Computertechnologie : Tablet-PC: Wunderflunder auf Siegeszug

„Was tut ein Monteur, der auf einer 30-Meter-Stütze irgendwo in Russland sitzt und merkt, dass er den Plan vergessen hat?“, fragt Sascha Riedler – und nennt die Alternativen. „Möglichkeit eins: Er muss die Stütze wieder runterklettern, 500 Meter in das nächste Baumeister-Büro laufen, den Plan holen, auf die Stütze raufklettern, nur um dann festzustellen, dass der Plan mit der Lieferung nicht übereinstimmt. Ein Zeitaufwand sondergleichen.“ Möglichkeit zwei: Er hat einen Tablet-PC bei sich. Als Sascha Riedler, Logistikleiter bei Doppelmayr, auf den WU-Studenten Benjamin Schwärzler traf, fanden sie schnell das gemeinsame Thema. Schwärzler untersuchte für eine Studie die Einsatzmöglichkeiten für moderne Tablet-Computer in Produktionsunternehmen. Im Falle des Monteurs in Russland sind die Tablet-PCs eine willkommene Lösung. Stimmt die Lieferung mit dem Plan nicht überein, wird das Tablet hervorgeholt, ein Foto gemacht und an den Techniker verschickt. „Oder der Mann holt sich ein Live-Feedback via Webdienst wie Skype oder Viber“, erklärt Riedler, „das Problem wird gefilmt, und man kann mit dem Techniker live beraten, was zu tun ist“. Die enorme Effizienzsteigerung erklärt sich von selbst. Das einzige Problem, das man auf einer russischen Baustelle mit dem Tablet haben könnte, ist der Internetzugriff. „Im Moment arbeitet Doppelmayr mit SIM-Karten. Der größte Kostenfaktor dabei sind die Roaming-Gebühren“, versetzt Riedler dem Ganzen einen kleinen Seitenhieb. Er schlägt einen Spezialvertrag mit heimischen Telekommunikationsunternehmen als alternative Lösungsmöglichkeit vor. Sargnagel für das iPad? Doppelmayr begann seinen Tablet-Testlauf mit sieben iPads, vier fanden Anwendung auf der Montage, zwei in der Fertigung und eines im Lager. Während Montage und Fertigung eher einen Sargnagel für das iPad bedeuteten, war es für die Lagerlogistik kein Problem.Hier geht´s weiter
„Für das Abarbeiten von Rüstlisten und den Versand funktionierte das iPad tadellos“, so Riedler, „aber für die Werkshallen ist es einfach viel zu fragil.“ Ein weiteres Problem war der iPad-Screen, der für die Monteure einfach zu klein war, da in der Fertigung Pläne über PDFs und damit im A4-Format laufen. „Wenn der Monteur 200 Seiten Plan hat und bei jeder Seite reinzoomen muss, funktioniert das für die Fertigung nicht“, sagt Sascha Riedler. Doch nicht nur das Zoomen stellte sich als K.o.-Kriterium für das iPad heraus, sondern auch das Drop-Down-Menü für den Touchscreen hatte seine Tücken, da Ansätze für Maus, Stift oder Tastatur fehlen und diese von Monteuren oft genutzt werden.Reibungsflächen mit dem iPad Zur Jahreswende stellt Doppelmayr seinen kompletten Betrieb auf ein neues ERP-System um, auch hier kam es zu Reibungsflächen mit dem iPad, da die Mac-Software mit einem Windows-basierten ERP-System einfach nicht harmoniert. „Ich brauche Dinge, die funktionieren, und diese müssen nicht modisch oder modern sein“, resümiert Sascha Riedler den Testlauf. Auch wenn es den Anschein hat, als wäre das iPad das sprichwörtliche „Salz in der Suppe“, hat der Testlauf zumindest gezeigt, dass das Kommen der Tablet-PCs nicht mehr aufzuhalten ist. Doppelmayr will nach der Einführung des ERP-Systems mit einer neuen Testreihe von Tablet-PCs starten. Aber dieses Mal mit dem Tablet-PC DT312 von WETIF, da es sich besser für Bedürfnisse von Doppelmayr eignet. Es hat einen Bildschirm von 10.4 Zoll, Schnittstellen für Magentkartenleser, 1D- und 2D-Barcodescanner, Chipkartenscanner und eine Drei-Megapixel-Kamera. Dank seiner Gummiprotektoren ist es spritzwasserfest und überlebt eine Fallhöhe von 1.2 Metern problemlos. Betriebssysteme sind Windows XP Embedded, XP Tablet PC Edition (=XPprofessional+), Windows 7 Professional oder Windows 8 ready. Doppelmayr will während dieser zweiten Testlaufphase herausfinden, ob sich das neue Tablet vor allem für das Lesen von RFID und Barcodes eignet – fundamentale Voraussetzung für das Unternehmen. Widerspenstigkeit trifft auf Effizienz Auch wenn das Kommen der Tablets laut Riedler nicht mehr aufzuhalten sei, stößt es immer noch auf Widerstand – und dieser spiegelt sich vor allem in der älteren Generation wider. „Ein Leben lang in Papier geblättert und plötzlich einen PC in Händen“: Dass das für viele ältere Mitarbeiter gewöhnungsbedürftig ist, versteht Sascha Riedler durchaus. Aber dafür sei die junge Generation umso begeisterter. „Papier wird man immer brauchen“, doch wenn man bedenkt, dass das Unternehmen im Moment viermal im Jahr eine Palette Papier mit rund 120.000 Blatt herankarrt, wäre ein mobiler Begleiter nicht nur effizienter sondern auch umweltschonender. Zeitersparnis gleicht Anschaffungskosten aus Bei einem stattlichen Preis von rund 1.500 Euro pro Stück ist die Frage, „ob es sich denn nun wirklich auszahlt“, durchaus begründet. Sascha Riedler ist zuversichtlich: „Es wurden im Testlauf nicht die Einsparungen auf den Cent genau gemessen, aber wenn der Lagerist kommt und bestätigt, dass er jetzt viel weniger Zeit als vorher braucht, ist das bereits ein großer Gewinn.“
Der ehemalige Produktionsleiter der Elektro-Werkstätte bei Doppelmayr ist sicher: „Auch wenn man Papier immer brauchen wird, ein Kommen der Tablets ist nicht mehr aufzuhalten.“ Ein Eroberungsfeldzug der Wunderflunder mit Aussicht auf Sieg.