systems, die im Hintergrund mitläuft, wie Schwärzler erklärt: „Im Grunde kann man sich das so vorstellen: Man macht eine Dateneingabe, das System liefert etwas zurück, dann gibt es weitere Interaktionen – oder auch nicht. Wenn das Gespräch nicht weitergeht, wird daraus ebenso ein Schluss gezogen wie aus weiteren Frage-und-Antwort-Runden.“
In der Praxis läuft eine Abfrage wie ein normales Gespräch ab: Der Techniker will etwas wissen, fragt darum, bekommt eine Antwort. Wenn er noch mehr wissen will, fragt er ein weiteres Mal nach – solange, bis alle Fragen beantwortet sind. „Wir sehen das System als digitalen Experten, den man alles mögliche fragen kann“, so Schwärzler. Eine Besonderheit sei auch, dass der Sprachassistent schnell lernt: „Er merkt sich Kunden- und Projektnamen, ordnet Informationen zu und erweitert auch ständig sein Sprachverständnis.“ Auf die Frage, ob der Assistent dann auch bald urige österreichische Dialekte beherrschen wird, muss der IT-Entwickler lachen: „Wir arbeiten daran, aber das könnte schwierig werden.“