Logistikprozesse : So verheiraten Sie die Produktion mit der Logistik

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Es gibt Vieles, was die Produktion täglich schnell bremsen kann und den Produktionsleitern den Schweiß auf die Stirn treibt. Das der Produktionsprozess einerseits und die dahinter stehende Logistik anderseits nur zu oft zwei eigene Welten bilden und erst über komplizierte Schnittstellen verzahnt werden ist hinlänglich bekannt. Die Frage, die sich immer mehr Produktionsbetriebe stellen lautet daher und klingt auf den ersten Blick simpel: Wie können beide Welten besser miteinander verbunden und so Synergien genutzt werden. Die Wiener Software-Schmiede Konz-Cept Management Information Services hat mit dem Manufacturing Management System (MMS) eine nach eigenen Angaben einzigartige Standardsoftware entwickelt mit der sich Fertigungsprozesse in der Automobilindustrie optimieren lassen. Beim heimischen Autohersteller Magna in Graz beispielsweise werden 95 Prozent der Autoproduktion mit MMS gesteuert, ist Konrad Klein, Geschäftsführer und Anteilseigener von Kon-Cept stolz. Doch auch so bekannte Namen wie BMW, Ford, Magna oder Audi verwenden diese Software. MMS steht derzeit (noch) für sechs Module, die unabhängig voneinander alle wesentlichen Kernprozesse der Fahrzeugfertigung abdecken. MMS fungiert als Framework und bietet alle Kernfunktionen, die von allen Modulen genutzt werden. „Um das System nicht komplexer zu machen als für den jeweiligen Produktionsprozess notwendig kann der Anwender nur das konfigurieren und betreiben, was er benötigt“, erklärt Klein das MMS-Prinzip. Eine Neuheit am Start.

Woran Kon-Cept derzeit mit viel Empathie arbeitet ist, MMS durch ein weiteres Modul, nämlich LOG für Logistik zu ergänzen, um den Autoherstellern eine optimale Verzahnung zwischen Produktion und Logistik zu ermöglichen. „Logistik muss mit der Produktion synchron laufen“, betont Klein. Bei Volkswagen wurde eine Life-Demo gezeigt und Audi hat Kon-Cept derzeit Pilotprojekte laufen, bei denen die bestmögliche Kombination von Produktion und Logistik ausgetestet wird. Die Piloten sind schon weit fortgeschritten und „wir sind schon in der Lage, die kombinierten Prozesse umzusetzen“, ergänzt der IT-Spezialist. Bei der Kombination der Produktions- und Logistikwelten geht es auch darum, die Hardware so weit wie möglich auszureizen und gleichzeitig die IT nicht zu überlasten. Für die Autohersteller ergibt sich durch das Synchronschalten von Produktion und Logistik die Möglichkeit, auf den bestehenden Produktionsstraßen die Typenvielfalt zu erhöhen, die Platz für die Materialbeistellung links und rechts der Produktions-Bänder optimaler auszulasten und dem Materialbedarf der erhöhten Typenvielfalt anzupassen. „Kombinieren wir Produktion und Logistik können wir auch überlegen, die Routenzüge entlang der Produktionsstraßen gezielt zu führen, in dem wir die Fahrer der Routenzüge mit mobilen Terminals ausstatten sowie die Position der Routenzüge genauer zu erfassen“, erläutert Klein die Vorteile der Zusammenführung von Logistik und Produktion. Unterm Strich bringt das Kosteneinsparungen, die mindestens im einstelligen Prozentbereich liegen. Gute Produktionsprozesse sparen IT, schlechte hingegen beanspruchen zu viel davon, ist Klein überzeugt. Und Ressourcenverschwendung „kann sich im hart umkämpften Automotive-Business heute keine Firma mehr leisten.“ Integrierte Planung von Produktion und Logistik.

Produktion und Logistik synchron zu planen kann bei den Gesamtproduktionskosten Einsparungen von bis zu 30 Prozent bringen. Diesem Einsparungspotenzial auf der Spur ist das derzeit bei Fraunhofer in Österreich laufende Forschungsprojekt i-plan PL, das Ende Jänner 2015 konkrete Ergebnisse liefern soll. Bei diesem Projekt geht es nicht um eine „Super-Lösung“, sondern um die schrittweise Entwicklung eines durchgängigen Lösungsansatzes für die gemeinsame Planung von Distributions-, Produktions- und Beschaffungslogistikprozessen sowie der Lagerlogistik- und Materialwirtschaft, erklärt Sandra Stein von Fraunhofer Austria gegenüber Factory. Dort koordiniert sie i-plan PL und ist gleichzeitig auch wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Managementwissenschaften an der TU Wien. Produktions- und Logistikplanung sind in Unternehmen kritische Erfolgsfaktoren und laufen meist getrennt voneinander ab ohne Berücksichtigung synergetischer Optimierungs- und Effizienzsteigerungspotenziale. „Mit i-plan PL wollen wir einen Algorithmus zur Optimierung des integrierten Produktions- und Logistikprozesses generieren und einen proof-of-concept-Demonstrator entwickeln“, skizziert die Expertin die Marschrichtung.

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In der Fachliteratur wird die Synchron-Schaltung von Produktion und Logistik zwar schon beschrieben, doch praktisch ist das Thema noch erstaunlich unterbelichtet. Stein: „Einzelne Ansätze betrachten die Integration der Inbound- oder Transportlogistik, doch erfolgt keine übergreifende integrierte Simultanplanung.“ Daher zielt i-plan PL im ersten Schritt darauf ab, zunächst einmal das Einsparungspotenzial durch die integrierte Planung von Produktion und Logistik zu ermitteln. Im zweiten Schritt will man den Lösungsalgorithmus zur Optimierung der Produktionsplanung unter Berücksichtigung logistischer Parameter finden und bei den Schritten drei und vier soll ein Algorithmus zur Bewertung der Auswirkungen und Gestaltung wichtiger Einflussgrößen der Planung sowie die Wirksamkeit anhand realer Unternehmensdaten bei den Unternehmenspartnern validiert werden. Bei der Suche nach eine tragfähigen Lösung sind wichtige Parameter beispielsweise das Kundenabrufverhalten (Bestellmengen, Frequenz, Vorlaufzeiten, saisonale Schwankungen), Distributionsstrukturen und Transportkosten, der Produktportfolio und die Variantenvielfalt von Relevanz, um nur einige Beispiele zu nennen.

Komplette Kette im Blick.

Bei i-plan PL richtet sich der Blick nicht nur auf die Intralogistik, sondern auf die gesamte Logistikkette. Der Fokus richtet sich darauf, den gesamten Weg vom Kunden bis zum Lieferanten in die integrierte Logistik- und Produktionsplanung einzubeziehen, betont Stein. Der integrierte Ansatz von i-plan PL kann grundsätzlich bei allen produzierenden Unternehmen realisiert werden. Vordergründig richten sich die Optimierungsansätze aber doch auf Industrieunternehmen mit variantenreicher Serien- oder zumindest Kleinserien-Fertigung. Stein: „Der Fokus bei einer integrierten Produktions- und Logistikplanung liegt bei einem klassischen Lagerfertiger (große Stückzahlen, hohe Variantenvielfalt) eher auf der Kundenseite.“ Bei einem klassischen Auftragsfertiger liegen die Vorteile der integrierten Planung vor allem in einer stabilen und kostenoptimalen Materialversorgung durch die Lieferanten und kurzen Durchlaufzeiten bei hoher Flexibilität. Die unterschiedlichen Anforderungsprofile werden im Forschungsprojekt i-plan PL mit zwei unterschiedlichen Modellansätze, nämlich mit dem Modell „Lagerfertiger“ und dem Modell „Auftragsbezogene Fertigung“ abgebildet.

Bosch setzt bei der Integration auf RFID.

Der deutsche Bosch-Konzern hat schon erkannt, welches Einsparungspotenzial die Verlinkung von Logistik und Produktion bietet: Im Bosch-Werk im saarländischen Homburg werden Einspritzdüsen für Dieselmotoren produziert. Die Kisten mit den dafür notwendigen Rohlingen tragen ein RFID-Tag und damit wird der gesamte Transportweg vom Lieferanten durch das Werk Homburg bis zum Kunden Opel in Kaiserslautern in Echtzeit verfolgt und können alle in der Lieferkette beteiligten Akteure nachvollziehen, ob die Kiste mit den Rohlingen noch unterwegs ist, gerade bearbeitet wird oder zum Kunden Opel unterwegs ist. 90 Millionen dieser sogenannten blauen Kisten sind der deutschen Automobilindustrie mit verschiedenen Teilen bestückt täglich unterwegs. Würden diese optimal vom Lieferanten bis zum Kunden optimal gesteuert ließe sich viel Geld und Zeit einsparen, ist man bei Bosch in Stuttgart überzeugt. In Homburg hat Bosch mit der integrierten Steuerung von Logistik und Produktion dank RFID die Logistik-Effizienz um zehn Prozent gesteigert. „Was in Homburg begann wollen wir bis Ende 2015 weltweit in 20 Produktionsstätten ausrollen“, erklärt Bosch-Sprecher Thilo Resenhoeft gegenüber Factory.