Digitale Transformation : So verschmelzen Fanuc, Kuka und Stäubli virtuelle und reale Produktionswelten
Mit welch rasanten Entwicklungsschritten die digitale Vernetzung in den Fabriken Einzug hält, überrascht selbst Brancheninsider. Der Grund dafür: Obgleich „smart werden“ Geld kostet, rechnen sich die Investitionen. Das belegt auch eine aktuelle Studie mit dem Titel "The Digitalization Productivity Bonus: Sector Insights" der Siemens Financial Services (SFS). Demnach können Hersteller durch Automatisierung und Digitalisierung ihrer Produktionssysteme eine jährliche Produktivitätssteigerung durch Senkung der Fertigungskosten von bis zu 9,8 Prozent erreichen.
Cloudbasierte Produktionslösungen
Bereits zum jetzigen Zeitpunkt beweisen zahlreiche Praxisbeispiele, wie effizient und hochproduktiv die smarte Produktion sein kann. Beispiel Kuka: Bei der Fertigung von Roboterbauteilen in einer vollautomatisierten, vernetzten Zelle verbindet Kuka die analoge und digitale Welt. Die Zelle zeigt, wie ein Roboter in Zusammenarbeit mit zwei Bearbeitungszentren Roboterbauteile produziert. Ein Sechsachser übernimmt dabei die Handhabung der Gussbauteile. Mit seinem über eine Lineareinheit erweiterten Arbeitsbereich kann er beide Bearbeitungszentren bedienen und zusätzlich Entgratarbeiten verrichten. Soweit die analoge Welt.
Die Verbindung zur digitalen Welt erfolgt durch die Vernetzung aller beteiligten Komponenten miteinander und mit der Kuka Cloud. Dabei sind alle aktiven Komponenten der Zelle in die Smart Produktion Umgebung eingebunden. Sämtliche Daten der Maschinen, der Roboter, der Bearbeitungsspindel und der Werkzeuge werden in der Kuka Connectivity Box gesammelt, an die Cloud weitergegeben, verarbeitet und in konfigurierbaren Übersichten, den sogenannten Dashboards, visuell dargestellt. Damit haben Werker, Instandhaltung und Management zu jeder Zeit und an jedem Ort uneingeschränkte Transparenz über den Produktionsprozess.
Digital vernetzter Werkzeugbau bei Audi
Welche Vorteile die digitale Vernetzung bei der Bearbeitung von Umformwerkzeugen bringt, demonstriert das Audi Kompetenzcenter Anlagen-/ Umformtechnik. Was man hier nicht mag: Prozesse, die der digitalen Vernetzung entgegenstehen. Deshalb ersetzt jetzt ein Roboterbearbeitungszentrum vier Radialbohrwerke.
Mit dieser wegweisenden Anlage vollzieht Audi einen weiteren entscheidenden Schritt auf dem Weg zum Werkzeugbau 4.0. Worum es dabei geht, erläutert Gereon Heidrich, Leiter Maschinentechnik im Kompetenzcenter: „Für das Einbringen der Entlüftungsbohrungen in Umformwerkzeuge kamen bislang Radialbohrwerke zum Einsatz. Die Nachteile dabei: Das Verfahren ist nicht automatisierbar, zeitintensiv und mit hohem Personalaufwand verbunden. Und: Es passt nicht zum Konzept Werkzeugbau 4.0, bei dem die digitale Vernetzung aller Prozessschritte Programm ist.“
Seit kurzem übernimmt ein hochpräziser Industrieroboter TX200 von Stäubli die Tieflochbohrungen. Der große Vorteil der jetzt durchgängig digitalen Prozesskette: Die Positionen für die Bohrungen, die früher aufwendig in der Werkshalle bestimmt werden mussten, lassen sich heute bereits bei der Werkzeugauslegung im CAD-System festgelegen und in das Offline-Programmiersystem der Roboterzelle übernehmen. Mit dem digitalen Prozess entfällt dieser Aufwand komplett. Das Resultat: eine Reduzierung der Durchlaufzeiten von rund 60 Prozent.
In München wird die IoT-Automation Realität
Dass die Zukunft der industriellen Fertigung komplett vernetzt sein wird, welche Vorteile daraus resultieren und wie einfach die dafür erforderlichen, offenen Netzwerke zu realisieren sind, werden die Aussteller auf der automatica belegen. Bereits heute steht fest: Bei vielen Anbietern lautet das Messemotto „Industrie 4.0“, „Smart Factory“ oder „digitale Vernetzung“ und die Innovationen, die in München präsentieren werden, haben eher revolutionären als evolutionären Charakter.
Beispiel Fanuc: Der japanische Roboterriese stellt mit dem Field System (Fanuc Intelligent Edge Link and Drive) eine intelligente Plattform für den Datenaustausch in Echtzeit bereit. Dazu Fanuc Geschäftsführer Matthias Fritz: „Aus unserer Sicht ist Field ein Meilenstein industrieller Vernetzung.“ Zu den erprobten Modulen dieser Plattform gehört die Operation Management Software „Linki“, die innerhalb des Systems Maschinendaten erfasst, sortiert, hostet und auswertet. So lassen sich die „Lebensfunktionen“ einer Maschine überwachen und Konsequenzen für eine präventive Wartung ziehen.
Diese Teilaufgabe übernimmt „Zero Down Time“ (ZDT), ein Modul das in der Automobilindustrie bereits erfolgreich im Einsatz ist. In den USA organisiert General Motors inzwischen die vorbeugende Instandhaltung für über 10.000 Roboter mit ZDT. Doch Field kann noch mehr: Es umfasst auch Industrie 4.0-Funktionalitäten wie „Deep Learning“, bei denen sich Roboter gegenseitig ihre „Erfahrungen“ mitteilen.
Derzeit arbeiten Roboter- und Komponentenhersteller mit Hochdruck an zukunftsweisenden Lösungen, um die richtigen Daten am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt bereitstellen zu können und die Basis für eine intelligente Vernetzung zu schaffen. Dabei macht die Dynamik, mit der die digitale Transformation die industrielle Automation verändert, die kommende automatica zum Pflichttermin für alle Anbieter und Anwender von Automatisierung und IT. Mit einem eigenen Themenbereich IT2Industry in Halle B4 bietet die automatica auch eine Plattform für IT-Anbieter.
Über die automatica: Die automatica ist die Leitmesse für intelligente Automation und Robotik. Sie vereint das weltgrößte Angebot an Industrie- und Servicerobotik, Montageanlagen, industriellen Bildverarbeitungssystemen und Komponenten. Hinter dem industriegetriebenen Konzept der automatica stehen die Messe München GmbH und der VDMA Robotik + Automation, ideell-fachlicher Träger der Messe. Die automatica hat einen zweijährigen Rhythmus; die nächste Ausgabe findet vom 19. bis 22. Juni 2018 in München statt.